| # taz.de -- Debatte Klima: Ins Scheitern verliebt | |
| > Die Klimakonferenz von Warschau war keineswegs ein Misserfolg. Aber wir | |
| > reden uns das ein, damit wir besser schlafen können. | |
| Bild: Die Debatten der Klimapolitik sind erschreckend eindimensional. | |
| Was zu Klimakonferenzen zu sagen ist, hat Sigmar Gabriel erklärt, als für | |
| ihn das Thema noch mehr war als nur ein lästiger Punkt im | |
| Koalitionsvertrag: „Gemessen am Möglichen ein Erfolg, gemessen am Nötigen | |
| ein Misserfolg“, so sinngemäß der damalige Umweltminister 2007. Denn auch | |
| wenn es wehtut: Klimaschutz und Klimakonferenzen sind zwei paar Schuhe, die | |
| man nicht miteinander verwechseln sollte. | |
| Aber gerade das passiert seit dem dem Ende des UN-Klimagipfels in Warschau | |
| vor zwei Wochen. „Gescheitert“ sei die Konferenz in der polnischen | |
| Hauptstadt, heißt es überall. Das stimmt selbstverständlich, wenn man die | |
| Konferenz daran misst, ob sie den Klimawandel stoppt. | |
| Aber dafür sind die Konferenzen nicht da. Sie sind ein quälend langsamer | |
| Konsensprozess, bei dem sich Staatsvertreter darüber verständigen, wie sie | |
| mit der größten Bedrohung ihrer Wirtschaft und ihres Lebensstandards | |
| umgehen wollen. | |
| So gesehen brachte Warschau die erwarteten Ergebnisse: einen Fahrplan bis | |
| zur entscheidenden Konferenz in Paris 2015; eine Debatte über Klimaschäden; | |
| ein bisschen mehr Geld und ein paar Ökorichtlinien für den Wald. Nicht | |
| berühmt. Aber sicher kein Scheitern. | |
| ## Am Morgen danach | |
| Das Gerede vom „Fehlschlag“ hat viele Gründe. Einer ist die unrealistische | |
| Erwartung, dass am Morgen nach einer Klimakonferenz alles geklärt ist. | |
| Interessanterweise denken die Menschen das von anderen Treffen nicht. Beim | |
| jahrelangen Gefeilsche um das iranische Atomprogramm war auch nach | |
| ergebnislosen Treffen immer nur die Rede davon, man werde weiterverhandeln. | |
| Dann war der angebliche Fehlschlag von Warschau vor allem ein | |
| Medienereignis. Als am vorletzten Tag Greenpeace, WWF und Co. unter lautem | |
| Protest die Konferenz verließen, lief diese ganz normal weiter. Nur die | |
| Fernsehbilder erzählten eine andere Geschichte: Skandal, Abbruch, Aus! | |
| Wir sind eben verliebt ins Scheitern. So erklärt dann Harald Welzer im | |
| Spiegel, der Klimawandel sei in Warschau „final von der Tagesordnung der | |
| Weltpolitik genommen worden“. Eine knallige These, die nicht belegt wird, | |
| aber die „komplette Machtlosigkeit der bisherigen Strategien“ behauptet. | |
| Für den Professor für „Transformationsdesign“, der kluge Dinge etwa über | |
| die nötigen Veränderungen der Industriegesellschaften geschrieben hat, | |
| lautet die Konsequenz: „Kein Kapital für den Kapitalismus“, hin zur | |
| Gemeinwohlwirtschaft: Energiegenossenschaften, ethische Banken, | |
| Tauschbörsen und Umsonstläden – und Schluss mit den Investitionen in | |
| Fossile-Energie-Konzerne. | |
| Eine interessante Strategie für die Transformation von | |
| Industriegesellschaften, aber als Ersatz für die Klimaverhandlungen völlig | |
| unpassend. | |
| ## Grüne oder schwarze Ökonomie | |
| Schwellenländer wie China und Indien versuchen gerade mit aller Macht, der | |
| Welt von Tauschbörsen und Umsonstläden zu entkommen. Sie suchen nach einem | |
| Weg, aus der Armut herauszuwachsen, ohne alle Kohle dieser Welt zu | |
| verfeuern. Und sie geben auf den Klimakonferenzen inzwischen den Takt vor. | |
| Ob das Etikett auf dem ressourcenintensiven Entwicklungsmodell | |
| „Kapitalismus“ oder „Sozialismus“ heißt, ist vielen dieser Staaten und | |
| Unternehmen letztlich egal. Wenn sie keinen Weg in irgendeine Green Economy | |
| sehen, die ihnen Strom, Heizung, sichere Nahrungsmittel und Mobilität | |
| garantiert, werden sie mit der Black Economy fortfahren, auch wenn die | |
| Folgen des Klimawandels sie am härtesten treffen. | |
| Um ein solches irgendwie zukunftsfähiges Entwicklungsmodell wird auf den | |
| Klimakonferenzen gekämpft. Sie sind der einzige Ort, wo auch die globalen | |
| Verlierer eine Stimme haben. Wo sonst soll sich die Staatengemeinde denn | |
| darüber verständigen, wer und was den Klimawandel verursacht, wie ihm zu | |
| begegnen ist und wer dafür bezahlt? Die G20 könnten das Problem unter sich | |
| lösen, tun es aber nicht. Einzelne Projekte bleiben Stückwerk und | |
| willkürlich. | |
| Es ist schon schwer genug, grünes Wirtschaften mit erneuerbaren Energien, | |
| Effizienz oder Recycling so vorzumachen, dass andere es kopieren wollen, | |
| wie der Chef der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, es in seinem Buch | |
| „Intelligent wachsen“ beschreibt. Aber in Indien, China oder Brasilien, wo | |
| vor allem schnelle Armutsbekämpfung Priorität hat, denkt kaum jemand über | |
| Gemeinwohlwirtschaft nach. | |
| ## Eindimensionale Debatten | |
| Die Debatten der Klimapolitik sind manchmal erschreckend eindimensional. | |
| Und damit sind nicht nur die Lobbys von Kohle und Öl gemeint. Wer auf die | |
| Überwindung unseres Wirtschaftssystems setzt, um den Klimawandel in den | |
| Griff zu bekommen, hat möglicherweise die Dringlichkeit des Problems nicht | |
| begriffen. Auf ein Ende des Kapitalismus hoffen Menschen seit 150 Jahren. | |
| Für eine Trendwende bei den Emissionen haben wir noch 15 Jahre Zeit. Ebenso | |
| kurzsichtig argumentieren Umweltverbände, wenn sie grundsätzlich jede Art | |
| von Forschung an umstrittenen Techniken wie CCS oder Fracking ablehnen. | |
| Niemand ist von diesen Risikotechnologien begeistert. Aber vielleicht | |
| erweisen sie sich noch als die kleineren Übel. | |
| Wer also der Konferenz von Warschau vorwirft, sie sei gescheitert, sollte | |
| sagen können, was denn ein Erfolg gewesen wäre. Und es sollte klar sein, | |
| dass das dauernde Gerede über den Misserfolg von Klimakonferenzen Folgen | |
| hat: Was dauernd schiefgeht, muss uns nicht interessieren. Es ist eine | |
| klassische sich selbst erfüllende Prophezeiung: Wenn wir lange genug gehört | |
| haben, dass wir scheitern, werden wir auch keinen Erfolg haben. | |
| Die ersten Konsequenzen dessen sind schon zu sehen: Wenn es beim Klima | |
| ohnehin nichts zu holen gibt, müssen wir uns auch nicht über einen | |
| Koalitionsvertrag aufregen, der bei dieser „größten Herausforderung des 21. | |
| Jahrhunderts“ (Angela Merkel) ohne Vision und Schwung daherkommt und das | |
| deutsche Klimaziel so ganz nebenbei in Rauch aufgehen lässt. Auch wenn | |
| dieser Vertrag von zwei ehemaligen UmweltministerInnen ausgehandelt wurde. | |
| Angela Merkel und Sigmar Gabriel wissen, was sie nicht tun. So, genau so | |
| sieht Scheitern aus. | |
| 10 Dec 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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