| # taz.de -- Klimaschutzpläne der großen Koalition: Sommer, Sonne, Grönland | |
| > CDU und SPD warnen vor der Erderwärmung und haben große Klimaschutzpläne. | |
| > Aber mit den von ihnen ergriffenen Maßnahmen wird das nichts. | |
| Bild: Experten vor Ort: Angela Merkel und der damalige Umweltminister Sigmar Ga… | |
| BERLIN taz | Die Aussage auf Seite 50 des [1][Koalitionsvertrags] ist | |
| deutlich: „National wollen wir die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um | |
| mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand 1990 reduzieren.“ Die Aussagen | |
| führender Experten zu dem Thema sind aber ebenso deutlich: Mit diesem | |
| Vertrag ist das nicht zu schaffen. | |
| Treibhausgase wie CO2 und Methan gelten als Hauptverursacher der | |
| Erderwärmung. Um diese zu stoppen, wird auf allen weltweiten | |
| Klimakonferenzen hart darum gerungen, den Ausstoß radikal zu reduzieren. | |
| Deutschland präsentiert sich dabei gern als Musterknabe. Doch mit dem | |
| Koalitionsvertrag von Union und SPD verfehlt es deutlich sein Klassenziel. | |
| Die wichtigsten Maßnahmen für dieses Ziel bleiben unscharf und sind nicht | |
| finanziert. Ohne neue Anstrengungen schafft Deutschland bis 2020 nur eine | |
| Reduktion von etwa 34 Prozent. | |
| „40 Prozent sind mit diesen Maßnahmen aussichtslos“, meint Claudia Kemfert, | |
| Leiterin der Energieabteilung des Deutschen Instituts für | |
| Wirtschaftsforschung (DIW). „Es wird sehr, sehr schwierig, vor dem | |
| Hintergrund der Situation beim Emissionshandel bis 2020 auch nur einen | |
| Zielkorridor von 35 bis 45 Prozent zu schaffen“, sagt Frank Peter, | |
| Energieexperte der Unternehmensberatung Prognos. Und Felix Matthes, | |
| Spezialist für Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut, urteilt: „Die | |
| für 40 Prozent nötigen Maßnahmen finden sich nicht in diesem | |
| Koalitionsvertrag“. | |
| Deutschland landet nach den übereinstimmenden Schätzungen vieler Experten 6 | |
| bis 8 Prozentpunkte unter seinen Versprechungen – das bedeutet etwa 100 | |
| Millionen Tonnen Treibhausgase mehr als das versprochene Limit – pro Jahr. | |
| Selbst eine Reduktion um 31 bis 33 Prozent liege zwar „erheblich über dem | |
| EU-Durchschnitt“, schreibt der Klimaexperte der Stiftung Wissenschaft und | |
| Politik, Oliver Geden, „zugleich aber auch signifikant unter der deutschen | |
| 40-Prozent-Zielmarke, einem der zentralen Eckpfeiler des | |
| Energiewende-Konzepts“. | |
| ## „Zusätzliche Maßnahmen“ | |
| Die Trends beschrieb im Frühjahr 2013 das umfassende Gutachten | |
| „Politikszenarien für den Klimaschutz VI“, das im Auftrag des | |
| Umweltbundesamts regelmäßig von Öko-Institut, DIW und dem | |
| Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung erstellt wird. | |
| Danach sind die 40 Prozent nur eine notwendige Etappe auf dem Weg zum | |
| langfristigen Ziel: Reduzierung um 85 Prozent bis 2050. Deutschland könne | |
| bei einem „Energiewende-Szenario“ mit „zusätzlichen Maßnahmen“ bis 20… | |
| „eine Emissionsminderung von knapp 42 Prozent“ erreichen – ziemlich exakt | |
| das erklärte deutsche Klimaziel. | |
| Dafür seien aber eine striktere Umsetzung der Wärmedämmung von Gebäuden, | |
| eine strukturelle Korrektur des EU-Emissionshandels, zusätzliche | |
| Effizienzmaßnahmen in Haushalten und im Verkehr und verstärkten Ausbau der | |
| erneuerbaren Energien nötig. | |
| All diese Maßnahmen sind im Koalitionsvertrag nur unverbindlich erwähnt. | |
| Von einer strukturellen Reform des Emissionshandels etwa, der wichtigsten | |
| Maßnahme, steht nichts in dem Papier. Das gerade von Bundesregierung und | |
| Europaparlament beschlossene backloading, mit dem Zertifikate erst 2019 auf | |
| den Markt kommen werden, soll laut dem CDU/CSU/SPD-Papier ein „einmaliger | |
| Eingriff in das System“ bleiben. | |
| ## Zielgrößen und Aktionspläne | |
| Auch die anderen Ideen zur Klimaschutzverbesserung haben im Vertrag wenige | |
| Chancen: Statt eines bindenden Klimaschutzgesetzes ist nur ein | |
| „Klimaschutzplan“ vorgesehen; die Energieeffizienz soll durch einen | |
| „Nationalen Aktionsplan“, aber nicht mit festen Zielgrößen oder | |
| Finanzmitteln gefördert werden; die erleichterte steuerliche Abschreibung | |
| der Wärmedämmung wurde in der letzten Runde gestrichen; der Einsatz | |
| erneuerbarer Energien im Wärmebereich bleibt freiwillig; die | |
| Effizienzsteigerung von Autos hat Berlin in Brüssel gerade verwässert; und | |
| für den Ausbau der Erneuerbaren wurde die Bremse angezogen. | |
| Das Bundesumweltministerium nimmt zu der Frage, ob das Klimaziel zu | |
| erreichen sei, nicht explizit Stellung. „Aus heutiger Sicht“, heißt es auf | |
| eine Anfrage der taz, „ist davon auszugehen, dass eine künftige | |
| Bundesregierung diese Klimaziele übernimmt und fortschreibt.“ Es verweist | |
| auf einen „Monitoring-Prozess“, der „auf Dauer angelegt ist“. | |
| Für den Präsidenten des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, „kommt es | |
| darauf an, welche weiteren Maßnahmen eine neue Regierung formuliert, mit | |
| denen sich dieses Klimaziel erreichen lässt“. | |
| Die Hoffnung der Umweltpolitiker heißt: nachbessern. „Wir werden die 40 | |
| Prozent schaffen, wenn wir den Koalitionsvertrag ambitioniert | |
| interpretieren“, sagt Andreas Jung, Umweltexperte der CDU-Fraktion. Wenn | |
| der Emissionshandel nicht wirksam sei, müsse man später auch über | |
| strukturelle Reformen reden. Und auch Frank Schwabe, klimapolitischer | |
| Sprecher der SPD-Fraktion, sagt: „Ohne zusätzliche Maßnahmen erreichen wir | |
| die 40 Prozent nicht. Außerdem brauchen wir einen verlässlichen | |
| Mechanismus, der bewertet, was dafür noch zu tun ist.“ | |
| Über das Schicksal des deutschen Klimaziels werde entschieden, wenn „klar | |
| ist, was von diesen Vorstellungen im Koalitionsvertrag später mal zu einem | |
| Gesetz wird“, meint Frank Peter von Prognos. Er sieht allerdings „wenig | |
| Anzeichen, dass die Große Koalition dabei ambitionierter vorgeht als jetzt | |
| im Koalitionsvertrag.“ | |
| 11 Dec 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.spd.de/aktuelles/112760/20131127_koalitionsvertrag_uebersicht.ht… | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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