# taz.de -- Ökonom über Klimaschutz: „Geld verdienen mit Emissionen“ | |
> Ottmar Edenhofer fordert höhere CO2-Preise. Damit will der | |
> Wirtschaftswissenschaftler die Blockade bei den Verhandlungen zum | |
> Klimawandel durchbrechen. | |
Bild: Folge extremer Klimaphänomene: vollkommen vertrocknete Erde | |
Herr Edenhofer, in Warschau gab es wieder keinen Durchbruch. Dabei mahnen | |
Ökonomen immer wieder, dass sich Klimaschutz rentiert. Können Politiker | |
nicht rechnen? | |
Ottmar Edenhofer: Diese Perspektive nimmt die Zwänge der Politiker nicht | |
ernst. Die Regierungen befürchten, dass Verpflichtungen zum Klimaschutz mit | |
konkreten Zielen und Fahrplänen ihre Wirtschaft strangulieren. In Warschau | |
saßen ja die Umweltminister. Die bekommen zu Hause Druck von ihren | |
Wirtschafts- und Finanzministern, die mit den konkreten Interessen der | |
heimischen Kohle-, Öl- und Gaswirtschaft fertigwerden müssen. | |
Also: Was rät der Ökonom? | |
Wir brauchen einen stabilen Preis für CO2, am Anfang etwa 20 bis 30 Euro, | |
und einen funktionierenden Emissionshandel. Das ist das A und O. | |
Die EU versucht das jetzt seit acht Jahren. Und es funktioniert nicht. | |
Weil es noch keine vernünftige Zielvorgabe für 2030 gibt. Darauf reagieren | |
die Investoren. Hinzu kommt: Schwache Konjunktur, zu viele CDM-Zertifikate, | |
nicht alle Sektoren sind einbezogen, Erneuerbare drücken den Preis. Bei | |
einem ehrgeizigen Ziel würden die Investoren steigende Preise erwarten. | |
Diese Reparatur ist eine Bringschuld Europas. | |
Wir müssen der Welt zeigen, dass der Emissionshandel funktionieren kann. | |
Ein moderater Preis wäre für Unternehmen auch kein Nachteil im | |
internationalen Wettbewerb. Denn das brächte dringend benötigte | |
Investitionen. Und es gibt in der Wirtschaft durchaus Akteure mit einem | |
längeren Horizont, etwa Pensionsfonds, die sehr besorgt sind über die | |
ökonomischen Konsequenzen des Klimawandels. | |
Aber warum soll der Emissionshandel ein Vorbild für die Welt sein – ein | |
System, das in Europa bis heute nicht funktioniert? | |
Bisher wird der CO2-Preis ausschließlich als Instrument der Umweltpolitik | |
betrachtet. Er soll die Kosten des Klimawandels langfristig | |
internalisieren. Das ist natürlich richtig, aber für Politiker nicht | |
attraktiv. Aber die CO2-Bepreisung ist auch dann interessant, wenn man | |
nicht vor allem klimapolitische, sondern finanzpolitische Interessen hat. | |
Man kann Geld einnehmen, indem man etwas Schädliches, also Emissionen, | |
besteuert statt etwas Nützlichem, nämlich Kapital oder Arbeit. | |
Klimaschutz soll im Finanzministerium stattfinden? | |
Wir können CO2-Bepreisung und Klimapolitik nutzen, um die Finanzkrise zu | |
lindern. So merken Finanzpolitiker, dass Klimapolitik nicht die Wirtschaft | |
stranguliert, sondern Wachstumspotenziale freisetzen kann. Bisher begründen | |
wir Klimapolitik doch mit dem Bedrohungsszenario eines gefährlichen | |
Klimawandels. Aber Politiker suchen zu Recht einen Einstieg, der schnellen | |
Erfolg verspricht. | |
Wenn sie lernen, dass eine Bepreisung von CO2 nicht dazu führt, dass die | |
Wirtschaft abschmiert, sondern dass damit etwas sehr Sinnvolles getan | |
werden kann, dann erleichtert das die nationalen Entscheidungen und die | |
internationalen Verhandlungen. Denn da steht ja immer die Angst der | |
Schwellenländer im Raum: Dass sie durch Emissionsminderungen in ihrer | |
wirtschaftlichen Entwicklung dauerhaft behindert werden. Sie bestehen aber | |
verständlicherweise darauf, möglichst viele Menschen aus der Armut zu | |
befreien, und sehen nicht, wie das ohne höhere Emissionen möglich sein | |
soll. Für diese realen Befürchtungen muss man jetzt eine Lösung finden. | |
Und die besteht in höheren Steuern oder Abgaben auf CO2? | |
Für einen CO2-Preis kann man die Menge oder den Preis festsetzen – also als | |
Emissionshandel oder als Steuer. Die negativen Wirkungen können abgemildert | |
werden, wenn man dafür die Lohnsteuern oder die Kapitaleinkommensteuern | |
senkt – oder wenn man das Geld in die Infrastruktur investiert. Nicht nur | |
in Brücken und Fabriken, sondern auch in Bildung, Gesundheit und Forschung. | |
Mit Geschick kann man eine Dreifachdividende einfahren: Senkung der | |
CO2-Emissionen, Einnahmen für den Staat, und Investitionen in Infrastruktur | |
für zukunftsfähiges Wirtschaftswachstum. | |
Sie fordern ja eigentlich eine Fortentwicklung der Ökosteuer. Die ist groß | |
gestartet und dann unter dem Druck einer Kampagne auf halbem Weg | |
steckengeblieben. Wie wollen Sie den Aufschrei vermeiden: Keine neuen | |
Steuern!? | |
Nationalstaaten geraten zunehmend unter Druck wegen sinkender | |
Finanzierungsspielräume. Entweder senken sie die Ausgaben oder steigern die | |
Steuern auf Kapital oder Arbeit, oder sie erhöhen die Verschuldung. Das | |
haben Finanzpolitiker im Auge. Die Zukunft besteht aber darin, Klimaschutz | |
und Finanzpolitik zusammenzubringen: die Knappheit der Atmosphäre in den | |
Preis einzubeziehen und die Einnahmen sinnvoll zu nutzen. Man kann | |
Ungleichheiten nicht nur durch Umverteilung ausgleichen, sondern auch durch | |
Investitionen in Bildung und Gesundheit. | |
Sie sagen, unser Begriff des Kapitals ist zu eng. Warum? | |
In der Marktwirtschaft müssen Knappheiten in den Preisen zum Ausdruck | |
kommen. Aber die Knappheit des Deponieraums in der Atmosphäre wird von den | |
Investoren nicht in ihre Kalkulation miteinbezogen. Wir leben also von der | |
Substanz des natürlichen Kapitals und investieren dort zu wenig, ebenso wie | |
in Bildung, in Forschung und Entwicklung. | |
Wir vernachlässigen auch andere Bereiche der Infrastruktur, die vor allem | |
für die Armen in den Entwicklungs- und Schwellenländern von großer | |
Bedeutung sind. Dabei könnten wir dort mit relativ geringen Mitteln relativ | |
große Wirkungen erzielen. Investitionen in bessere Wasserversorgung oder | |
Malariabekämpfung sind eben keine Alternative zur Klimapolitik, sondern sie | |
können durch Klimapolitik finanziert werden. | |
24 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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