# taz.de -- Abschluss des Klimagipfels in Warschau: Erst Schokolade, dann Boyko… | |
> Der Klimagipfel in Warschau erinnert an einen Kirchentag. Allen ist klar: | |
> Hier wird geredet, entschieden wird woanders. | |
Bild: Keine echten Veränderungen: Umweltaktivisten protestieren in Masken von … | |
WARSCHAU taz | Die erste Betroffenheit des Tages erwartet den Besucher der | |
Klimakonferenz dreihundert Meter vor dem Eingang: Die | |
Falun-Gong-Gemeinschaft demonstriert gegen Chinas „Organernte an lebenden | |
Gefangenen“. | |
Ein paar Schritte weiter werden Kondome verteilt „gegen die | |
Überbevölkerung, die größte Klimagefahr“. Ein Aktivist im Schafspelz wede… | |
mit einer Broschüre: „The Supreme Master Ching Hai“ möchte, dass die | |
Menschen vegan leben, um das Klima zu retten. Nach dem Sicherheitscheck | |
verteilen Aktivisten von Plant for the Planet 25.000 Tafeln „Change | |
Chocolat“: süß, klimaneutral, fair – genau das Gegenteil der | |
UN-Klimakonferenz in Warschau. | |
Der Eintritt ist geschafft. Aber nun wird es richtig kompliziert. Auf | |
sieben Ebenen sind die Büros, Tagungsräume, Konferenzzimmer und Restaurants | |
verteilt. Verwinkelte Gänge führen zu obskuren Räumen, Rolltreppen landen | |
im Nirgendwo, durch Tiefgaragen geht es in dunkle Korridore, Türen sind | |
verschlossen. | |
Das Warschauer Nationalstadion ist ein Labyrinth, in dem sich Unkundige | |
leicht verlieren. Man kann das als Metapher für die Klimaverhandlungen | |
lesen. Deren ursprünglicher Sinn hat sich grundlegend verändert. Früher | |
wurde auf den jährlichen Tagungen diskutiert, wie die CO2-Emissionen zu | |
begrenzen sind und dem Klimawandel zu begegnen ist. | |
In Warschau wurde zwei Wochen permanent getagt. Und es ging um alles: | |
Wälder, erneuerbare Energien, Frauenrechte, Schadensersatz, Chancen für die | |
Wirtschaft, Bedrohungen für die Wirtschaft, Klimaschutz in Städten, | |
historische Schuld. | |
## Man kennt sich, man grüßt sich | |
Der Klimarat IPCC, die Weltbank und das UN-Umweltprogramm Unep haben | |
pünktlich zur Konferenz wieder einmal klargemacht, dass der Klimawandel | |
immer schneller und die Zeit sehr knapp wird. Der Taifun „Haiyan“ auf den | |
Philippinen passt da exakt ins Bild. Vielleicht kein Beweis für den | |
Klimawandel. Aber eine Warnung, was die Zukunft bringen kann. | |
Deshalb trifft sich die internationale Klimagemeinde einmal im Jahr zu | |
ihrem Kirchentag. Man kennt sich, man grüßt sich, man streitet sich. Oben, | |
unter dem schrägen Dach des Stadions, sind in einem schlauchförmigen Raum | |
die NGOs einquartiert und die Delegationen armer Länder. Sie sitzen | |
Ellbogen an Ellbogen an ihren Laptops und planen, tagen, schmieden Pläne. | |
Friedlich beieinander stehen die Informationsstände der Amazonasbewohner, | |
der Forschungsinstitute, der Luftfahrtorganisation ICAO, die sich gegen | |
Klimaschutz sperrt, oder der Atombehörde IAEO. Zwei Schritte weiter | |
studieren vier Frauen und zwei Männer einen Tanz ein. Fehlen nur die | |
fröhlichen Lieder. | |
Allen ist klar: Hier wird geredet. Entschieden wird woanders, in den | |
Hauptstädten und Konzernzentralen. Auf Klimagipfeln wird nur abgearbeitet, | |
was zu Hause vorbereitet wurde. „Deshalb müssen Verhandeln und Handeln | |
zusammenkommen, und hier ist der Ort, um Allianzen zu bilden“, sagt | |
Christoph Bals von der Umwelt-und Entwicklungsorganisation Germanwatch. | |
Bals ist exzellent vernetzt, seit ewig dabei und einer der besten Kenner | |
der Verhandlungen. Er sieht ein Ergebnis von Warschau „substanziell gegen | |
null“ gehen. Und findet die Konferenzen trotzdem sehr sinnvoll. Denn der | |
Prozess soll weitergehen: Im Herbst 2014 zitiert der UN-Generalsekretär die | |
Staatschefs nach New York, damit sie ihre Ziele vorlegen, die dann in Paris | |
im Dezember 2015 beschlossen werden. Da werden ganz langsam ganz dicke | |
Bretter gebohrt. „Aber das ist die UNO“, sagt ein Diplomat. „Demokratie | |
kann ganz schön wehtun.“ | |
## Es gibt keinen Waffenstillstand | |
Das fühlt man am besten im Plenum. Auf dem Rasen des Stadions hat der | |
Stahlkonzern ArcelorMittal eine Zeltstadt aufgebaut, in der die | |
Vollversammlung tagt. Auf dem Gang hängen großformatige Bilder des Urwalds | |
von Bialowieza: Herrliche Fotos von nebligen Wäldern, sumpfigen Tümpeln, | |
schleichenden Luchsen und Bisons im Schneeregen. | |
Im Plenum liest gerade der Vertreter von Jordanien sein vorbereitetes | |
Statement herunter. Fertig. Schwacher Applaus einiger Dutzend Zuhörer, die | |
noch wach sind. „Es ist mir ein großes Vergnügen, den Vertreter von Guinea | |
auf der Konferenz zu begrüßen“, sagt der Vorsitzende mit schleppender | |
Stimme. Sein Podium ist da errichtet worden, wo sonst das Tor steht. Aber | |
packende Strafraumszenen gibt es hier nicht. Das Logo der Konferenz an den | |
Wänden ähnelt Handschellen. Weiter geht’s. Hier hat jeder Rederecht. | |
Bei Friedensverhandlungen gilt der Satz: Solange geredet wird, wird nicht | |
geschossen. Beim Klima ist das anders. Seit dem Beginn der Verhandlungen | |
sind die weltweiten Emissionen um 50 Prozent gestiegen. Es gibt keinen | |
Waffenstillstand. Aber nach den Regeln der Diplomatie, denen auch die | |
Klimaverhandlungen unterliegen, ist schon die Rettung des | |
Verhandlungsprozesses ein Erfolg. | |
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der zu Hause in den | |
Koalitionsverhandlungen über das Schicksal der deutschen Energiewende | |
entscheidet, sagt dazu bei seinem Tagesausflug nach Warschau: „Gescheitert | |
ist die Konferenz, wenn wir uns nicht auf ein Abschlussdokument einigen | |
können.“ | |
## Umweltgruppen beginnen Boykott | |
Aber so ist das in einem weltweiten Prozess, wo der Langsamste das Tempo | |
bestimmt und immer einer dazwischenquatscht. Und hat jemand eine bessere | |
Idee? Niemand hindert die reichen Länder etwa in der G 20, mit dem | |
Klimaschutz ernst zu machen. Die UN und manche Vorreiterstaaten suchen | |
verzweifelt nach neuen Wegen im Klimaschutz. Und es gibt auch gute aktuelle | |
Nachrichten: Die kanadische Provinz Ontario steigt aus der Kohle aus; | |
Großbritannien beendet seine Entwicklungshilfe für den Bau von | |
Kohlekraftwerken; China denkt laut über eine Obergrenze für den | |
Kohleverbrauch nach. | |
Alle diese Fortschritte kommen jedoch von außen. Deshalb erreicht die | |
Geduld der Umweltgruppen auch am vorletzten Tag der Konferenz ihre Grenze. | |
Mit großen Getöse verlassen und „boykottieren“ sie den Gipfel. Ihre | |
Begründung: kein Fortschritt in der Substanz, zu viel Einfluss der | |
Wirtschaftslobby. Und sie bekommen, was sie wollen: Überall Fernsehbilder | |
und aufgeregte Meldungen, die Konferenz stehe kurz vor der Scheitern. Die | |
Verhandler kratzen sich am Kopf: Scheitern? Es läuft doch eigentlich ganz | |
gut, finden sie. | |
Das ist die Kernfrage. Kann eine Klimakonferenz auch scheitern, wenn sie | |
ein Papier produziert? Stefan Schurig vom World Future Council erinnert an | |
die Architektur des Stadions: „Wir laufen hier im Kreis.“ | |
22 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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