# taz.de -- Nkosazana Dlamini-Zuma über Afrika: „Wir sagen, wo wir hinwollen… | |
> Die Chefin der Afrikanischen Union will sich die Entwicklungsziele nicht | |
> vom Westen vorschreiben lassen. In 50 Jahren soll Afrika ein | |
> prosperierender Kontinent sein. | |
Bild: Arbeiter in einer Kupfermine im Kongo. Vom Gewinn bleibt ihm und dem L… | |
taz: Frau Zuma, die EU arbeitet an einer Agenda für die nächste Dekade der | |
Armutsbekämpfung. 2015 will sie zum „Jahr der Entwicklung“ ausrufen. | |
Gleichzeitig versperrt Europa afrikanischen Produzenten weiter den Zugang | |
zu seinen Märkten und überschwemmt Afrika mit subventionierten europäischen | |
Gütern. Ist das nicht scheinheilig? | |
Nkosazana Dlamini-Zuma: Wir sollten nicht da sitzen und darüber | |
lamentieren, was andere tun. Ob die EU scheinheilig ist oder nicht, das | |
überlasse ich Ihnen. Wir haben keine Möglichkeit, andere zu stoppen, auch | |
wenn uns nicht gefallen sollte, was sie tun. Aber wir haben die Fähigkeit | |
zu ändern, was wir selbst tun. | |
Und was wollen Sie tun? | |
Afrika muss sich fragen, wo es hin will und welche Schritte dazu nötig | |
sind. Der 50. Jahrestag der Gründung unserer Organisation war uns ein | |
Anlass, unsere eigene Agenda zu entwickeln: „Afrika 2063“. Wir wollen, dass | |
Afrika in 50 Jahren ein prosperierender Kontinent ist, mit sich selbst in | |
Frieden und eine dynamische Kraft in der Welt. | |
2063 ist ganz schön lange hin. | |
Wir können keine strategischen Pläne für 50 Jahre machen. Aber wir können | |
Megatrends bestimmen, von denen wir glauben, dass sie uns ans Ziel bringen. | |
Welche Trends sind das? | |
Wir haben Sonne an jedem Tag, das ist eine große Ressource. Deswegen müssen | |
wir unsere grüne Wirtschaft entwickeln. Die EU kann dabei helfen. Wir | |
brauchen dafür Technologietransfer, um stärker von erneuerbaren, sauberen | |
Energien zu profitieren. Afrika hat riesige Meeresgebiete, aber ihre | |
Ressourcen arbeiten nicht für uns. Sie werden von anderen ausgebeutet. | |
Deshalb müssen wir auch unsere blaue Wirtschaft entwickeln. Unsere | |
wertvollste Ressource aber sind unsere Menschen. 2050 werden es doppelt so | |
viel sein wie heute. Und anders als in anderen Regionen wird sich bei uns | |
der Anteil von arbeitenden zu älteren Menschen weiter verbessern, das ist | |
ein großer Vorteil. | |
Für andere sind solche Zuwächse eher eine Horrovorstellung. | |
Wir brauchen eine Revolution der Bildung in Afrika. Sie ist Grundlage der | |
Modernisierung des Kontinents, des Wachstums der Mittelschichten. Eine | |
gebildete Bevölkerung wird Jobs schaffen, sie wird wissen, was mit unseren | |
Rohstoffen geschehen soll. Sie wird nicht zulassen, dass andere Menschen | |
aus Übersee kommen und unsere Reichtümer ausbeuten. Wir haben wohl fast | |
alle Rohstoffe, die die Wirtschaft braucht – für die Herstellung von Handys | |
ebenso wie für die Erzeugung von Atomenergie. Doch sie werden unverarbeitet | |
in andere Länder transportiert. Uns bleibt kaum etwas. | |
Das ist seit jeher so. Warum hat sich daran nichts geändert? | |
Die Bergbaukonzerne haben größere Etats für ihre Juristen, als unsere | |
Verwaltungen es haben, mit denen sie die Schürfrechte aushandeln. Mit | |
schlechten Verträgen verlieren wir schon von Anfang an. Dann geben viele | |
dieser Firmen übertrieben hohe Kosten an, die für sie anfallen – und wir | |
können das nicht nachweisen. Drittens rechnen sie den Wert dessen, was sie | |
aus dem Boden holen, künstlich klein. Wir können nicht genau sagen, wie | |
viel Barrel Öl oder Karat Diamanten sie am Tag fördern. So bezahlen sie nur | |
sehr wenig Steuern – und wir verlieren wieder. | |
Gleichzeitig leisten die afrikanischen Länder der Ausbeutung ihrer | |
Ressourcen Vorschub, indem sie mehr Land als je zuvor an ausländische | |
Investoren verkaufen. Seit dem Jahr 2000 sollen es über hundert Millionen | |
Hektar gewesen sein. | |
Die Länder sollten sich anschauen, was sie da tun. Sie werden das Land | |
brauchen, wenn ihre Bevölkerungen wachsen. Grundsätzlich kann man | |
Ackerflächen durchaus verpachten, das muss aber den Menschen dienen. Wenn | |
Investoren Kaffee anbauen lassen – schön. Aber der muss vor Ort verarbeitet | |
werden. Das würde gut bezahlte Jobs schaffen, es wäre eine | |
Win-Win-Situation. Was jetzt geschieht, nutzt den afrikanischen Ländern | |
meist nichts: Die Investoren bringen die Agrargüter in ihre eigenen Länder | |
und dort geschieht die Wertschöpfung. | |
Auch in afrikanischer Eigenregie angebaut Güter werden unverarbeitet | |
exportiert. | |
Das müssen wir stoppen. Länder, die Baumwolle anbauen, verkaufen sie als | |
Baumwolle und importieren Stoff oder Kleidung. Die größten | |
Schokoladenproduzenten der Welt bauen keinen Kakao an, nicht eine Bohne. | |
Diese Länder profitieren von der Weiterverarbeitung. Wie viele afrikanische | |
Kinder können sich belgische oder schweizer Schokolade leisten? Im Moment | |
geben wir 20 Milliarden Dollar pro Jahr für die Einfuhr von Lebensmitteln | |
aus. Mit diesem Geld sollten wir Schulen bauen. Wir sollten Nettoexporteur | |
von Lebensmitteln werden. Dazu müssen wir unsere Agrarindustrie ausbauen | |
und unsere Güter endlich selbst weiterverarbeiten. | |
Wie wollen Sie das erreichen? | |
Wir brauchen Investitionen – von Außen und von Innen. Unter den zehn | |
größten Investoren in Afrika sind heute schon drei afrikanische Staaten: | |
Nigeria, Kenia und Südafrika. Wir müssen Ressourcen mobilisieren. | |
Wofür? | |
Wir brauchen Straßen, Eisenbahnen, Luftverkehr, Häfen um die Probleme bei | |
der Mobilität von Menschen und Gütern innerhalb Afrikas zu lösen. Das wird | |
den innerafrikanischen Handel ebenso beflügeln wie den Tourismus. Alle | |
beklagen sich immer, dass der innerafrikanische Handel zu klein sei. | |
Natürlich ist er das. Wenn wir nichts herstellen und es keine Infrastruktur | |
gibt, wie sollen wir dann untereinander handeln? Das gleiche gilt für den | |
Tourismus. Selbst viele Afrikaner kennen die Schönheiten des Kontinents | |
nicht, weil es nicht genug Infrastruktur gibt. China und Indien werden 2020 | |
Hunderte Millionen Touristen in die Welt schicken. Wie viele davon nach | |
Afrika kommen, wird davon abhängen, welche Infrastruktur beim Transport, | |
Hotels und Energie es gibt. Kein Tourist will an einen Ort, an dem es | |
Stromausfälle gibt. | |
Deckt sich diese Wachstumsagenda nicht mit den Vorstellungen der | |
Geberländer? | |
Wir sagen, wo wir hin wollen. Wenn die Welt dasselbe machen will, schön und | |
gut. Wenn die Welt nicht dasselbe tun will, dann sollten wir es trotzdem | |
tun. | |
Was will die Welt denn nicht tun, was Sie tun wollen? | |
Eines der UN-Millenniumsziele bis 2015 etwa ist Primärschulbildung für alle | |
Kinder. Uns ist das zu wenig. Wir wollen uns auch höhere Bildung als Ziel | |
setzen. Uns ist klar, dass Entwicklungshilfe wahrscheinlich an das gebunden | |
sein wird, was die Internationale Gemeinschaft entschieden hat. Aber mit | |
Hilfe allein gelangt niemand zu Wohlstand. Hilfe kann dazu beitragen, | |
unsere Kinder auszubilden, unsere Landwirtschaft zu transformieren – aber | |
nur, damit wir am Ende keine Hilfe mehr brauchen. Ja, wir nehmen sie heute | |
an und wir sind dankbar. Aber künftig sollten wir in der Lage sein, mit | |
Europa Handel zu treiben, statt Hilfe anzunehmen. | |
Die UN-Millenniumsziele sollen bis 2015 erreicht sein. Das wird nicht | |
gelingen. | |
Wir wollen, dass auch nach 2015 über Armutsbekämpfung gesprochen wird. Aber | |
wir sind keineswegs mit dem Ziel einverstanden, nur die extreme Armut zu | |
beseitigen, wie die Millenniumsziele das vorsehen oder es auch für die | |
„Nach-2015“-Agenda im Gespräch ist. Wir können nicht künftigen Generatio… | |
sagen: Es ist okay, arm zu sein, solange man nicht extrem arm ist. Wir | |
sollten unseren Kindern sagen: Es ist eben nicht okay, arm zu sein. Ihr | |
müsst hart arbeiten, um Armut zu beseitigen. Kein Land sollte sich | |
vornehmen, nur nicht extrem arm zu sein. Das ist ein großer Unterschied zu | |
dem Ziel, bis 2015 oder 2030 keine extreme Armut mehr zu haben. Damit sagt | |
man uns: Wir sollen weiter arm sein. Das wollen wir aber nicht. | |
29 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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