# taz.de -- Weltbank-Vizepräsi über Energiepolitik: „Arme sollen nicht wart… | |
> 1,3 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Energie. Das will Rachel | |
> Kyte ändern – zur Not auch mit fossilen Ressourcen. | |
Bild: Sieht so die Zukunft der Energieversorgung aus? Das Braunkohlekraftwerk N… | |
taz: Frau Kyte, der Taifun auf den Philippinen hat Tausende von | |
Menschenleben gekostet, aber auch die Volkswirtschaft schwer getroffen. Ist | |
der Klimawandel, bei dem solche Schäden zunehmen, eine Bedrohung für die | |
Weltwirtschaft? | |
Rachel Kyte: Die ökonomischen Verluste durch Extremwetter werden zunehmen, | |
weil Unwetter stärker werden und weil in den Schwellenländern mehr | |
Infrastruktur entsteht, die gefährdet sein kann. Thailand hat vor drei | |
Jahren 4 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts bei Überschwemmungen | |
verloren. In Kolumbien haben zwei Jahre Regen riesigen Schaden angerichtet, | |
ebenso wie die Dürre, die nun alle zwei statt fünf Jahre die Sahelzone | |
heimsucht. Jetzt reden wir auch darüber, ob Klimawandel auf lange Sicht ein | |
systemisches Risiko für die Weltwirtschaft ist. Also: Wie managen wir | |
Ackerbau, wenn plötzlich neue Schädlinge ins Land kommen. | |
Warum macht das die Weltbank? Es gibt doch die UN-Agrarbehörde FAO. | |
Wir sind fundamental betroffen, denn wir wollen den Leuten helfen, aus der | |
Armut herauszuwachsen. Der Klimawandel zerstört diese Chance. Wenn ein Land | |
alle zwei Jahre eine Dürre hat, die das Wachstum 2 bis 3 Prozent | |
zurückwirft, dann schrumpft die Wirtschaft. So ist das in der Sahelzone. | |
Und dann können wir unser Ziel vergessen, weltweit Hunderte von Millionen | |
aus der Armut zu holen. | |
Die Menschen im Sahel zahlen die Rechnung für unseren Lebensstil. | |
Vielleicht sollte die Weltbank ihre Projekte in den Industrieländern | |
machen. | |
Die Armen überall sind verwundbar, und das wird schlimmer. Wir müssen ihre | |
Widerstandsfähigkeit stärken. Aber gleichzeitig müssen wir das Problem auch | |
global sehen. Die Menschen in den Industrieländern sind großartig darin, | |
für Opfer von Katastrophen zu spenden. Aber gleichzeitig machen sie es | |
durch ihren Lebensstil dieser Hilfe schwer, effektiv zu sein. | |
Die Weltbank will ein Problem lösen, das sie lange durch Kredite für | |
Kohlekraftwerke mitgeschaffen hat. | |
Wir haben einen Fußabdruck der fossilen Wirtschaft, das ist klar. Den gibt | |
es, weil wir für die armen Länder Energie bereitstellen müssen. Ohne | |
Energie gibt es keine Entwicklung, keine Industrie oder kleine Firmen. Wir | |
wollen eine Energieversorgung ohne fossile Energien. Aber gleichzeitig gibt | |
es 1,3 Milliarden Menschen ohne Zugang zu Energie. Die sollten nicht noch | |
ein oder zwei Jahrzehnte warten müssen, weil wir in den Industriestaaten | |
unsere Emissionen nicht senken. Die armen Länder machen gar nicht so einen | |
Unterschied: Selbst wenn wir alle 1,3 Milliarden Menschen mit fossiler | |
Energie versorgen, was wir nicht wollen, wären das weniger als ein Prozent | |
der globalen Emissionen. Wir müssen da auch die Relationen sehen. | |
Wie gut ist die Weltbank bei dieser Arbeit? | |
Wir sind mit uns nicht zufrieden. Machen wir viel? Ja. Ist das genug und | |
systematisch? Noch nicht. Niemand, der solche Kredite gibt, macht das. | |
Die Kritiker der Weltbank sagen, im letzten Fiskaljahr waren die | |
Investitionen der Weltbank-Gruppe in den fossilen Sektor höher als für | |
Erneuerbare. | |
Das stimmt so nicht. In unserem Portfolio haben wir auch Projekte aus der | |
Vergangenheit stehen. Unsere Kredite laufen zehn oder zwanzig Jahre. Wenn | |
wir vor fünf Jahren ein Kohlekraftwerk in Südafrika finanziert haben, steht | |
es immer noch in unserer Bilanz. Aber von den Krediten, die wir neu | |
ausgeben, ist mehr als die Hälfte für Erneuerbare oder für Netze, dann Gas, | |
sehr selten Öl. Aber keine Kohle. | |
Es gibt in den Leitlinien aber Ausnahmen für Kohle. | |
Das gilt nur in den am wenigsten entwickelten Ländern, die auf dem Weg | |
sind, ihr Energiesystem umzustellen und für das nächste Jahrzehnt Kohle | |
nutzen wollen. Es sind ganze zwei Länder, wo wir uns vorstellen können, in | |
Kohle zu investieren. | |
Welche Länder? | |
Das sage ich nicht. | |
Ist das Kosovo eines davon? | |
Ja. | |
NGOs werfen der Bank auch vor, es gingen nur 8 Prozent der Energiekredite | |
an Projekte, die Armen besseren Zugang verschaffen. | |
Das ist eine Frage der Definition. Wenn damit Arme auf dem Land gemeint | |
sind, die ohne Stromnetz leben, dann ist das wichtig, macht aber in der | |
Summe des Geldes keinen großen Teil aus. Man kann da eine Menge machen für | |
relativ wenig Geld. | |
Sie wollen, dass die armen Länder aus der Armut „herauswachsen“. Aber wer | |
darf das noch, wenn wir die Grenzen des Wachstums fast erreicht haben? | |
Die Entwicklungsländer müssen ihren Lebensstandard anheben, und das geht | |
mit höheren Emissionen einher. Man kann sich nicht vorstellen, dass sie | |
komplett ohne Emissionen wachsen. Aber der größte Punkt ist ein | |
effizienteres Energiesystem in den Industrieländern. Wir können nicht alle | |
so weitermachen wie bisher. Vor zehn Tagen war ich in einem | |
ostafrikanischen Land. Da sagte der Finanzminister: Wir brauchen 10 Prozent | |
Wachstum für die nächsten sechs Jahre. Das sagen mir viele. Können sie das, | |
ohne dass die Emissionen genauso wachsen? Wenn sie nämlich ihre Luft | |
verschmutzen, werden ihre Kinder krank, gehen nicht zur Schule und sind | |
nicht die Arbeitskräfte der Zukunft. | |
Sie argumentieren immer für den Markt. Das bringt Ihnen eine Menge Ärger | |
ein, vor allem bei der Waldpolitik der Bank. | |
Alle diese Kritiker leben selbst in der Marktwirtschaft. Es sei denn, sie | |
sind NGOs aus Nordkorea. Ich glaube nicht, dass das eine grundlegende | |
Kritik am Marktmechanismus ist, sondern daran, dass sich die Leute in den | |
letzten Jahren vor allem bei der Waldpolitik von den Möglichkeiten des | |
Marktes ein bisschen haben blenden lassen. Aber es gibt Fortschritte. Und | |
immer noch gib es ein riesiges Interesse daran, in den stehenden Wald zu | |
investieren statt in abgeholzten. | |
Es gibt keine andere Lösung als den Markt? | |
Doch, es gibt viele Möglichkeiten. Sie können Steuern erheben auf alles, | |
was die Leute umbringt: Tabak oder Kohlenstoff. Steuern bringen | |
Verlässlichkeit, Marktmechanismen Schnelligkeit und Volumen. Aber für | |
Steuern brauchen Sie den politischen Willen. Wo es den nicht gibt, kann man | |
mit Marktmechanismen ähnliche Ergebnisse erzielen. | |
19 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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