# taz.de -- Dürre in Texas: Farmer sein? Ein Glücksspiel | |
> Der Rinderbestand schrumpft, die Preise für Tierfutter und Burger | |
> steigen: Wie die Hitze im Bundesstaat Texas den Landwirten zu schaffen | |
> macht. | |
Bild: Von diesem Pier soll man eigentlich fischen können ... Texas ist von der… | |
AUS TEXAS taz | Mit einem Satz hat er sich auf den Fahrersitz geschwungen, | |
den Zündschlüssel umgedreht und los. Der silberfarbene Truck von Rader | |
Gilleland wirbelt Staubwolken auf, als er den steinig-holprigen Weg zur | |
Farm einschlägt. Gilleland zieht seine Baseballkappe tiefer in die Stirn, | |
die Sonne blendet. „Ganz schön warm hier, was?“, sagt er. Es ist heiß in | |
Texas, auch im Winter. | |
150 Kilometer westlich von San Antonio im US-Bundesstaat Texas geht ein | |
kleiner Schotterweg rechts vom Highway ab. Das elektronische Tor, Teil | |
eines langen Holzzauns, öffnet sich und gibt den Weg frei Richtung Farm der | |
Gillelands. 1.600 Hektar für die Rinder, dazu 1.200 Hektar Ackerland. Etwa | |
die Fläche von 3.800 Fußballfeldern. Riesig, und doch eine der kleineren | |
Farmen in der Gegend. | |
Rader Gilleland ist 38 und hier aufgewachsen. Er ist groß, sein Kreuz | |
breit, das Lachen auch. „Meine Freunde fahren regelmäßig nach Las Vegas ins | |
Kasino“, erzählt er. Sie fragen jedes Mal, ob er mitfahren will. Seine | |
Antwort sei aber immer die gleiche. „Glücksspiel? In Las Vegas? No way, | |
mein ganzes Leben ist doch schon ein Glücksspiel.“ | |
Der Farmer tritt auf die Bremse, der Truck kommt an einem Gitter aus | |
Stacheldraht zum Stehen. Dahinter rupfen schwarze Rinder vertrocknete | |
Grashalme aus dem Boden. Gilleland steigt aus dem Auto, geht zum Zaun. Die | |
Risse im Boden vor dem Gitter sind so tief, dass er seinen Zeigefinger | |
darin verschwinden lassen kann. „Trocken, viel zu trocken.“ Er zerbröselt | |
einen Brocken Erde zwischen den Fingern zu Sand. Seit Wochen hat es so gut | |
wie gar nicht geregnet. Ein Jungtier jenseits des Stacheldrahts wälzt sich | |
auf dem Boden, das Fell nimmt eine graue Farbe an. Ein Brangus-Rind, die | |
Rasse gilt als besonders widerstandsfähig. | |
## Größter Rinderproduzent der USA | |
„Ich bin wirklich gern Farmer“, sagt Rader, klopft sich den Staub von der | |
Jeans und blickt über die Felder. Etwas anderes sei ohnehin nicht infrage | |
gekommen, bei seiner Familiengeschichte. Der Urgroßvater hat die Farm 1904 | |
gegründet, die Familie war eine der ersten, die sich in Texas | |
niedergelassen haben. Erst der Urgroßvater, dann der Opa, später der Vater, | |
jetzt er. Wenn alles gut läuft, übernimmt irgendwann sein Sohn. „Das würde | |
ich mir jedenfalls wünschen.“ Der Sohn ist drei. | |
Die Landwirtschaft ist der zweitgrößte Industriezweig in Texas, mit 247.500 | |
Farmern und etwa 80 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr. Der Bundesstaat ist | |
der größte Rinderproduzent der USA, auch bei Mais und Baumwolle liegt Texas | |
vorne. Der Staat lebt vom Export. Doch das Wetter verändert vieles. | |
In Texas herrscht Dürre, fast die Hälfte des Staates ist davon betroffen. | |
Es ist die schlimmste Trockenperiode seit mehr als 50 Jahren, bestätigt das | |
Nationale Klimazentrum in Asheville im Bundesstaat North Carolina. 2013 war | |
ein besonders schlechtes Jahr. Es regnete kaum, die Sonne hat die Felder | |
ausgedörrt. Wasserläufe sind versiegt, Teiche verschwunden. Eine aktuelle | |
Studie der National Oceanic and Atmospheric Administration, Teil des | |
Wirtschaftsministeriums, besagt, es liege nicht am Klimawandel. Die Dürre | |
sei „eine Laune der Natur“, heißt es dort. | |
Der Truck rauscht an riesigen Anbauflächen vorbei. Auf der Ladefläche | |
rumpeln eine Leiter und ein großer Blechtrog, neben Rader Gilleland, im | |
Fußbereich des Beifahrersitzes, lehnt ein schwarzes Gewehr mit einem | |
Pumpschaft. „Wegen der Kojoten, zur Not auch gegen Menschen einsetzbar, wer | |
weiß schon, wer Ärger macht?“ Links ein kleines Häuschen, in dem sich | |
Gerätschaften befinden, und weiter vorne hinter ein paar Bäumen das Haus, | |
in dem Gillelands Eltern wohnen. Ein schönes, großes Anwesen. Dazwischen | |
viel karger Boden. | |
„Sehen Sie das Feld dort?“ Rader Gilleland zeigt aus dem Fenster des Trucks | |
nach links auf ein Stück Land, das aussieht wie Steppe. Aus dem staubigen | |
Boden wachsen Kakteen mit runden Knollen, ein paar Büsche sind übrig, viele | |
Blätter hängen nicht daran. „Dort wuchs früher Gras, auch ein paar Bäume | |
und Büsche standen dort“, sagt er. Die Rinder hätten ein bisschen Schatten | |
gehabt beim Fressen. Doch sie stehen längst nicht mehr dort, sie fressen | |
keine Kakteen. | |
## Künstliche Bewässerung | |
Der Farmer hat angehalten, steigt aus dem Truck und läuft auf ein Feld. | |
Eine Bewässerungsanlage mit Stangen und Schläuchen streckt sich über dem | |
Boden wie eine Spinne ihre Beine. Die Schläuche sind tief im Boden | |
verankert, „das Wasser soll direkt dorthin fließen und gar nicht erst an | |
der von der Sonne aufgeheizten Oberfläche verdunsten“, erklärt Gilleland. | |
Die Anlage pumpt Grundwasser aus dem Boden. | |
Doch selbst davon gibt es nicht mehr ausreichend. Die Dürre bedeutet für | |
die Farm etwa 40 Prozent weniger Wasser – und damit 40 Prozent weniger | |
feuchtes Ackerland. Drei Festangestellte arbeiten hier, dazu ein paar | |
Saisonarbeiter zur Erntezeit. Auf den Feldern bauen die Farmer der Gegend | |
Mais und Baumwolle an, Weizen und Sesam, grüne Bohnen und Spinat. Aber das | |
Getreide wächst nicht so, wie es soll, die Pflanzen und Ähren vertrocknen, | |
es ist kaum noch Gras für die Rinder da. Und weil kaum noch etwas wächst, | |
ist das Tierfutter teuer geworden. Zu teuer. | |
Viele Farmer haben Teile ihrer Rinderherden verkaufen müssen, weil sie es | |
sich nicht mehr leisten können, die Tiere zu füttern. Es ist immer das | |
Gleiche, sagt Rader Gilleand aus Erfahrung. „Wenn es trocken ist, hast du | |
zu viele Tiere. Wenn es regnet, sind es zu wenige.“ Bauernregel in Texas. | |
Der Rinderbestand in den USA ist so niedrig wie seit den 50er Jahren nicht | |
mehr. „Wir haben Glück“, sagt Rader Gilleland, „wir haben die Möglichke… | |
selbst Futter anzubauen.“ Er hat umgeplant und seinen Viehbestand – bislang | |
– halten können. | |
Wo früher Weizen und Baumwollpflanzen in die Höhe wuchsen, wächst nun Gras. | |
Und statt Getreide für den Verkauf baut der Farmer Futter für den | |
Eigenbedarf, für seine Tiere, an. Steht das Gras hoch genug, treibt er die | |
Rinder auf den Acker. „Irgendwas müssen die ja fressen.“ | |
Weil die Preise für Futtermittel steigen, steigt auch der Preis für die | |
Endprodukte. Weizen etwa ist in den vergangenen Jahren deutlich teurer | |
geworden, teilweise um 20 Prozent. Die Preise für Rindfleisch legten um bis | |
zu 5 Prozent zu. Auch Burger werden teurer. Fast-Food-Ketten halten die | |
niedrigen Preise noch, aber im Restaurant zahlt man deutlich mehr als vor | |
ein paar Jahren. „Die Konsumenten können sich wenigstens entscheiden und | |
statt Rind- Hühnerfleisch kaufen“, sagt Rader Gilleland. „Sie können sich | |
leichter anpassen als ich.“ | |
Bis 2040 soll die Dürre weiter zunehmen. Besonders betroffen ist – laut | |
Klimaexperten – das Gebiet rund um den Colorado River, wo auch die Farm der | |
Gillelands liegt. Die Gegend ist ohnehin ein Sonderfall im komplizierten | |
System der Wasserrechte in Texas. Eigentlich dürfen Landbesitzer so viel | |
Grundwasser aus dem Boden ihres Landes pumpen, wie sie wollen. | |
## Bedrohte Tierarten | |
„Früher war das auch so“, sagt Rader Gilleland. Doch seit zu Beginn der | |
1990er Jahre in den Quellen und im Brunnensystem des Edwards River einige | |
gefährdete Tierarten entdeckt wurden, muss nun immer genügend Wasser im | |
Boden sein, und die Farmer dürfen nicht mehr so viel pumpen. Die Edwards | |
Aquifer Authority kontrolliert die Wasserverteilung. Die Gegend ist eine | |
der wenigen in Texas, wo es solche staatlich angeordneten Einschränkungen | |
gibt. | |
Zusammen mit einem Mitarbeiter kontrolliert Rader Gilleland auf einem Feld, | |
ob der Sesam so wächst, wie er wachsen soll. Er zieht eine Pflanze zu sich | |
heran. Pflückt eine der Kapseln, die wie Knospen an dem trockenen Stiel | |
aufgereiht sind, reibt sie zwischen den Fingern, bis sie aufplatzt, nickt. | |
Rader lässt einige helle Sesamkörner auf seine Handfläche und dann durch | |
die Finger rieseln. „Bald können wir ernten“, sagt er. Sesam braucht nicht | |
viel Wasser. „Wir bauen viel mehr davon an als noch vor einigen Jahren.“ | |
Einige Tonnen Sesam verkauft er auch im Jahr. Der Farmer hat sich gebückt, | |
um den Boden um die Pflanzen herum zu prüfen. Er schabt mit den | |
Fingerspitzen im Sand. „Regen täte allmählich wirklich gut.“ Der größte | |
Teil der Samen geht an die Sesaco Cooperation, die Fastfood-Ketten wie | |
McDonald’s beliefert. | |
Am Ende landet Rader Gillelands Sesam auf den Brötchen der Restaurants. | |
„Dann kommt wenigstens ein Teil der Burger von meiner Farm“, sagt er. | |
21 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Steffi Dobmeier | |
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