| # taz.de -- Yello-Sänger Dieter Meier über Steaks: „Natur ist ein anarchisc… | |
| > Gutes Fleisch geht auf wie ein Kuchen, sagt Dieter Meier, der in | |
| > Argentinien Tausende Rinder hält. Ein Gespräch über Bio-Landwirtschaft, | |
| > Zellstrukturen und die Pampa. | |
| Bild: Bei einem guten Steak hat man kein Gramm Wasser in der Pfanne. | |
| taz: Herr Meier, ich habe hier dünn aufgeschnittenes Roastbeef von Ihrer | |
| Farm in Argentinien auf dem Teller, noch sehr rosa. Was ist das Besondere | |
| daran? | |
| Dieter Meier: Oh, da gibt es einige. Es ist natürlich bio. Die Ochsen sind | |
| ausschließlich mit Gras aufgewachsen. Ich finde, das macht einen großen | |
| Unterschied. | |
| Welchen? | |
| Schmecken Sie selbst. | |
| Es ist zart, hat aber noch einen feinen Biss. | |
| Das ist der Unterschied: Grasgefütterte Tiere haben eine andere | |
| Zellstruktur. Ich sage immer: Gutes Fleisch geht auf wie ein Kuchen. Die | |
| Zellen springen nicht, man hat kein Gramm Wasser in der Pfanne. Ganz anders | |
| als Fleisch von vielen Tieren, die nur im Stall stehen und Getreide und | |
| Chemie bekommen. | |
| Herr Meier, man kennt Sie als Elektropopper, Sie haben Yello gegründet. | |
| Dass Sie aber auch Rinderzüchter und Biobauer sind, wissen wenige. Aber | |
| warum Argentinien? | |
| Wenn man biologisch, also ohne Pestizide, landwirtschaften will, dann geht | |
| man mit der Pflanze dorthin, wo sie am stärksten werden kann und Schädlinge | |
| von Natur aus die geringsten Chancen haben. Und das war 1996 für mich | |
| Argentinien. Es gibt in diesem riesigen, wunderbaren Land die | |
| verschiedensten Klimazonen, die verschiedensten Böden. | |
| Dann war die Rinderzucht gar nicht Ihr Ziel? | |
| Nein, so war das nicht geplant. Das Hauptgewicht sollte die Farm haben. | |
| Aber ich habe dann festgestellt, man kann nicht acht Jahre Getreide, Mais | |
| und Sonnenblumen anbauen und dann nur zwei Jahre lang Viecher auf die | |
| Flächen stellen. Für eine gute extensive Landwirtschaft ist fifty-fifty | |
| besser. Also der gleichmäßige Wechsel. Der Boden kann sich erholen, das | |
| Gras lässt sehr viel Proteine und Stickstoff im Boden zurück, und die Tiere | |
| düngen darüber hinaus. | |
| Sie waren schon 50, als Sie Bauer geworden sind. | |
| Aber dass es so weit kommt, war für mich immer klar. Ich hab schon als Kind | |
| Ferien auf kleinen Bauernhöfen gemacht und immer dieses Reelle geliebt, | |
| also auf dem Boden zu sein und zu sehen, wie etwas wächst, wie etwas | |
| gedeiht. Das ist neben dem Filmemachen für mich vielleicht das Schönste, | |
| was es gibt. Und es treibt mich weiter an. Ich plane gerade am Rio Negro, | |
| in der Steppe, Walnüsse zu pflanzen. Zu sehen, wie diese Bäume wachsen, ist | |
| ein Glücksgefühl jenseits von aller Ideologie. | |
| Bio ist für Sie eine Ideologie? | |
| Nein, ich bin kein Bio-Ideologe. Ich sehe einfach, dass man mittel- und | |
| langfristig gute Resultate erzeugen kann, wenn man biologisch anbaut. Und | |
| es macht auch mehr Freude, als mit Chemiebomben zu arbeiten. Wie die aufs | |
| Land geschmissen werden, ist verantwortungslos. Das hat schwerste | |
| Auswirkungen für das Wasser, die Umwelt, die Artenvielfalt. Das sieht man | |
| ja an dem weltweiten Bienensterben. Die Chemieindustrie wehrt sich zwar | |
| gegen den Vorwurf, ihre Pestizide hätten damit was zu tun. Aber natürlich | |
| sind sie der Grund. Sie richten unglaubliche Schäden haben. | |
| Sie gelten als großer Ironiker. Beim Essen hört der Spaß auf. | |
| Ich habe vor allem eine ironische Distanz zu mir und meinem Kurzbesuch auf | |
| diesem Planeten. Aber es gibt Dinge, die kann man nicht mehr ironisch | |
| betrachten. Gerade die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Auf dem Bauernhof | |
| dagegen geht es ohne ironische Distanz auch nicht. | |
| Warum? | |
| Man hat einen anarchischen Partner. Die Natur versucht ständig, neue Arten | |
| aufs Feld zu schicken. Um zu lernen, um in einen Dialog mit der Natur zu | |
| treten, muss man als Biobauer auch einstecken können. | |
| Wie ist Ihre Haltung zu Fleisch? | |
| Natürlich essen wir alle zu viel Fleisch. Und wenn man sich ansieht, wie | |
| viele Hunderte von Millionen Rinder ihr ganzes Leben in Ställen stehen, in | |
| diesen Feedlots, dann ärgert man sich – besonders als Viehhalter. Das ist | |
| kein Leben, das ist auch keine Wertschätzung. Aber wenn Fleisch nur dort | |
| gemacht würde, wo es so ideal produziert wird wie in Argentinien, dann wäre | |
| das das Fleisch, was man essen möchte. Die Pampa húmeda, die feuchte Pampa | |
| Argentiniens, ist für Gras gut genug, aber nicht für die Landwirtschaft. | |
| Man bräuchte Unmengen von Dünger, um hier Ackerbau zu betreiben. | |
| Ihre Tiere sind sich dort fast selbst überlassen? | |
| Manche Rinder sehen nur einmal im Jahr einen Gaucho, wenn wir Inventur | |
| machen und den Bestand zählen. | |
| Sie haben fast 10.000 Rinder. In Europa denkt man bei einer solchen Zahl an | |
| Massentierhaltung. | |
| Keineswegs. Die Tiere haben endlos Platz. Um eine Kuh und ihr Kalb zu | |
| ernähren, braucht man bis zu 4 Hektar. Die leben im Paradies, völlig frei. | |
| Das äußert sich im Geschmack? | |
| Wissen Sie, wie lang die Regale mit Soßen in US-Supermärkten sind? Das ist | |
| aus dem meisten Rindfleisch geworden: ein Soßenträger. Geschmacklos – und | |
| ohne Konsistenz. Ich sage immer, bei Feedlot-Viechern verfault das Fleisch | |
| schon am Leib. Das kann man mit dem Löffel essen. Fleisch von Tieren, die | |
| auf Gras gestanden haben, da braucht man nur etwas Salz, so wie ein feiner | |
| Fisch. Und warum soll man nicht kauen dürfen? Es ist ein Erlebnis im Mund, | |
| wie einen Wein zu degustieren. | |
| Sie haben inzwischen eigene Restaurants – in Zürich, in Frankfurt, in | |
| Berlin. Sie nennen Sie „Ojo de Agua Weinkontor“. | |
| Mittlerweile sind es sechs. Ursprünglich war die Idee, ein Schaufenster zu | |
| haben, um die Qualität meiner Produkte zeigen zu können, des Biofleischs | |
| und des Bioweins. Inzwischen hat sich das weiterentwickelt. Es ist das | |
| Prinzip „von der Farm direkt auf den Teller oder in das Glas“. Alles hier | |
| in meinem Lokal stammt von meinen Farmen. | |
| Und ich sehe, das Fleisch wird nicht einfach auf den Grill geworfen. | |
| Nein, es wird kurz angebraten und dann weiter gegart, bei 80 bis 90 Grad. | |
| Nach meinem Geschmack ist das das Beste für mein Fleisch. Bei größerer | |
| Hitze, das ist übrigens dasselbe wie beim Rösten von Kaffee oder | |
| Kakaobohnen, verliert es wieder an Aroma. | |
| Was hat Essen für eine Bedeutung für Sie? | |
| Eine Zeremonie. Ich hasse es, absolut, wenn man dem Essen auf dem Teller | |
| keine Ehre antut. Und das bedeutet beim Kochen auch, die Zutaten das sein | |
| zu lassen, was sie sind. Da ist kein Unterschied zwischen einer Karotte | |
| oder einem Steak. Und ich entdecke gerade die Sous-Vide-Technik. Dabei | |
| arbeitet man ähnlich wie beim Fleisch mit niedrigen Temperaturen. Da wird | |
| eine Karotte zur Delikatesse, wie der beste Kaviar der Welt. | |
| Essen Sie eigentlich selbst noch im Restaurant Fleisch? | |
| Wenig. Ich weiß ja nicht, wo es herkommt. Und wenn ich Rindfleisch esse, | |
| dann am liebsten mein Fleisch. | |
| 21 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörn Kabisch | |
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