# taz.de -- Stadtplaner kritisiert Wachstumspolitik: „Tourismus ist kein Selb… | |
> Die ökonomische Bedeutung des Tourismus rechtfertigt keine | |
> Wachstumspolitik um jeden Preis, sagt der Berliner Stadtplaner Johannes | |
> Novy. | |
Bild: Touris vor Berliner Sehenswürdigkeit | |
taz: Herr Novy, am Oranienplatz eröffnet bald ein neues Hotel. Wann ist | |
denn in Kreuzberg Schluss mit lustig? | |
Johannes Novy: Wenn Sie mich fragen, ist schon längst Schluss mit lustig. | |
Auch wenn einzelne Vertreter der Tourismuswirtschaft und des Senats noch so | |
oft wiederholen, Berlin bräuchte noch mehr solcher Bettenburgen: viele | |
darunter sind weniger tatsächlichem Bedarf als vielmehr einem knallharten | |
Wettbewerb um Gewinne und Marktanteile geschuldet. Dabei lassen | |
insbesondere große Hotel- und Hostelbetreiber kräftig die Muskeln spielen. | |
Vor einiger Zeit waren die Kreuzberger Grünen noch die Avantgarde bei der | |
Frage: Wie viel Tourismus brauchen wir? Nun genehmigt der Bezirk ein Hotel | |
nach dem anderen. | |
Ich bin mit den Details nicht vertraut, vermute aber, dass dem Baustadtrat | |
die Hände gebunden waren und das Hotel baurechtlich nicht zu verhindern | |
war. | |
Welche Möglichkeiten gibt das Baurecht, neuen Hotels die Genehmigung zu | |
verweigern? | |
Insbesondere in Misch- und Kerngebieten ist es wegen der gültigen | |
Baunutzungsverordnung sicher schwierig, Hotelprojekten die Genehmigung zu | |
verweigern. Aber auch in reinen Wohngebieten lassen sich | |
Beherbergungsbetriebe nicht ohne weiteres verhindern, wie wir in | |
Friedrichshain-Kreuzberg in den vergangenen Jahren gesehen haben. | |
Andererseits ist es aber auch nicht so, dass es gar keine Handhabe geben | |
würde. Milieuschutzsatzungen eröffnen zusätzliche Möglichkeiten der | |
Einflussnahme. Auch mit Bebauungsplänen können ungewünschte Entwicklungen | |
verhindert werden. | |
Bei Einkaufszentren regelt das ein entsprechender Stadtentwicklungsplan. | |
Braucht Berlin auch einen Stadtentwicklungsplan Tourismus? | |
Ich denke schon – auch wenn man die Erwartungen an einen solchen Plan nicht | |
zu hoch hängen darf. Bei der gegenwärtigen Entwicklung der Berliner | |
Einzelhandelslandschaft drängt sich ja auch nicht gerade der Eindruck auf, | |
dass diese „nach Plan“ verläuft. Auf jeden Fall sollten wir bereits | |
vorhandene Instrumente nicht aus den Augen verlieren. Denken Sie an die | |
Hotelghettos, die rund um den Hauptbahnhof oder nördlich des | |
Alexanderplatzes im Entstehen sind. Es hätte keinen Hotelentwicklungsplan | |
gebraucht, um dort etwas anderes entstehen zu lassen – wenn man nur gewollt | |
hätte. | |
Sie sagen, der Tourismus ist nur erfolgreich, wenn Touristen Bewohnern | |
willkommen sind. | |
Zumindest ist es für die Tourismuswirtschaft nicht gerade förderlich, wenn | |
die Akzeptanz gegenüber Touristen abnimmt. Ich finde aber einen anderen | |
Aspekt viel entscheidender: Die Förderung des Tourismus ist kein | |
Selbstzweck. Auch seine ökonomische Bedeutung ist noch lange keine | |
Rechtfertigung für die Wachstum-um-jeden-Preis-Politik, die in den | |
vergangenen Jahren gemacht wurde. | |
Berlin gilt als coole Stadt. Wie lange bräuchte es, bis sich | |
herumgesprochen hat, dass das ein Bild von gestern ist? | |
Das spricht sich rum. Denken Sie nur an den vor einigen Monaten im | |
US-Magazin The Baffler erschienenen Artikel „Sacking Berlin. How hipsters, | |
expats, yummies, and smartphones ruined a city“. Einfluss auf die | |
Besucherzahlen werden solche Abgesänge auf Berlin wohl nicht haben – dafür | |
dürfte alleine das zu erwartende Besucherwachstum aus Schwellenländern wie | |
China, Russland oder Indien sorgen. Aber zu denken geben sollten sie uns. | |
INTERVIEW: UWE RADA | |
20 Nov 2013 | |
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Afrikanische Union | |
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