# taz.de -- Wiederauferstehung des Pay-TV: Bedingungslose Liebe ist anders | |
> Vor acht Jahren war Pay-TV in Deutschland am Ende. Heute ist Marktführer | |
> Sky erfolgreicher als je zuvor – aber es gibt auch viel Kritik an dem | |
> Sender. | |
Bild: Harald Schmidt grinst im Auftrag von Sky – bis März 2014. | |
BERLIN taz | Scheiß Premiere! Es war Anfang der 2000er Jahre: In der | |
Fußballbundesliga wurden die Spieltage immer mehr zerbröselt, auf Kosten | |
der traditionellen 15.30-Uhr-Anstoßzeit. Die Zusammenfassung der Spiele im | |
frei empfangbaren Fernsehen sollte weiter nach hinten rücken – und in | |
Deutschlands Stadien brüllten die Fans ebenjene Worte: „Scheiß Premiere!“ | |
Der Pay-TV-Sender aus Unterföhring drängte auf mehr Exklusivität – ohne | |
Rücksicht auf die Zuschauer. Im September 2005 forderte der damalige | |
Premiere-Chef Georg Kofler die Abschaffung der „Sportschau“ in der ARD. | |
„Es geht nicht, dass direkt nach der Übertragung im Pay-TV die Spiele im | |
Free-TV gezeigt werden. Wenn daran nichts geändert wird, werden wir weniger | |
Geld bezahlen“, sagte Kofler dem Männermagazin GQ. Sein Sender fuhr einen | |
harten Spielverderberkurs. Spät erkannten das auch die Verantwortlichen der | |
Deutschen Fußball Liga. Drei Monate später, am 21. Dezember, verlor | |
Premiere die Ausschreibung um die Bundesliga-Übertragungsrechte. | |
„Pay-TV hat sich nicht durchsetzen können. Es erreicht lediglich fünf | |
Prozent der Bevölkerung“, hatte die Bundeszentrale für politische Bildung | |
schon zuvor im „Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik | |
Deutschland“ trocken festgestellt. Kurz vor Weihnachten 2005 schien dieser | |
Satz bewiesen worden zu sein, Premiere war am Tiefpunkt. Frohes Fest! | |
Und heute, acht Jahre danach? „Scheiß Sky!“ ist in den Kurven nicht zu | |
hören. Was hat sich in der Zwischenzeit getan, außer dass sich das | |
Unternehmen umbenannt hat – und sich zwei Silben einfach nicht melodisch | |
schmettern lassen? | |
## Livespiele auf allen Kanälen | |
„Das Thema ist bei vielen Fans nicht mehr so dringlich“, sagt Tim Jürgens, | |
stellvertretender Chefredakteur des Fußballmagazins 11 Freunde. Spätestens | |
mit der letzten Verlängerung der Übertragungsrechte, als sich Sky für 486 | |
Millionen Euro die Übertragung aller Livespiele auf allen Kanälen sicherte, | |
habe der Pay-TV-Sender für deutliche Verhältnisse gesorgt. Jeder weiß nun: | |
An denen kommt im Fußballgeschäft keiner mehr vorbei. | |
Gleichzeitig schuf Sky klare Strukturen: ein Freitagsspiel, fünf am | |
Samstagnachmittag, eins am Abend, zwei am Sonntag. In England oder Spanien | |
sind die Spieltage hingegen so zerfasert, dass sie kaum noch als solche zu | |
erkennen sind. Das weiß inzwischen auch hier jeder Fußballfan. Der Protest | |
für einen einheitlichen Spieltermin ist verstummt. Auch weil eine | |
Generation heranwächst, „die mit Pay-TV, Fußballgucken in Kneipen und | |
Public Viewing groß wird“, sagt Jürgens. | |
„Die Wahrnehmung hat sich verändert: Sky ist cool“, sagt Katharina | |
Behrends. Seit Anfang 2008 ist sie Geschäftsführerin der NBC Universal | |
Global Networks Deutschland, dessen sechs Pay-TV-Kanäle via Sky, aber auch | |
über Kabelnetzbetreiber wie Unitymedia und Kabel Deutschland zu empfangen | |
sind. Behrends ist davon überzeugt, auch hierzulande endlich „den | |
Durchbruch geschafft“ zu haben. „Früher habe ich neidisch auf meine | |
Kollegen in England, Frankreich, Italien und Spanien geguckt“, sagt sie. | |
Das waren die Sehnsuchtsmärkte – ohne ernstzunehmende, frei empfangbare | |
Konkurrenz, mit vielen Kunden und hohen Umsätzen. | |
Vor Kurzem hat Behrends dem deutschen Pay-TV-Markt den 78. Sender | |
hinzugefügt: den Universal Channel. Mehr reine Pay-TV-Programme gab es nie. | |
2003 waren es noch 26. Und NBC Universal hat bei der Neugründung laut | |
Behrends „kräftig investiert“, denn „Serien sind teuer im Einkauf“. | |
## Serien als Kaufargument | |
Ebenjene Serien scheinen mittlerweile zum zweiten – martialisch „Killer | |
Feature“ genannten – Kaufargument pro Sky geworden zu sein. „House of | |
Cards“, „Breaking Bad“, „Game of Thrones“ und diverse andere sind nah… | |
unmittelbar mit der Erstausstrahlung in den USA auch in Deutschland zu | |
sehen, zumindest im Originalton. Natürlich in HD, teilweise über Sky | |
Anytime und das Mobil-Angebot Sky Go auch zu einem späteren Sendetermin | |
abrufbar. | |
Im Oktober feierte sich das deutsche Pay-TV auf den Münchener Medientagen. | |
Alles steigt: die Abozahlen, die Umsätze, der Werbeertrag. Alles. Der | |
Lobbyverband der privaten Fernsehsender VPRT hat vor Kurzem nachgezählt: | |
Mehr als sechs Millionen Kunden haben die Pay-TV-Plattformen von Sky, Kabel | |
Deutschland, Unitymedia und Deutscher Telekom mittlerweile gemeinsam. 2008 | |
waren es noch zwei Millionen weniger. | |
Sky hat 3,53 Millionen Abonnenten und gewann allein in den drei Monaten | |
Juli bis September dieses Jahres 166.000 Kunden netto hinzu. Und auch ein | |
anderer fürs Pay-TV eminent wichtiger Indikator stieg in den letzten Jahren | |
deutlich: der Umsatz pro Kunde und Monat. Der lag gut ein Jahr nach dem | |
Verlust der Bundesligarechte bei Premiere bei nur noch 22 Euro, | |
mittlerweile weist Sky fast 34 Euro aus. Deutschland ist zum Pay-TV-Markt | |
geworden. | |
Doch es ist wohl nicht nur die eigene Anziehungskraft, die die Zuschauer | |
dazu bewegt, zusätzliches Geld fürs Fernsehen zu zahlen. „Der | |
Qualitätsverlust im Free-TV treibt die Zuschauer ins Pay-TV“, sagt | |
Behrends. Ihr Sender 13th Street ist das erfolgreichste Pay-TV-Programm im | |
Fiction-Bereich, mit 0,4 bis 0,5 Prozent Marktanteil durchschnittlich, wie | |
Behrends sagt. Der ebenfalls von ihr verantwortete Syfy-Kanal liegt knapp | |
dahinter. | |
„Wir sehen keine große Zukunft im Free-TV“, sagt Behrends, der Werbemarkt | |
wachse halt nicht wesentlich. Seit der Jahrtausendwende sind die | |
Nettowerbeerlöse der Sender um fast 700 Millionen Euro auf gut 4 Milliarden | |
gesunken. Die Umsätze von Pay-TV und bezahlten Videoabrufen haben sich im | |
gleichen Zeitraum auf mehr als 2 Milliarden Euro verdreifacht. Allein für | |
2013 erwartet der VPRT ein Wachstum von 11,5 Prozent. | |
Bei Sky können sie derzeit vor Kraft kaum laufen. Nicht ohne Stolz verwies | |
Sky-Vorstandschef Brian Sullivan vor Kurzem in der Süddeutschen Zeitung | |
darauf, in den letzten sechs Jahren ein Geschäftsmodell repariert zu haben, | |
„das zwanzig Jahre lang nicht funktioniert hat“. Vor knapp sechs Jahren war | |
Rupert Murdoch groß eingestiegen bei Premiere. 2009 nannte er den Laden in | |
Sky Deutschland um. | |
## Organisches Wachstum | |
Und seitdem spielen auch Zeit und eine Art organisches Wachstum den | |
Pay-TV-Anbietern in die Hände: Mehr Abonnenten ziehen mehr Abonnenten nach | |
sich. Sky verkaufe ein Produkt, das nur schwerlich am Telefon den Kunden | |
schmackhaft gemacht werden könne, sagt Oliver Lewis, Vice President | |
Strategy bei Sky Deutschland: „Man muss es bei einem Bekannten im | |
Wohnzimmer sehen, das ist zehnmal effektiver.“ Dennoch haben trotz des | |
Wachstums hierzulande noch immer nur 15 Prozent aller Fernsehhaushalte ein | |
Pay-TV-Abo. In Großbritannien sind es 54 Prozent, in den USA gar 92. „Da | |
ist noch Luft nach oben“, sagt Katharina Behrends. Sie schätzt, dass in | |
fünf Jahren jeder Dritte in Deutschland ein Pay-TV-Abo haben wird. | |
Doch so viel Kraft macht schnell unsympathisch, wenn man die Muskeln zu | |
sehr spielen lässt. Im Sommer hob Sky die Abopreise für viele | |
Fußballkneipen deutlich an. Wirte in ganz Deutschland schimpften über | |
Preiserhöhungen um 70, 90 oder gar 150 Prozent. Der Pay-TV-Sender hatte ein | |
neues, kaum durchschaubares Preissystem erdacht, das nicht nur die Größe | |
einer Bar, sondern auch die Bevölkerungsdichte, Kaufkraft und | |
Sportaffinität in der jeweiligen Region in die Berechnung einbezieht. Wirte | |
zahlen nun zwischen 299 und 959 Euro monatlich – ohne Steuern und mit nur | |
einem Receiver. Viele Kneipen drohten mit der Kündigung ihrer Verträge. | |
Auch den Bestandskunden wurde zu spüren gegeben, welche Macht man beim | |
Pay-TV-Sender wieder zu haben glaubt: Als Sky zuletzt weitere | |
hochauflösende Sportkanäle ins Angebot aufnahm, waren diese für Kunden, die | |
ein rabattiertes Abo beziehen, gesperrt. Man habe als Kunde schließlich | |
keinen Sender verloren, sondern noch immer das Angebot wie bei | |
Vertragsabschluss, so die Begründung. Nur die anderen Abonnenten hätten | |
jetzt halt mehr. | |
## Werbung ohne Filmunterbrechung | |
Und auch über die Werbepenetranz bei Sky häufen sich die Klagen. Denn | |
anders als Nicht-Pay-TV-Zuschauer häufig denken, sind die Bezahlprogramme | |
mitnichten werbefrei. Lediglich die Unterbrecherwerbung während eines Films | |
oder einer Serienepisode findet nicht statt, ansonsten nutzt Sky gerade bei | |
den Fußball-Livespielen inzwischen jeden Platz aus: Sogar während der | |
Übertragungen werden Banner eingeblendet. | |
Immerhin scheinen sie bei Sky zu merken, dass die Beziehung zwischen den | |
Zuschauern in Deutschland und dem Pay-TV-Platzhirschen noch immer fragil | |
ist: Mittlerweile hat sich Sky mit dem Gaststättenverband Dehoga auf einen | |
Kompromiss in Sachen Fußballkneipen geeinigt: Wer bei Dehoga Mitglied und | |
schon mindestens seit September 2012 Sky-Abonnent ist, kann bis zu 400 Euro | |
Rabatt bekommen – pro Jahr. Auch den nörgelnden Kunden, die auf HD-Sender | |
verzichten müssen, kommt Sky entgegen – allerdings nur, wenn sie wirklich | |
viel und geduldig nörgeln. | |
Sky muss aufpassen, nicht wieder in den Spielverderbermodus zu fallen, | |
sonst ist das über sechs Jahre von Herrn Sullivan so mühsam reparierte | |
Geschäftsmodell ganz schnell wieder kaputt. Denn bedingungslose Liebe ist | |
anders. | |
24 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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