# taz.de -- Klage gegen Energiewirtschaftsgesetz: Wut auf schwankenden Strom | |
> Angeblich drohen Unternehmen Produktionsausfälle, wenn ihre Kraftwerke | |
> Sonnen- und Windstrom ausgleichen. Eine Firma will deshalb in Karlsruhe | |
> klagen. | |
Bild: Können Windräder diesen Hochofen ausblasen? | |
BERLIN taz | Ein Unternehmen aus Norddeutschland hat Beschwerde beim | |
Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil ihm aufgrund der Energiewende | |
Produktionsausfälle drohen. So berichtete es das Handelsblatt am Montag. | |
Aufgrund eines Feiertages in Baden-Württemberg gab es dazu keine | |
Bestätigung aus Karlsruhe. | |
Genau genommen klagt das Unternehmen gegen das Energiewirtschaftsgesetz. | |
Darin ist vorgesehen, dass Betreiber von Kraftwerken nicht immer nach | |
eigenem Ermessen Strom produzieren. Vielmehr dürfen die vier deutschen | |
Übertragungsnetzbetreiber in den Betrieb eingreifen und Anweisungen | |
erteilen, die Kraftwerke zu drosseln oder mehr Energie bereitzustellen, | |
wenn dies zur Stabilisierung der Netze erforderlich ist. Weil Solarenergie | |
und Windkraft Strom abhängig vom Wetter produzieren, kommt das immer | |
häufiger vor. | |
Das klagende Unternehmen, das seinen Namen nicht öffentlich genannt hat, | |
spricht deshalb von drohenden Produktionsausfällen. Das Handelsblatt | |
zitierte zwei Anwälte der Kanzlei Luther, die das Unternehmen vertreten: | |
„Solche drastischen Eingriffe mit existenzgefährdenden Folgen drohen jedem | |
Industrieunternehmen in Deutschland, das ein eigenes Kraftwerk mit einer | |
bestimmten Leistung betreibt.“ | |
Viele Unternehmen nutzen die Kraftwerke eigentlich, um Wärme zur Produktion | |
von Papier oder Stahl bereitzustellen, Strom ist quasi nur das | |
Nebenprodukt. Muss das Kraftwerk aufgrund eines Stromüberschusses | |
gedrosselt werden, fehlt die Wärme. | |
Allerdings ist nicht zu eruieren, wie häufig und ob es überhaupt zu | |
derartigen Fällen kommt. Ein Sprecher von Chemienord, dem | |
Arbeitgeberverband für die chemische Industrie in Niedersachsen, Hamburg | |
und Schleswig-Holstein, sagte der taz, ihm sei kein einziger bekannt. | |
## „Wir haben das Problem nicht“ | |
Der Konzernsprecher des Stahlkonzerns Salzgitter AG, der ebenfalls ein | |
eigenes 220-Megawatt-Kraftwerk betreibt, sagte: „Wir haben das Problem | |
nicht.“ Dem Übertragungsnetzbetreiber Amprion, zuständig unter anderem für | |
das Ruhrgebiet, war ebenso kein einziger Fall bekannt. Die anderen drei | |
Übertragungsnetzbetreiber hatten gestern Feiertag oder prüften den Fall | |
noch. | |
Dass Industriebetriebe ihre Kraftwerke zur Stabilisierung von Netzen | |
einsetzen, ist eigentlich normal. Dafür müssen sie auch „angemessen | |
vergütet“ werden, wie es im Energiewirtschaftsgesetz heißt. Üblicherweise | |
schließen Netzbetreiber dazu individuelle Verträge mit Unternehmen ab. | |
Insofern ist die angebliche „Existenzbedrohung“ eher eine zusätzliche | |
Einnahmequelle. | |
Allerdings dürfen die Netzbetreiber in Notfällen auch ohne weitere | |
Rücksprachen Kraftwerke abschalten. Grundsätzlich muss das Stromnetz auch | |
tadellos funktionieren, wenn überraschend eine wichtige Komponente versagt, | |
weil ein Baum auf eine Leitung stürzt oder ein Kraftwerk ausfällt. | |
Der Stromnetzbetreiber 50Hertz, zuständig für Ostdeutschland, plant andere | |
Maßnahmen, um das Netz stabiler zu machen. Zeitweilig in Deutschland nicht | |
verwertbarer Ökostrom müsse so wirtschaftlich wie möglich an ausländische | |
Kunden verkauft werden, sagte der Vorstandsvorsitzende Boris Schucht der | |
Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Deshalb soll es neue Verbindungen nach | |
Polen und Tschechien sowie neue Unterseekabel nach Schweden und Dänemark | |
geben. (mit afp) | |
6 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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