# taz.de -- Syrien vor der Friedenskonferenz: Feilschen um den Frieden | |
> Eine internationale Konferenz soll Syrien Frieden bringen. Doch das wird | |
> so schnell wohl nicht gelingen. Es wird taktiert – um Macht und | |
> Ressourcen. | |
Bild: Verlierer des Krieges: Ein Mädchen sitzt zwischen Trümmern in Damaskus,… | |
ISTANBUL taz | Die Einladungen sind verschickt, die Hotelzimmer gebucht. | |
Die mehrfach verschobene Syrien-Konferenz wird also aller Voraussicht nach | |
stattfinden. Allerdings: Bislang ist unklar, ob das größte syrische | |
Oppositionsbündnis zu dem Treffen kommt. Die Außenminister aus elf Ländern | |
der sogenannten Freunde Syriens konnten der Nationalen Koalition (NK), die | |
ihren Sitz in Istanbul hat, noch keine definitive Zusage abringen. | |
Die Oppositionellen wollen über ihre Teilnahme erst am 17. Januar | |
entscheiden, fünf Tage vor Beginn der Gespräche im schweizerischen | |
Montreux. So viel wollte NK-Präsident Ahmed Dscharba immerhin schon sagen: | |
„Wir sind uns alle einig, dass es für Assad und seine Familie keine Zukunft | |
in Syrien gibt.“ | |
Dscharba steht vor der Herkulesaufgabe, die Gräben in den eigenen Reihen zu | |
überbrücken. Die meisten Rebellen – aber auch Fraktionen innerhalb der NK �… | |
lehnen Gespräche mit dem Regime von Baschar al-Assad ab. Sie misstrauen dem | |
Westen und befürchten, dass sie am Ende auf dem Altar des Friedens einem | |
Ausgleich mit dem Regime geopfert werden könnten. | |
Derweil hat Assad durch seine Kooperationsbereitschaft bei der Abrüstung | |
seiner Chemiewaffen und nach einer Reihe von militärischen Siegen wieder | |
Rückenwind bekommen. Er denkt gar nicht daran, seine Macht abzugeben: Im | |
Juni will er sich erneut zum Präsidenten wählen lassen. | |
## Kategorisches Nein | |
Von seinem kategorischen Nein zu Verhandlungen mit „Terroristen“, wie er | |
seine Gegner pauschal nennt, ist er aber mittlerweile abgekommen. Syrien | |
wird eine Delegation nach Montreux schicken, sagte Vizeaußenminister Faisal | |
Mekdad. Die werde den Anweisungen Assads strikt Folge leisten. | |
Die „Freunde Syriens“, zu denen ein breites Spektrum prowestlicher Staaten | |
gehört, haben dagegen in Paris noch einmal bekräftigt, dass sie die Bildung | |
einer Übergangsregierung mit vollen Vollmachten anstreben. Das Treffen in | |
Montreux ist dafür nur der Auftakt, die Gespräche sollen in den nächsten | |
Monaten in Genf fortgesetzt werden. | |
Aber ist ein Frieden in Syrien überhaupt in Sicht? Derzeit sieht es nicht | |
danach aus. Was 2011 als friedliche Revolution mit Demonstrationen gegen | |
Assad begann, hat längst zu einem verheerenden Bürgerkrieg mit über 120.000 | |
Toten geführt. Über 2 Millionen Syrer flohen in die Nachbarländer. | |
Innerhalb des Landes sind mehr als 4 Millionen auf der Flucht. Es herrschen | |
Not und Hunger, die medizinische Versorgung ist katastrophal. Das Regime | |
bombardiert ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung weiter. | |
Unter den Aufständischen gibt es zwar Ermüdungserscheinungen, sind sie aber | |
weit davon entfernt, die Waffen zu strecken. Der einzige Silberstreif | |
scheint derzeit, dass mehrere Rebellengruppen der Dschihad-Internationale | |
um den Islamischen Staat im Irak und Syrien (Isis) den Krieg erklärt haben. | |
Für den Westen könnte es freilich noch ein böses Erwachen geben. | |
## Ein Kalifat bis nach Jordanien | |
Der Isis ist die Nachfolgeorganisation der al-Qaida im Irak. Sein Ziel: ein | |
Kalifat in den Grenzen vom Irak über Syrien und Libanon bis nach Jordanien | |
– mit ihrem Chef, der sich Abu Bakr al-Baghdadi nennt, als Oberhaupt. | |
Seit der Iraker al-Baghdadi im April 2013 das Schlachtfeld in Syrien | |
betrat, hat der Isis zahlreiche Gebieten in Nordsyrien unter seine Gewalt | |
gebracht. Tausende Dschihad-Krieger aus aller Welt schlossen sich den | |
Extremisten an. Dabei erhielten sie anfangs teilweise sogar Unterstützung | |
von der lokalen Bevölkerung, die das kriminelle Treiben von Rebellen der | |
Freien Syrischen Armee (FSA) leid war. | |
Doch die Brutalität, mit der sie ihr Regime durchsetzten, führte Ende | |
Dezember schließlich zur „zweiten Revolution“, wie es manche Syrer nennen. | |
Ausgelöst wurden die Gefechte durch den Angriff auf Aktivisten in der | |
Ortschaft Kafranabel und den Mord an einem prominenten Arzt aus den Reihen | |
der Islamischen Front im Dezember. Seitdem haben sich die nationalistische | |
Syrische Revolutionäre Front, zu der sich Teile der FSA verbündet haben, | |
und die eher gemäßigte Armee der Mudschaheddin dem Kampf gegen die | |
Al-Qaida-Extremisten angeschlossen. | |
## Taktik um Macht und Ressourcen | |
Es ist freilich mehr ein Konflikt um die richtige Taktik sowie um Macht und | |
Ressourcen in den „befreiten“ Gebieten als um das strategische Ziel. Nur | |
einige FSA-Verbände treten unverdrossen für eine repräsentative Demokratie | |
ein. Alle anderen wollen in der einen oder anderen Form einen islamischen | |
Staat, in dem die Scharia gilt. | |
Dabei unterscheidet sich die Hetze der Islamistischen Front, hinter der | |
Salafisten, also extrem konservative Sunniten stehen, gegen „Ungläubige“ | |
kaum von der der al-Qaida. Die Saat, die Assad mit seinen brutalen | |
Angriffen auf Zivilisten gesät hat, ist in Syrien längst aufgefangen. Für | |
Minderheiten wie die Allawiten – die den Schiiten nahestehen und denen auch | |
Assad angehört –, wie die Christen oder Drusen ist er der Strohhalm, an dem | |
sie sich festklammern. | |
Seit Jahresbeginn hat die „zweite Revolution“, wie manche Syrer den | |
Aufstand gegen den Isis nennen, mehr als 700 Tote gefordert. Vielerorts | |
zogen sich die Extremisten zunächst zurück und übergaben ihre Stellungen an | |
die Nusra-Front, die andere Al-Qaida-Fraktion in Syrien. | |
## Seiten gewechselt | |
Einige Isis-Kommandanten haben mit ihren Einheiten in den letzten Tagen | |
einfach die Seiten gewechselt. Die Nusra-Front hält sich aus politischen | |
Querelen erst einmal raus: Ihrer Ansicht nach muss ein Rat von | |
Islamgelehrten über die Zukunft Syriens entscheiden – aber erst nach dem | |
Sturz Assads. | |
In einer Audiobotschaft hat sich der Chef der Nusra-Front, Abu Mohammed | |
al-Dschulani, als Vermittler angeboten. Sollten die Konflikte nicht | |
beigelegt werden, würden alle auf einem „großen Schlachtfeld“ verlieren, | |
sagte Dschulani. Daraufhin erklärte – in einer fast vierzigminütigen | |
Antwort – ein Isis-Sprecher der syrischen Opposition und den | |
nationalistischen Rebellen den Krieg. | |
Ein Blick über die Grenze in den Irak genügt, um zu wissen, was das | |
bedeutet: Bombenanschläge und Morde an jedem, auch an Sunniten, der sich | |
den Extremisten in den Weg stellt. | |
16 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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