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# taz.de -- Kommentar über sinnvolle Diskriminierung: Blutspenden ist kein Ide…
> Männern, die mit Männern Sex hatten, vom Blutspenden auszuschließen ist
> eine Diskriminierung - aber sachlich gut begründet.
Bild: Muss man den Homo-Hetero-Unterschied überhaupt machen?
Mit Schwung und mit Pathos hat sich Bremens Halbtagsparlament für die
Rechte der schwulen Minderheit eingesetzt: Es will die Diskriminierung
schwuler Männer beim Blutspenden beenden. Denn die sind davon
ausgeschlossen – sofern sie bereits sexuell aktiv waren.
Das klingt total fies. Es ist aber sachlich begründet, mindestens so sehr
wie der Ausschluss all jener, die sich zwischen 1980 und 1997 im Königreich
Großbritannien und Nordirland aufgehalten haben: pure Diskriminierung.
Schließlich ist der Anteil derjenigen, die von ihrem Englandaufenthalt eine
spongiforme Enzephalopathie mitgebracht haben – die sich erst nach Ausbruch
der Krankheit oder nach dem Tod feststellen lässt – sehr wahrscheinlich
geringer als der von schwulen und bisexuellen Männern, die mit HIV
infiziert sind. Aber sie sind ebenfalls lebenslang gesperrt.
Das Risiko einer Creutzfeldt-Jacob-Krankheit will man dem Patienten, der
auf eine Bluttransfusion angewiesen ist, eben nicht aufbürden – und sei es
noch so klein. Das gilt aber für eine HIV-Infektion ganz sicher ebenso. Und
da zählt der Sex zwischen Männern zu den statistisch am besten
plausibilisierten Risikofaktoren: Die Wahrscheinlichkeit einer Neuinfektion
bei ihnen ist im Vergleich zu ausschließlich heterosexuell aktiven Männern
100-fach größer. Und Männer allgemein sind doppelt so oft infiziert wie
Frauen.
Ob pragmatisch bessere Lösungen vorliegen? Eher nicht. Das beweist der
Blick aufs restliche Europa: In Spanien, das Homo- und Heterosexuelle in
diesem Fall mal gleich behandelt, muss der Blutspende ein halbes Jahr
komplette sexuelle Abstinenz vorausgehen. In England dürfen Männer ein
ganzes Jahr lang nicht mit Männern geschlafen haben. In anderen Ländern
sind sogar zehn Jahre Enthaltsamkeit Voraussetzung: Auch das sind
diskriminierende Techniken, die versuchen das Risiko zu minimieren. Für die
Betroffenen sind sie zweifellos viel stärkere Belastungen.
Wahr ist: Die bis ins Jahr 2010 geltenden Formulierungen, die längst aus
den Spender-Fragebögen verschwunden sind, kamen einer Pathologisierung der
männlichen Homosexualität gleich. Und sicher ist der Ausschluss ganzer
Gruppen vom Blutspenden für diese nicht schön. Genauso wenig ist es für
Maststallbetreiber oder ihre MitarbeiterInnen schön, beim Klinikaufenthalt
zunächst einmal als MRSA-Risiko eingestuft, isoliert und gescreent zu
werden.
Und Menschen, die Häuser in Flussniederungen besitzen, finden es auch nicht
so klasse, dass sie diese nicht gegen Flutschäden versichern können. Mit
stochastischen Methoden Gruppen zu definieren, die ein erhöhtes Risiko
haben, ist grundsätzlich diskriminierend und für die nicht belasteten
Einzelfälle auch persönlich ungerecht. Es ist aber die operabelste
Möglichkeit, Gefahren zu minimieren.
Und das sollte beim Blutspenden Priorität haben. Denn dabei geht es nicht
um die Verwirklichung eines gesellschaftlichen Ideals. Es geht um Sicherung
einer medizinischen Grundversorgung - mithin um eine Praxis, die meist bei
den Medizinern besser aufgehoben ist, als in – von hehren Ansprüchen
grundierten – Fensterreden Bremer Halbtagsparlamentarier.
22 Jan 2014
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt Volker Beck
Diskriminierung
Bremerhaven
Diskriminierung
Asylrecht
Hongkong
Blutspende
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