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# taz.de -- Keim-Bekämpfung: Immer noch kein Test für alle
> Ein in Bremerhaven entwickelter MRSA-Test erkennt „Krankenhauskeime“ in
> kürzester Zeit. Dass nur Risikopatienten getestet werden, bleibt aber ein
> Problem.
Bild: MRSA-Keime können zu schweren bis tödlichen Infektionen führen - die m…
BREMEN taz | Das Klinikum Reinkenheide in Bremerhaven testet ab Januar ein
neues Verfahren, mit dem methicillinresistente
Staphylococcus-Aureus-Erreger (MRSA), besser bekannt als multiresistente
Krankenhauskeime, um ein Vielfaches schneller erkannt werden können als
bisher.
Mindestens ein halbes Jahr lang wird der vom Institut für Biologische
Informationssysteme (BIBIS) der Hochschule Bremerhaven entwickelte
Schnelltest an jedem „Risikopatienten“ durchgeführt.
Der Test unterscheidet sich in der Anwendung nicht vom bisher
gebräuchlichen Verfahren, das zum Vergleich parallel weiter durchgeführt
wird: Den PatientInnen wird per Wattestäbchen ein Abstrich aus Nasen- und
Mundraum entnommen. Während beim herkömmlichen Verfahren der Abstrich aber
auf Wachstumsplatten aufgebracht wird, deren Ergebnis erst nach zwei bis
sieben Tagen sichtbar ist, wird beim neuen Schnelltest der Keimbefall per
genetischem Fingerabdruck identifiziert – das dauert weniger als drei
Stunden. Die Verbreitung der Keime kann so frühzeitig vermieden werden.
Auch verschiedene MRSA-Subtypen werden erkannt: „Das ermöglicht den
Krankenhäusern, Patienten, die von den gleichen MRSA-Genotyp befallen sind,
im gleichen Zimmer unterzubringen“, sagt Carsten Harms, Biologe am BIBIS.
So könnte eine Vermischung verschiedener MRSA-Keime reduziert werden.
Der als „Killerkeim“ berüchtigte Erreger – aufgrund seiner Resistenz geg…
gängige Antibiotika ist eine MRSA-Infektion schwer zu behandeln – steht im
Ruf, vor allem aufgrund mangelnder Hygiene in Krankenhäusern verbreitet und
übertragen zu werden. Gefährdet sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem,
also alte PatientInnen, PatientInnen mit Magensonden oder Blasenkathetern,
DiabetikerInnen oder jene, die gerade eine Antibiotikatherapie hinter sich
haben.
„Man weiß aber gar nicht, inwiefern mangelnde Hygiene in Krankenhäusern
tatsächlich für die Übertragung verantwortlich ist“, sagt Harms. Durch die
Schnelligkeit des neuen Tests könne nun eine Einteilung in eine „community
acquired“ MRSA-Infektion und eine nosokomiale Infektion vorgenommen werden
– also in von außen eingeschleppte und in im Krankenhaus erworbene
MRSA-Keime. Gegen letztere können verbesserte Hygienemaßnahmen in
Krankenhäusern schützen, gegen die „mitgebrachten“ Keime eine Isolierung
und „Keimsanierung“ des Patienten, für die oft Anwendungen mit
antibakterieller Nasensalbe und antiseptischer Mund- und Rachenspülung
ausreichend sind.
Denn keineswegs alle MRSA-TrägerInnen sind auch krank: Ein Körper mit
intakten Schleimhäuten und einem gesunden Immunsystem hält eine
Keimbesiedlung ohne Erkrankung aus. Hier liegt freilich ein Problem, das –
zumindest vorerst – auch der neue Schnelltest nicht verhindern kann: „Eine
ganze Reihe von MRSA-Trägern wird gar nicht erst identifiziert“, sagt
Harms.
Denn: Wer nicht zur Risikogruppe gehört, wird in deutschen Krankenhäusern
auch nicht auf MRSA getestet und kann ohne das Wissen von MitpatientInnen
und Pflegepersonal seine Keime verbreiten. In den Niederlanden ist das
anders: Dort werden alle PatientInnen vorsorglich einem MRSA-Test
unterzogen, bei Verdacht oder Nachweis des Erregers werden sie isoliert.
Während in Deutschland die Zahl der MRSA-Infektionen 2012 bei gut 15
Prozent lag, bewegt sie sich in den Niederlanden seit Jahren im
einstelligen Bereich.
„Wenn sich zeigt, dass der neue Schnelltest zuverlässig ist, könnte ich mir
durchaus vorstellen, zukünftig alle Patienten zu testen“, sagt Edith
Kramer, medizinische Geschäftsführerin des Klinikums Renkenheide. Bereits
jetzt würde in ihrem Krankenhaus „eher großzügig“ getestet. Trotzdem:
„Natürlich müssten wir dann in Verhandlungen mit den Kostenträgern treten …
aber wenn der Schnelltest funktioniert, werden ja Kosten gespart, zum
Beispiel für die vorbeugende Isolation von Patienten.“
Derweil arbeitet das BIBS an zwei weiteren MRSA-Screening-Verfahren. Eines
davon, ein Teststreifen, der ähnlich wie ein Schwangerschaftstest
funktioniert, soll in einem Jahr in den Praxistest gehen.
10 Dec 2014
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Bremerhaven
Hochschule
MRSA-Keime
Antibiotikaresistenz
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