| # taz.de -- Schlechte Recherche von Journalisten: Das Correctiv korrigiert sich | |
| > Diverse Zeitungen haben die bislang größte Geschichte des Rechercheteams | |
| > Correctiv übernommen. Von der bleibt bei näherem Hinsehen aber wenig | |
| > übrig. | |
| Bild: Kein Keim, nirgends? | |
| Es war eine Blamage im Großformat: Die bisher am weitesten verbreitete | |
| Recherche des gemeinnützigen Journalistenteams Correctiv lief Ende | |
| vergangener Woche in der Zeit und mehreren Regionalblättern. Unter der | |
| Überschrift „Tödliche Keime“ ging es um die – seit Langem bekannte – … | |
| durch Krankheitserreger, die sich nicht mehr mit Antibiotika bekämpfen | |
| lassen. 20 Reporter hätten an dem Projekt mitgewirkt, verkündete die Zeit, | |
| die aus der Recherche sogar den Aufmacher ihrer aktuellen Ausgabe strickte. | |
| Allein: Der Correctiv-Text kann seine zentrale These nicht belegen, dass es | |
| mehr Tote durch antibiotikaresistente Erreger gebe „als offiziell | |
| verlautbart“. Kann das vor allem von Stiftern finanzierte Correctiv so die | |
| Hoffnungen erfüllen, eine Antwort auf die Medienkrise zu sein? | |
| Neu war in dem als Enthüllungsstory angekündigten Text nur die Information, | |
| dass Daten aller deutschen Krankenhäuser zufolge „Ärzte bei gestorbenen | |
| Patienten jedes Jahr häufiger als 30.000 Mal einen der drei | |
| meistverbreiteten multiresistenten Keime MRSA, ESBL oder VRE abrechnen.“ | |
| Problem Nummer eins: Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Infektionen den | |
| Tod verursacht haben, wie Susanne Glasmacher, Sprecherin des bundeseigenen | |
| Robert-Koch-Instituts für Krankheitsüberwachung, sagt. „Da sind ja häufig | |
| Menschen mit sehr vielen Grunderkrankungen betroffen.“ | |
| So ähnlich räumen die Autoren das im Text auch ein, weshalb sie zusätzlich | |
| Walter Popp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für | |
| Krankenhaushygiene, mit den Worten zitieren: „Es sind … mehr als 30.000 bis | |
| 40.000 Todesfälle.“ Das Bundesgesundheitsministerium schätze die Zahl der | |
| Toten durch antibiotikaresistente Bakterien auf nur 7.500 bis 15.000, so | |
| der Text weiter. | |
| Doch Letzteres – Problem Nummer 2 – stimmt nicht. Daniel Drepper von | |
| Correctiv stellte der taz eine vermeintliche Quelle zur Verfügung: einen | |
| 2011 erschienenen Zwischenbericht des Ministeriums zu seiner | |
| „Antibiotikaresistenzstrategie“. Darin steht aber nur, dass jährlich 7.500 | |
| bis 15.000 Menschen an „Krankenhausinfektionen“ allgemein sterben würden. | |
| Infiziert haben können sich diese Patienten beim Klinikaufenthalt also auch | |
| zum Beispiel mit einem normalen Grippevirus. Und: Infektionen mit | |
| resistenten Erregern außerhalb einer Klinik sind in dieser Schätzung nicht | |
| enthalten. | |
| ## „Etwas durcheinander“ | |
| Der von Correctiv zitierte Mediziner Popp sagte auf taz-Anfrage, dass sich | |
| auch seine Schätzung auf Krankenhausinfektionen allgemein beziehe. Das gehe | |
| in den Medien „etwas durcheinander“. | |
| Darauf angesprochen, mailte Rechercheur Drepper der taz als Beleg eine | |
| Studie Popps. Dort sind die „30.000 bis 40.000“ Todesfälle jedoch nicht | |
| erwähnt. Später räumte Drepper ein, dass Popp und das | |
| Gesundheitsministerium sich in der Tat immer auf Infektionen generell | |
| bezögen: „Man kann unsere Daten mit seiner Studie aber nicht vergleichen.“ | |
| Auf seiner Internetseite korrigierte Correctiv anschließend immerhin die | |
| Formulierung, die die Zahlen des Ministeriums betrifft. | |
| Doch damit nicht genug. Problem Nummer 3: Die Autoren suggerieren, dass sie | |
| aufwendiger recherchierten, als sie es taten. Sie hätten Abrechnungsdaten | |
| „aller deutschen Krankenhäuser“ ausgewertet, hieß es in ihrem Artikel. | |
| Tatsächlich haben sie lediglich eine – wenn auch aufwendig vorbereitete – | |
| Anfrage an eine Behörde gestellt. „Wir haben vom Statistischen Bundesamt | |
| eine Sonderauswertung anfertigen lassen“, sagte Drepper. Die habe auch die | |
| zitierte Zahl zu den abgerechneten Keimen enthalten. Der Hinweis auf die | |
| Quelle Bundesamt fand sich aber nicht im Hauptartikel, sondern nur – | |
| ziemlich versteckt – am Ende eines langen Erklärtexts zu einer | |
| Deutschlandkarte, die auf der Correctiv-Homepage verlinkt war. Auf diese | |
| Kritik antwortete Drepper: „Das hätte man deutlicher machen können.“ | |
| Weniger selbstkritisch gibt sich die Zeit. In einer Stellungnahme für die | |
| taz schreibt Stephan Lebert, Leiter des „Investigativ“-Ressorts, das | |
| Gesundheitsministerium habe keinen Widerspruch erhoben, als die Autoren es | |
| mit der Schätzung über die Toten durch resistente Erreger konfrontiert | |
| habe. Nur eines räumt Lebert ein: Man hätte „präziser“ formulieren solle… | |
| auf was sich die von Mediziner Popp genannten Zahlen bezogen. | |
| 25 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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