# taz.de -- Umstellung im Klinikum Ost: Mit Hochdruck in die Ambulanz | |
> Die Schließung einer psychiatrischen Station am Klinikum Ost ist nur der | |
> erste Schritt zu mehr Tagespflege. Angehörige fürchten aber, dass es | |
> dafür viel zu früh ist. | |
Bild: Soll stärker auf ambulante Versorgung umgestellt werden: Die Psychiatrie… | |
Eine psychiatrische Station im Außengelände mit eigenem Garten, Veranda und | |
Grillecke: Am 15. März schließt das „Haus 3“ am Klinikum Bremen-Ost. Zwar | |
ist das alte Gebäude sanierungsbedürftig, hinter dem Aus steckt aber ein | |
anderer Grund: Bremens Psychiatrielandschaft wird derzeit grundlegend | |
umgestaltet. Stationäre Betten sollen reduziert, Tageskliniken und | |
ambulante Versorgung dafür weiter ausgebaut werden. | |
Die 20 Betten in Bremen-Ost seien „ein erster kleiner Schritt in diese | |
Richtung“, sagt Geno-Sprecherin Karen Matiszick. Die Umstellung auf | |
Ambulanz erfolge auch im Sinne der PatientInnen, die „auf diese Weise nicht | |
aus ihrem vertrauten Umfeld gerissen werden“. | |
Langfristig wollen eigentlich alle Beteiligten weg von der stationären | |
Unterbringung, die von Psychiatrie-Erfahrenen seit Jahren als „Verwahrung“ | |
bemängelt wird. Der Senat ist auch dafür – und die Krankenkassen sowieso. | |
Schließlich ist die Betreuung im eigenen Heim günstiger als der Verbleib im | |
Krankenhaus. Studien bezeugen zudem geringere Rückfallquoten. | |
Darum verwundert es zunächst, dass die Schließung nicht nur bei | |
wegrationalisierten MitarbeiterInnen und ihren Betriebsräten, sondern auch | |
bei Selbsthilfegruppen von Psychiatrie-Erfahrenen und Angehörigen auf | |
Kritik stößt. Es geht ihnen zu schnell. | |
Die Betreuung zu Hause muss organisiert werden – und zwar im „Trialog“, | |
fordert der Angehörigen-Verein Expa. Gemeint ist damit, dass Behandelnde, | |
Betroffene und Angehörige gemeinsame Behandlungspläne entwickeln und sich | |
wechselseitig auf dem Laufenden halten, auch wenn gerade kein Notfall | |
anliegt. Bisher fühlen sich viele Betroffene im Alltag allein gelassen. | |
Expa-Vorsitzender Frank Robra-Marburg hält es für „unvernünftig und | |
vorschnell“, Betten abzubauen, bevor alternative Programme zuverlässig | |
funktionieren. In Ansätzen gibt es die zwar bereits, aber während bei | |
stationärer Behandlung auch auf unscheinbare Warnsignale reagiert werden | |
kann, passiert nach Ansicht von Betroffenen-Gruppen daheim oft erst dann | |
etwas, wenn Krisen akut werden. Und wenn erst die Polizei vor der Tür | |
steht, haben Betroffene und deren Familie oft nicht mehr viel zu melden. | |
Die aus Sicht der Angehörigen mangelnde Vorbereitung ist aber nicht ihr | |
einziger Einwand gegen die geplante Umstellung. Robra-Marburg bedauert | |
zudem, dass ausgerechnet „Haus 3“ geschlossen wird. Verglichen mit anderen | |
sei diese Station nämlich noch verhältnismäßig gut aufgestellt. Besonders | |
die angenehmen Räumlichkeiten und das angenehme Umfeld seien wichtig für | |
die Genesung. | |
Für Robra-Marburg ist es daher „absolut unverständlich“, die Einrichtung … | |
Park zu schließen, während die nebenan im Turm untergebrachte „Station 63“ | |
weiterbestehe. Die Zustände dort nennt er „menschenunwürdig“. Den | |
PatientInnen fehlen Rückzugsräume und statt mit Begleitung im Freien, | |
laufen sie auf einem kreisförmigen Flur unter Videoüberwachung herum. | |
Überbelegt ist die 63 offenbar noch dazu: In Behandlungsräumen stünden seit | |
Kurzem zusätzliche Betten, berichtet eine Besucherin. Auch die vom | |
Gesundheitssenator berufene Besuchskommission kritisiert diese Station | |
bereits seit Jahren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der letzte | |
Komissionsbericht von 2013: Einige bemängelte Aspekte seien zwar beseitigt | |
worden, aber insgesamt mache die Station einen „atmosphärisch stark | |
beeinträchtigenden Eindruck“, heißt es dort. | |
Eine Entscheidung zwischen den beiden Einrichtungen stand bei der Geno | |
allerdings nie auf der Tagesordnung. Unternehmenssprecherin Matiszick | |
erklärt, beim „Haus 3“ wäre die Umstellung am Naheliegendsten gewesen – | |
hier sei auch die Zusammenarbeit mit den Tageskliniken weiterentwickelt. | |
Böse Absicht unterstellt auch Robra-Marburg nicht. Er spricht eher von | |
einer Gedankenlosigkeit, die an den PatientInnen vorbeigehe. Zwar sei die | |
Umstellung auf Ambulanz immer sein „absoluter Wunsch“ gewesen. Doch diese | |
plötzliche Stationsschließung habe ihm den „Boden unter den Füßen | |
weggezogen“. | |
15 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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