| # taz.de -- Generalaussprache im Bundestag: „Warten Sie es doch einfach mal a… | |
| > Episch lange Beiträge der Koalition, nervöses Erwidern der Opposition. | |
| > Nur einmal zeigt Merkel sowas wie Emotion. Ein normaler Mittwoch im | |
| > Bundestag. | |
| Bild: Die Kanzlerin hielt ihre Rede im Sitzen – sie hat sich im Skiurlaub das… | |
| BERLIN taz | Im Bundestag, wenige Meter vom Rednerpult der Kanzlerin | |
| entfernt, war am Mittwoch ein bemerkenswertes Schauspiel zu besichtigen. In | |
| der zweiten Reihe der Linken-Fraktion saßen Gregor Gysi und Sahra | |
| Wagenknecht nebeneinander. Der Fraktionschef wühlte und korrigierte emsig | |
| im Manuskript seiner Rede, die er als neuer Oppositionsführer direkt nach | |
| Angela Merkel halten würde. Wagenknecht, seine Erste Stellvertreterin, saß | |
| wort- und blicklos neben ihm. Körpersprachlich wirkten die beiden wie ein | |
| altes Ehepaar, das sich routiniert ignoriert. | |
| Sieht so künftig die Außenwirkung der stärksten Oppositionsfraktion aus? | |
| Besser nicht. Denn schaut man sich nur mal die Redezeiten an, die die | |
| Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU und CSU im Vergleich zu Linken und | |
| Grünen hatten, wird in dieser Legislaturperiode wirklich jede Stimme für | |
| die Oppositionsarbeit gebraucht. | |
| Allein die Regierungserklärung der Kanzlerin dauerte 60 Minuten, während | |
| Gysi ganze 17 Minuten zur Erwiderung hatte. Es folgte eine halbstündige | |
| Rede von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, erwidert vom Grünen Anton | |
| Hofreiter in hektischen 16 Minuten. Danach erneut je eine halbe Stunde für | |
| CDU und CSU. Epische Länge bei der Koalition, nervöses Erwidern der | |
| Opposition – das ist in dieser Legislaturperiode eine „Generalaussprache“. | |
| Was die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung zu sagen hatte, bot | |
| nur nuancierte Interpretationsspielräume. Dass Merkel auch körpersprachlich | |
| nur eingeschränkt agierte, lag daran, dass sie wegen ihrer Beckenverletzung | |
| im Sitzen sprechen musste. | |
| ## Scharfe Kritik an Abhöraktionen | |
| Nach einem Rekurs auf die Erfolge Deutschlands seit der Eurokrise stellte | |
| Merkel die Leitlinien ihres Handelns dar. Im Mittelpunkt stehe „der | |
| Mensch“, Kompass ihrer Entscheidungen sei die soziale Marktwirtschaft. Die | |
| durch den Whistleblower Edward Snowden öffentlich gewordenen Abhöraktionen | |
| durch den US-Geheimdienst NSA kritisierte sie relativ scharf: „Ein | |
| Vorgehen, bei dem der Zweck die Mittel heiligt, bei dem alles, was | |
| technisch machbar ist, auch gemacht wird, verletzt Vertrauen“, sagte | |
| Merkel. Am Ende gebe es nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. In der | |
| Auseinandersetzung mit der US-Regierung setze sie weiter „auf die Kraft der | |
| Argumente“. | |
| Merkel verteidigte die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) | |
| eingeleitete Energiereform als „Herkulesaufgabe“ und „nationale | |
| Kraftanstrengung“, bei der nicht Partikularinteressen im Vordergrund zu | |
| stehen hätten. Die Energiewende könne nur gelingen, wenn alle „das | |
| Gemeinwohl im Blick haben“. | |
| Hinsichtlich der Eurokrise mahnte sie, diese sei „allenfalls unter | |
| Kontrolle, aber noch nicht dauerhaft überwunden“. Notwendig sei die | |
| Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Europa müsse „stabiler, | |
| bürgernäher und gerechter“ werden. Sie versprach schnelles Internet für | |
| alle bis 2018, verteidigte die umstrittenen Rentenpläne und erklärte die | |
| Bereitschaft der Bundesregierung zu einem stärkeren Engagement in Afrika | |
| mit den Worten, in Mali gehe es „nicht um einen Kampfeinsatz“. | |
| Als sie die Pkw-Maut für ausländische Fahrzeuge rechtfertigte, rüffelte sie | |
| die zwischenrufenden Grünen: „Warten Sie’s doch einfach mal ab!“ Es war … | |
| einzige Moment, in dem Merkel so etwas wie Emotion zeigte. | |
| ## Stimmungsmache gegen Zuwanderer | |
| Als schließlich Linke-Fraktionschef Gregor Gysi an der Reihe war, | |
| kritisierte er vor allem die Haltung der Kanzlerin in der NSA-Affäre. Nur | |
| mit der „Kraft der Argumente“ zu arbeiten, sei „deutlich zu wenig“; als | |
| Bundeskanzlerin habe sie geschworen, Schaden von allen Bürgern abzuwehren. | |
| Es sei schon erstaunlich, so Gysi, wenn jetzt die Linke die Unternehmen vor | |
| Wirtschaftsspionage schützen müsse. | |
| Scharf kritisierte er die CSU für ihre Stimmungsmache gegen Rumänen und | |
| Bulgaren, außerdem den Gesetzentwurf zur Rente mit 63. Bei den Folgen der | |
| Energiepolitik für die Bürger rief Gysi: „Unter Kohl war die | |
| Marktwirtschaft noch sozialer als heute.“ | |
| Auch Anton Hofreiter von den Grünen kritisierte die CSU für ihre | |
| Zuwanderungspolitik als „kleingeistige Brandstifter“. Er forderte die | |
| Bundeskanzlerin auf, sich gegen die Populisten in der Union zu stellen. Bei | |
| der Energiewende bescheinigte er Schwarz-Rot völliges Versagen, bot aber | |
| auch Zusammenarbeit an. „Wir strecken die Hand zum Konsens aus, um Ihren | |
| Fehlstart zu korrigieren“, sagte er. Ein wichtiger Satz. Im Bundesrat | |
| könnten die Grünen Schwarz-Rot blockieren. Ein Pfand, über das die | |
| Linkspartei nicht verfügt. | |
| 29 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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