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# taz.de -- Neues Asylbewerberheim in Hoyerswerda: „Wir können es besser mac…
> Vor 22 Jahren gab es in Hoyerswerda heftige Pogrome gegen
> Vertragsarbeiter und Flüchtlinge. Nun wurde erstmals wieder ein
> Flüchtlingsheim eröffnet.
Bild: Hoyerswerda hat viel wieder gut zu machen: Asylsuchender am Tag nach dem …
HOYERSWERDA dpa | Zwei schlichte Doppelstockbetten, vier schmale Spinde,
ein Kühlschrank, Tisch und Stühle. „Luxus sieht anders aus“, sagt Erna
Skopnik, als sie sich am Donnerstag im neu eingerichteten Asylbewerberheim
im sächsischen Hoyerswerda umschaut. Etliche Umstehende nicken. Es ist Tag
der offenen Tür im Heim, das demnächst bis zu 120 Flüchtlinge aufnehmen
soll.
Der Einladung sind viele Menschen gefolgt: Es herrscht Gedränge in den
Fluren der umgebauten Schule. Duschen werden besichtigt, die Zimmer mit
Schritten durchmessen, Spielzeug in Augenschein genommen. Die Stimmung
schwankt zwischen Skepsis und Aufbruch. Grit Maroske ist angesichts des
ständigen Kommens und Gehens zufrieden. Sie gehört zum breiten
Bürgerbündnis in der Stadt, das sich zusammengefunden hat, als die Pläne
für das Heim auf den Tisch kamen.
„Das Heim ist eine große Chance für uns. In der einen oder anderen Form
leidet Hoyerswerda nach wie vor unter dem, was 1991 passiert ist“, sagt
Maroske. Sie erzählt – wie nahezu alle Einwohner nur ungern – von den
tagelangen rassistischen Ausschreitungen, den ersten im wiedervereinigten
Deutschland. 230 Vertragsarbeiter und Flüchtlinge hatten damals unter
Polizeischutz die Stadt verlassen müssen. Maroske ist anzumerken, das
Erinnern tut weh.
„Die ganze Stadt hat noch immer dieses Stigma ausländerfeindlich. Wir
können das, was 1991 passiert ist, nie wieder gutmachen. Aber wir können es
diesmal besser machen“, begründet sie das Engagement des Bündnisses
„Hoyerswerda mit Herz“, das inzwischen mehr als 100 Mitstreiter hat.
Das Bündnis will helfen, Flüchtlinge zu betreuen und den Kontakt zu den
Einwohnern von Hoyerswerda herzustellen. „Unsicherheit abbauen, diffusen
Ängsten entgegenwirken“, sagt Maroske. Einzelpersonen, Schulen,
Sportvereine und Kultureinrichtungen – alle wollen sich einbringen. Der
private Betreiber des Hauses, der deutschlandweit 35 solcher Heime betreut,
ist beeindruckt: „Auf so ein Engagement sind wir bisher noch nicht
gestoßen“, sagt Sprecherin Renate Walkenhorst von der Firma European
Homecare GmbH aus Essen.
## Eine dreigeteilte Stadt
Nicht alle Besucher, die an diesem Nachmittag im Heim vorbeischauen, sind
unvoreingenommen. „Ich will mal sehen, was so mit unseren Steuern gemacht
wird“, grummelt eine schätzungsweise 40-Jährige und schlängelt sich durch
die Menschenmassen. Andere suchen das Gespräch mit Mitarbeitern der Stadt,
die geduldig Fragen beantworten – vom Asylrecht bis hin zum Geld, das die
Flüchtlinge zum Leben in der Fremde erhalten. Auch Heimgegner machen sich
bemerkbar, reden in Kameras und Mikrofone, geben sich offen als
ausländerfeindliche NPD-Parteigänger zu erkennen.
Der Tag der offenen Tür scheint genau das abzubilden, worüber
Oberbürgermeister Stefan Skora (CDU) spricht: Er hält die Stadt gut 22
Jahre nach den Krawallen für dreigeteilt. Ein Drittel sei für die Aufnahme
von Asylsuchenden, einem Drittel sei das egal, ein Drittel sei dagegen.
„Wir müssen dafür sorgen, dass die strikten Gegner keine Deutungshoheit
erlangen“, sagt Skora. Für ihn ist die Aufarbeitung von 1991 längst nicht
abgeschlossen.
Skora nennt es eine Generationenaufgabe, Menschen Werte der Demokratie
nahezubringen. Er hat dabei auch im Hinterkopf, dass im Herbst 2012
Neonazis ein junges Paar aus der Stadt vertrieben hatten – zwei junge
Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten. Erst am vergangenen
Montag waren acht Männer zwischen 18 und 36 Jahren wegen Bedrohung und
Beleidigung des Paares zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Wie gefeit Hoyerswerda gegen rechtes Gedankengut ist, wird sich erst in
einigen Wochen zeigen, sagt Sachsens Ausländerbeauftragter Martin Gillo.
Noch sind keine Flüchtlinge in Hoyerswerda. „Die Nagelprobe kommt erst
noch.“
30 Jan 2014
## AUTOREN
Petra Strutz
## TAGS
Pogrom
Schwerpunkt Rassismus
Asylsuchende
Hoyerswerda
Unterbringung von Geflüchteten
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