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# taz.de -- Geheimdienstexperte über Russland: „Wir nähern uns der Sowjetze…
> Neue Gesetze sollen Russland vor Anschlägen von Islamisten schützen. Das
> Gegenteil wird passieren, sagt Geheimdienstexperte Andrei Soldatow.
Bild: Aufgepasst: Ein Polizist bewacht das Biathlon- und Skilanglaufzentrum „…
taz: Herr Soldatow, wird es während der Winterspiele in Sotschi ein
erhöhtes Risiko von Anschlägen militanter Islamisten geben?
Andrei Soldatow: Die islamistischen Rebellen werden diese Gelegenheit nicht
verstreichen lassen. Seit mehreren Jahren haben sie keine Gelegenheit mehr,
sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Das hat vor allem mit der Zensur in
den russischen Medien zu tun. Dort dürfen keine Interviews mit Rebellen
erscheinen. Die Folge ist, dass um die Rebellen herum ein
Informationsvakuum entstanden ist. Die Winterspiele in Sotschi bieten jetzt
vor allem jungen Kämpfern ein Forum. Das große Problem ist, dass es aktuell
keinen Anführer der Rebellen gibt, der alle Aktionen koordiniert, sondern
dass viele islamistische Gruppen unabhängig voneinander und an
verschiedenen Orten versucht sein könnten, Anschläge zu verüben. Wir können
nur hoffen, dass ihnen das nicht gelingt.
Die Staatsmacht begründet die jüngsten Gesetzesverschärfungen, die unter
anderem eine verstärkte Kontrolle des Internets vorsehen, mit dem Kampf
gegen den Terrorismus …
Viele dieser Maßnahmen haben rein gar nichts mit dem Antiterrorkampf zu
tun. Sie sind sogar eher kontraproduktiv. Denn sie lassen denjenigen, die
sich den Rebellen angeschlossen haben, keine andere Möglichkeit, als bis
zum Letzten zu kämpfen. Das stellt auch die russischen Geheimdienste vor
große Probleme. Denn um an Informationen über die Pläne der Rebellen zu
kommen, brauchen sie ihre Mithilfe. Doch warum sollten Unterstützer der
Rebellen mit der Staatsmacht verhandeln? Wenn sie Gefahr laufen, bestraft
zu werden, obwohl sie selbst keine Verbrechen begangen haben? Das Ergebnis
ist, dass die Geheimdienste weniger Informationen bekommen.
Also ist der Antiterrorkampf ein Vorwand, um die Repressionen gegenüber der
Zivilgesellschaft zu verstärken, und Russland damit auf dem Weg in einen
Polizeistaat, wie Kritiker meinen?
Die Stabilität des Regimes von Wladimir Putin gründete bislang darauf, dass
ausgewählte Gruppen von Leuten, wie kritische Journalisten, Anwälte und
Aktivisten, Menschenrechtler und Oppositionspolitiker, Gefahr liefen, Opfer
von Repressionen zu werden. Die normale Bevölkerung war davon nicht
betroffen. Was wir jedoch in den vergangenen zwei Jahren im Bereich der
Internetkontrolle sehen, ist, dass jetzt auch Leute betroffen sind, die mit
einer politischen Aktivität im Internet nicht das Geringste zu tun haben.
Das ist das Neue an den jüngsten Maßnahmen. Sie sind umfassender.
Wie wird die Gesellschaft darauf reagieren?
Die Menschen werden noch mehr als bisher versuchen, sich auf sicheres
Terrain zurückzuziehen. Dagegen ankämpfen oder aufbegehren werden sie
nicht. Dafür müssten sie Hoffnungen und die Chance haben, dass sich etwas
zum Positiven verändert. Doch diese Chance sehen sie nicht. Wir nähern uns
immer mehr der Sowjetzeit an.
Dennoch ist eine andere Generation herangewachsen, die mit neuen Medien
umgeht und über ganz andere Informationen verfügt. Ist das nicht
mittelfristig ein Einfallstor für einen Regimewandel?
Diese Hoffnung hatte ich auch einmal. Doch viele dieser jungen Leute, die
acht bis zehn Jahre jünger sind als ich, sind unter Putin aufgewachsen,
haben in diesen Zeiten die Schule beendet. Putin ist für sie eine
Konstante, die einen gewissen Wohlstand garantiert. Diese Fakten haben sich
in den Köpfen der jungen Generation festgesetzt, nach dem Motto: Wenn Du
nichts kritisierst, lebst du sicher. Ich glaube nicht, dass sie diese
Sichtweise so leicht ändern werden.
Sind Sie persönlich schon einmal vom Staat unter Druck gesetzt worden?
Ich wurde mehrmals vom Geheimdienst FSB verhört. Und auch Strafverfahren
wurden gegen mich eingeleitet.
Sotschi ist ja Putins großes Prestigeprojekt. Wird er daraus politisches
Kapital schlagen?
Unter den derzeitigen gesellschaftlichen Gegebenheiten ja, selbst wenn es
dort zu Problemen kommen sollte. Es gibt bereits zahlreiche Beispiel dafür,
dass Terroranschläge die Gesellschaft um Putin herum haben enger
zusammenrücken lassen. Nach jedem Anschlag fordern die Menschen immer
härtere Maßnahmen. Nehmen Sie die Ereignisse in Wolgograd kurz vor dem
Jahreswechsel. Es wurde nicht gefragt, warum der Geheimdienst nicht mehrere
Anschläge in einer Stadt verhindern kann. Und es wurden auch keine
Forderungen nach einer Reform des Geheimdienstes laut.
Im Westen wird derzeit wieder heftig diskutiert, ob hochrangige Politiker
nach Sotschi reisen oder den Spielen fern bleiben sollen. Wie sehen Sie
das?
Für die russische Gesellschaft ist diese Frage irrelevant. Ob westliche
Politiker nach Sotschi fahren oder nicht, wird kaum etwas an der Situation
in Russland verändern.
Wie wird es nach den Winterspielen in Sotschi weitergehen?
Die Tendenz der Staatsmacht, alles kontrollieren zu wollen, wird sich
weiter verstärken.
Offensichtlich haben Sie Ihren Optimismus dennoch nicht verloren …
Ich glaube an meinen Beruf und dass das, was Journalisten tun, von
Bedeutung ist. Ob und wann das einen Effekt hat, kann ich nicht sagen.
Vielleicht arbeiten wir nicht für die Gegenwart, aber ganz bestimmt für die
Zukunft.
2 Feb 2014
## AUTOREN
Barbara Oertel
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Russland
Schwerpunkt Überwachung
Wladimir Putin
Terrorismus
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