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# taz.de -- Medien in Ägypten: Selbst unter Mubarak war es besser
> Die Anklage gegen al-Dschasira-Mitarbeiter zeigt, wie sehr kritische
> Journalisten unter Druck stehen. Seit Wochen wird gegen ausländische
> Medien gehetzt.
Bild: Der al-Dschasira-Mitarbeiter Mohammed Badr hinter Gittern.
KAIRO taz | Wenn Journalisten selbst zu „Story“ werden, ist meist
grundsätzlich etwas im Land nicht in Ordnung. Folgt man diesem Ansatz, dann
läuft in Ägypten gerade einiges schief. In einem bisher einzigartigen Fall
wurden in der vergangenen Woche 20 Mitarbeiter des arabischen
Fernsehsenders al-Dschasira angeklagt, Mitglieder einer terroristischen
Organisation zu sein, sofern es sich um Ägypter handelt.
Den vier angeklagten ausländischen Journalisten wird vorgeworfen, diese zu
unterstützen. Dabei geht es um deren Kontakte zur Muslimbruderschaft, die
seit vergangenen Dezember in Ägypten offiziell zu einer terroristischen
Organisation erklärt wurde.
Und als sei es nicht genug, dass sich Journalisten potenziell strafbar
machen, wenn sie Kontakte zur islamistischen Opposition pflegen, ist auch
das Arbeiten auf der Straße deutlich schwieriger geworden. Als ein ARD-Team
am 24. Januar über einen Anschlag auf die Zentrale der Kairoer Polizei
berichten und dort filmen wollte, wurden drei ARD-Mitarbeiter von einem Mob
von Anhängern des Militärchefs Abdel Fattah al-Sisi zusammengeschlagen.
In diesem Fall war es nur dem mutigen Einsatz eines Zivilpolizisten zu
verdanken, der in die Luft schoss und so verhinderte, dass der deutsche
ARD-Kameramann gelyncht wurde.
## Ausländische Medien werden als Muslimbrüder-freundlich verunglimpft
Das ist das Ergebnis einer seit Wochen in den ägyptischen Medien
stattfindenden Hetze gegen die ausländische Presse, die als
Muslimbrüder-freundlich verunglimpft wird. „Die zweifelhafte Beziehung
zwischen einer Terrororganisation und der westlicher Presse“, lautet etwa
vergangene Woche der Titel einer Geschichte in der Tageszeitung al-Wafd.
Demnach seien angeblich drei Milliarden Dollar ausgegeben worden, um das
Bild Ägyptens im Ausland anzuschwärzen.
Zwischen dem Mob und der Staatsanwaltschaft ist kritischer Journalismus in
Ägypten inzwischen irgendwo zwischen Landesverrat und einem Verbrechen
angesiedelt. Als die „Marriott-Zelle“ bezeichnet die Staatsanwaltschaft
einen Teil der unter Anklage stehenden Mitarbeiter von al-Dschasira. Sie
waren am 29. Dezember in dem Fünf-Sterne-Hotel festgenommen worden. Dort
hatten sie ein provisorisches Studio eröffnet, nachdem das
Al-Dschasira-Büro bereits am 3. Juli vergangenen Jahres von den Behörden
geschlossen worden war – an dem Tag, an dem das Militär den Präsidenten und
Muslimbruder Muhammad Mursi abgesetzt hatte.
## Besorgte internationale Reaktionen
Es ist ein Fall, der bisher einzigartig ist. Selbst zu Zeiten des
gestürzten Diktators Hosni Mubarak war es für Journalisten kein Problem,
Mitglieder der damals ebenfalls verbotenen Muslimbruderschaft zu treffen,
ohne dabei Gefahr zu laufen, sich strafbar zu machen.
Dementsprechend heftig fiel die internationale Reaktion aus. „Wir blicken
mit wachsender Besorgnis auf das rigorose Vorgehen und die physischen
Angriffe auf die Medien in Ägypten, die deren Möglichkeiten, frei zu
arbeiten behindern“, erklärte etwa Rupert Colville, Sprecherin des
UN-Menschenrechtsbüros in Genf. Die Vorsitzende der internationalen
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Sarah Leah Whiston, sagte,
dass die ägyptische Regierung wohl beschlossen habe, keinen unabhängigen
Journalismus mehr zu dulden, der nicht ihrer Meinung folge. Die Sprecherin
des US-Außenministeriums Jen Psaki äußerte sich „tief besorgt über die
nicht vorhandene Presse- und Meinungsfreiheit in Ägypten“.
## Die roten Linien für die journalistische Arbeit sind schwammig
In einer ersten Reaktion wiegelte das ägyptische Außenministerium ab und
ließ durch dessen Sprecher verkünden, dass der Fall vor Gericht liege und
man keinerlei Einfluss auf Justiz habe. In ein ähnliches Horn stieß ein
Sprecher des Militärs. Ein Sender habe das Gesetz gebrochen und die
Angelegenheit liege nun bei der Justiz, nicht bei den Streitkräften,
erläuterte er.
Das staatliche Informationsamt versuchte die Wogen zu glätten und
versichert in einer Erklärung, dass „konstruktive Kritik“ nicht
kriminalisiert werde. Aber in der gleichen Mitteilung wird betont, dass
Kontakte mit den Muslimbrüdern nicht grundsätzlich untersagt, aber dann
strafbar seien, wenn diese zur Hetze führten.
Für Ägyptens Journalisten sind die roten Linien damit so unklar formuliert,
dass sie sich zweimal überlegen müssen, wie sie arbeiten und was sie zur
Zielscheibe der Behörden machen könnte. Khaled Sirgany, ein prominentes
Mitglied des ägyptischen Presseverbands, spricht in einem Gespräch mit der
taz von Versuchen des Verbands, gut sichtbare Ansteckschilder für
Journalisten einzuführen, um diese beispielsweise von Demonstranten zu
unterscheiden. Ein Unterfangen, gegen das gerade die ägyptischen Reporter
des Verbands sofort Widerspruch eingelegten. So ein Schild, argumentierten
sie, würde sie erst recht zur Zielscheibe machen.
3 Feb 2014
## AUTOREN
Karim Gawhary
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