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# taz.de -- Schlagloch Brand in Asylbewerberheim: Es brennt wieder
> Von der Freiwilligen Feuerwehr in meinem Ort kann man viel lernen. Zum
> Beispiel, wie man für den Ernstfall probt und sudanesische Jugendliche
> anwirbt.
Bild: Wer den Brand gelegt hat, ist für die Toten egal. Beileidsbekundungen vo…
Seitdem ich Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr unseres Dorfes bin,
registriere ich Brände anders als vorher. Nicht nur schrecke ich manchmal
nachts aus dem Schlaf hoch, weil ich fälschlicherweise meine, eine Sirene
gehört zu haben; auch wenn ich Zeitungen aufschlage oder
Internetschlagzeilen lese, sehe ich: Brände.
Zum Beispiel gab es in Köln vor Kurzem einen Brandschlag auf die
Zentralmoschee; wie die meisten Anschläge auf islamische Einrichtungen war
das allerdings nur eine Minimeldung, die kaum jemanden interessierte. Etwas
mehr Aufmerksamkeit erhielt dann das Feuer in Hamburger Stadtviertel
Eimsbüttel: In einem Haus, in dem vor allem Flüchtlinge und Obdachlose
leben, wurde ein Kinderwagen in Brand gesetzt; eine Frau und zwei ihrer
Kinder kamen um. Brandstiftung, wie die Feuerwehr sogleich vermutete.
Aber Gott sei Dank, diesmal war es kein Nazi! Sondern ein psychisch
verwirrter 13-Jähriger. Mit deutlicher Erleichterung fasste die Bild
zusammen: „Mit der Festnahme des mutmaßlichen Täters ist jetzt so gut wie
ausgeschlossen, dass die Brandstiftung einen rechtsradikalen Hintergrund
hatte.“
Das ist ja großartig. Macht für die Toten aber keinen Unterschied. Und
rechtfertigt auch nicht im Nachhinein, dass die Polizeisprecherin schon vor
dem Verdacht gegen diesen Jungen den typischen Satz äußerte: „Es gibt
derzeit keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund.“
## Echo der früheren Anschläge
Wie ich diesen Satz zu hassen gelernt habe! Er ruft das Echo all der
vorherigen Brandanschläge vergangener Jahre hervor, auf Häuser mit
Migranten oder Flüchtlingen, die ihre Unterkunft angeblich selbst
angezündet haben. Er lässt auch an den gefesselt verbrannten Oury Jalloh
denken, an Mölln, Solingen und natürlich die NSU-Morde. Stets wurde dieser
oder ein ähnlicher Satz geäußert.
Gewiss, dieses Mal war es halt ein „Deutsch-Inder“. Aber war das
wahrscheinlich? Hätte man nicht eigentlich sagen müssen: „Ein
fremdenfeindlicher Hintergrund ist bisher nicht erwiesen“, so dass die
Wahrscheinlichkeiten anders betont gewesen wären?
Nach allem, was wir in den vergangenen Jahren an fremdenfeindlicher Gewalt
erlebt haben, ist es ja bereits ein Hinweis, wenn ein Haus vornehmlich von
Flüchtlingen bewohnt wird. Menschen mit Migrationshintergrund – oder
schlicht mit ein bisschen Erinnerungsvermögen! – brauchen nicht extra ein
Hakenkreuz auf der Hauswand zu sehen, um es zu fürchten. Immer wenn ein
Haus mit Flüchtlingen oder Migranten brennt.
## Verbrennt, aber seid nicht nackt
Auch aus Riad, Saudi-Arabien, gab es vergangene Woche eine Brandmeldung:
Eine Studentin starb in ihrer Universität an einem Herzinfarkt. Das
Sicherheitspersonal ließ die Notärzte nicht zu der Studentin durch, weil
diese „wegen des Infarkts unverschleiert war“, wie der Spiegel berichtete.
Das erinnert an den Brand im Jahr 2002 in einer saudischen Mädchenschule,
bei dem die Schülerinnen am Verlassen des Geländes gehindert worden waren;
auch sie waren nämlich – weil ja nur unter Geschlechtsgenossinnen – nicht
vollständig verschleiert gewesen. Damals starben 15 Mädchen. Hat man nichts
dazugelernt?
Leider werden die Verantwortlichen in Saudi-Arabien diesen Text nicht
lesen, weswegen es wenig Sinn hat, ihnen verbal so ins Gesicht zu springen,
wie sie es verdienen. Daher sei nur mal angemerkt: Das ist kein religiöser
Fanatismus. Fanatismus sehr wohl, aber religiös ist das nicht. Natürlich
kann eine religiöse Begründung mit entsprechender Motivation viele
abenteuerliche Wendungen nehmen, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, zu
sagen: Das ist schlicht und einfach verrückt.
Was diese Menschen tun, hat nichts mehr mit Tawhid, also Gottesergebenheit,
zu tun. Tawhid ist der für den Islam zentrale Glaubenssatz, dass es nur
einen Gott gibt, oder anders: dass es keine höhere Realität gibt als die
Gottes. Diese Leute aber setzen ihre eigene Verbohrtheit höher als die
Wahrheit Gottes.
Schließlich hat mich ein dritter Brand dieser Tage entsetzt, obwohl „alles
glimpflich abging“, wie der Nordkurier berichtete. Zumindest für zwei Sauen
und 17 von 18 Ferkeln. In Pritzier bei Wolgast geriet ein Stall mit Tieren
in Brand. „Die Ferkel mussten wir uns einzeln unter den Arm klemmen und ins
Notquartier tragen“, sagte der Feuerwehrsprecher. Die Zeitung ist voll des
Mitleids. „Zehn Tage alt sind sie erst und mussten schon so Schreckliches
erleben“, heißt es, und: „zwei Muttersauen und 18 Ferkel hatten
fürchterliche Angst“.
## Menschen mit Instinkten
Ich bewundere die (gespielte?) Einfalt der arglosen Seele, die den
Zusammenhang zwischen den geretteten Tieren und dem Schnitzel in der
Kantine noch nicht erkannt hat. Den 17 Ferkeln steht ja noch viel
Schreckliches bevor, zum Beispiel wenn sie spätestens in einem halben Jahr
in die Schlachtstraße getrieben werden. Wurden sie wirklich „gerettet“?
Mein eigener Eintritt in die Feuerwehr verdankt sich übrigens, ehrlich
gesagt, einem Missverständnis; ich dachte irrigerweise, die Freiwillige
Feuerwehr sei nur der Notnagel, eine Überbrückung, bis die echte Feuerwehr
da ist. Als mir während der Übungen allmählich dämmerte, dass wir die echte
Feuerwehr hier vor Ort sind, war es zu spät für den eleganten Rückzug.
Doch inzwischen weiß ich, dass ich von unserer Feuerwehr viel lernen kann,
und zwar nicht nur über Brände. Als in unserem Dorf Asylbewerber
einquartiert wurden, beschlossen unsere Einsatzleiter, sich mit den
Gegebenheiten der Unterkunft vertraut machen; jemand schlug vor, dabei
gleich die Atemschutzausrüstung anzuziehen, damit die Leute vor Schreck
nicht in Ohnmacht fielen, wenn sie diese im Ernstfall sähen.
An zwei weiteren Abenden besuchte unser Brandmeister sie, um die
sudanesischen Flüchtlingskinder für die Jugendfeuerwehr anzuwerben. Mit dem
Foto eines Feuerwehrautos, zur Erklärung, worum es ging. Damit sie Freunde
finden und sich besser einleben. Es gibt sie noch: Menschen mit intakten
menschlichen Instinkten.
13 Feb 2014
## AUTOREN
Hilal Sezgin
## TAGS
Hamburg
Feuerwehr
Brandstiftung
Hassverbrechen
Unterbringung von Geflüchteten
Zuwanderer
Schwerpunkt Rassismus
Moschee
Oury Jalloh
Oury Jalloh
Schwerpunkt Rassismus
Südsudan
SVP
Brandstiftung
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