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# taz.de -- Europaparteitag der Linkspartei: Applaus für die radikale Geste
> Harte EU-Kritik bekommt auf dem Linken-Parteitag lauten Applaus. In
> seiner Rede ruft Gregor Gysi zu einer pragmatischeren Haltung auf.
Bild: Die EU als „Lobbyistenklub und Fassadendemokratie“: Sahra Wagenknecht…
HAMBURG taz | Als Wolfgang Gehrcke vom Podium geht, wird er von vielen der
500 Delegierten der Linkspartei in Hamburg gefeiert wie ein Sieger. Gehrcke
ist ein rhetorisch versierter Außenpolitiker, ein Mann des linken Flügels.
Er hatte die Formulierung, dass die EU die Formel „neoliberal,
militaristisch und weitgehend undemokratisch“ in dem Leitantrag zur
Europawahl mit durchgesetzt. Die wurde inzwischen vom Parteivorstand
kleinlaut wieder entfernt,und so recht wollte danach auch niemand mehr je
dafür gewesen sein.
Gehrcke aber verkündet nun, dass „die EU militaristisch“ ist. „Daran ist
nichts Falsches“, sagt er lautstark und trotzig. Es folgt donnernder
Applaus.
Die Situation ist etwas kurios. Die Linkspartei hat sich auf einen neuen
Leitantrag geeinigt, der eine andere Tonart anschlägt als der alte. Dort
wird nun das „gemeinsame Haus Europa“ gelobt, das für Frieden stehe. Auch
in dem neuen Text ist die übliche scharfe Kritik an Neoliberalismus und
Spardiktat zu lesen.
Doch das Bild, das hier von der EU skizziert wird, ist grauschattiert,
nicht mehr nachtschwarz wie in Gehrckes Radierungen. Der Antrag
„neoliberal, militaristisch und weitgehend undemokratisch“ wieder
einzufügen, bekommt später nur eine Handvoll Stimmen.
Und doch bejubeln die GenossInnen Gehrcke. Auch Sahra Wagenknecht, die die
EU als mit schwerem rhetorischen Geschütz als „Lobbyistenklub und
Fassadendemokratie“ attackiert, bekommt frenetischen Applaus. Wenn die EU
nur scheinbar und nach außen Demokratie ist, innen von Konzernen regiert
ist, dann sei es sinnlos, dass sich die Linkspartei dort seriös engagiert.
Moderate Redner haben es indes schwer, die Delegierten zu entflammen. Die
EU-Parlamentarier Thomas Händel und Gabi Zimmer versuchen die Erfolge der
linken Fraktion in Straßburg und Brüssel darzulegen – mit überschaubarer
Wirkung. Es ist wohl so: Im Kopf von vielen GenossInnen geht es realistisch
zu, doch ihr Herz schlägt oft für die radikale Geste, die schroffe
Abgrenzung, das entschiedene Wir-gegen-Die.
## Gysi als Integrationsfigur
Es gibt noch immer nur einen, der den Widerspruch zwischen Verstand und
Gefühl leichthändig aufzulösen vermag: Gregor Gysi, der, wie auf jedem
Parteitag gleichermaßen als Stratege, Conférencier und Integrationsfigur
auftritt. „Wir müssen die EU als linke Idee gegen ihre falschen Freunde
verteidigen“, sagt er.
Exakt das ist der Schlüsselsatz des pragmatischen Flügels: Demnach ist die
EU eine reformierbare Institution, keine Fake-Demokratie. Gysis zweiter
Kernsatz lautet: „Auch wir müssen den Euro retten, wenn auch anders als
Merkel.“ Das ist unschwer als Korrekturzeichen zu Wagenknecht zu verstehen,
die immer mal wieder eine Auflösung des Euro als das kleinere Übel
empfiehlt.
Nur Gysis vermag es der Partei die realistische Programmatik ohne
Eiferertum und im Plauderton vorzutragen. Und er versucht, den Zwist bei
den Samstagnacht und Sonntagfrüh anstehenden Wahlen um die Liste für die
Europawahl zu entschärfen. Denn da werden Ost und West, linker Flügel und
Pragmatikern aufeinanderprallen. Gysi appelliert, dass es einfach nicht
wichtig sei, ob das West-Ost Verhältnis auf den aussichtsreichen Plätzen
6:2 oder umgekehrt ausfalle. „Wir sind zu bedeutsam für diese
Kleinkariertheit“, so der Fraktionschef.
Morgen wird man wissen, ob Gysis Pazifierungsaufruf Erfolg hat.
15 Feb 2014
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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Schwerpunkt Europawahl
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