| # taz.de -- Linke Spitzenkandidatin Zimmer: Die kompetente Vermittlerin | |
| > Für Gabi Zimmer war Europa die Rettung nach dem Ende der DDR. Seit 2004 | |
| > ist sie im EU-Parlament. Als Linke müsse sie doch Europäerin sein, sagt | |
| > sie. | |
| Bild: Gabi Zimmer beim Europa-Parteitag der Linken Anfang Mai in Berlin. | |
| JENA taz | Sie ist on tour, momentan des Wahlkampfs wegen intensiver als | |
| sonst. Am Mittwoch irgendwo in Thüringen, in den nächsten Tagen anderswo in | |
| Deutschland, jetzt trifft man sie auf einem Podium in Jena, der | |
| Universitätsstadt. Gabi Zimmer schlägt sich gut, redet ruhig, ernst. | |
| Nein, das Posieren ist das ihre nicht. Diese Politikerin ist selbst im | |
| Mittelpunkt der Aufmerksamkeit immer irgendwie die Nachbarin, nicht ein | |
| Star. Dabei ist sie momentan auf gewisse Weise die Prominenteste ihrer | |
| Partei, der Linken. Aber Gabi Zimmer, das war immer schon ihr Manko, ist | |
| kein Heldenbariton wie Gregor Gysi und kann auch nicht die zornige Tragödin | |
| wie Sahra Wagenknecht geben: Sie ist einfach die Kompetente und Umsichtige. | |
| Eine, die auch daran denkt, dass unser Treffen bitte nicht zu lang dauert – | |
| der Fahrer kommt ja aus Berlin und brauche schließlich seinen Schlaf. | |
| Wir sitzen in einem Café, es heißt „Bohème“. Das klingt ohnehin nach | |
| Entspanntheit, Künstlertum, nach Frankreich. Das war ihr Traumland, sie | |
| wollte immer Sprachen studieren, Russisch auch, vor allem aber Französisch. | |
| Ihre ersten Bilder von Frankreich, ehe sie es besuchte? Sie nennt: | |
| Eiffelturm, Aznavour, der Spatz von Paris, also Edith Piaf. | |
| Als sie schließlich, nach der Wende, erstmals dort war, ging es natürlich | |
| auch nicht gleich ins Vergnügen, erst mal ging’s an den Stadtrand zu den | |
| Problemen. Sie sagt: Da habe ich gemerkt, dass die mit anderen Problemen zu | |
| tun haben als wir. Menschen aus sehr verschiedenen Kulturkreisen, mit | |
| Einwanderung und mit kleinen Zielen, einen guten Platz im Leben zu finden. | |
| Immerhin war sie dann doch auf dem Eiffelturm, wenn auch nicht ganz oben, | |
| sagt sie, sie habe auf halber Strecke die Höhe nicht mehr vertragen. | |
| ## Starkes Vertrauen | |
| Vor knapp zehn Jahren, da war die PDS gerade aus dem Bundestag gewählt | |
| worden, hatte ihr Dasein als Parteivorsitzende ein Ende gefunden. Nicht | |
| dass sie am Wahldesaster ihrer Partei Schuld getragen hätte, aber sie hatte | |
| die Verantwortliche zu sein. Gabi Zimmer – das war die „Zonen-Gabi“, das | |
| war Spott ob einer Frau, die für die Stöckelei über den Catwalk des | |
| Politischen sich nicht verdrehen wollte. Oder kein Talent dafür hat. In | |
| Brüssel jedenfalls genießt sie unter den linken Mandatsträgern stärkstes | |
| Vertrauen. Sie ist die Mittlerin, die Europäerin, die Erklärerin dessen, | |
| was die EU an Chancen parat hat – und Fraktionsvorsitzende. | |
| Unumwunden erzählt sie, Europa sei für sie die Rettung nach der DDR | |
| gewesen. Über Europa habe sie Deutschland gefunden und den Verlust der | |
| Heimat verwunden. In den Monaten nach dem Rücktritt als PDS-Chefin sagte | |
| sie ihren politischen Freunden, wenn überhaupt, könne sie sich für Europa | |
| erwärmen. So kam sie 2004 erstmals ins EU-Parlament. Und musste dort | |
| umlernen. Giftigkeiten, wie sie sie als PDS-Frau im deutschen | |
| Politestablishment ertragen musste, galten dort nicht. | |
| In Brüssel zu sein – das war ein Kulturschock. Man hörte einander zu. Und | |
| die Linken waren dort nicht die Schmuddelkinder. Im EU-Parlament müsse man | |
| sich selbst organisieren und sei viel weniger als etwa im Bundestag von | |
| Fraktionsdisziplin und Linientreue heimgesucht. Als ihre Partei den ersten | |
| Entwurf zur Europawahl präsentierte, protestierte auch Gabi Zimmer heftig: | |
| Europa einfach als imperialistisch und militärisch abzutun gehe nicht. Die | |
| politreligiösen Bekundungen wurden also gestrichen, könnte man sagen. Das | |
| musste auch sein, weil eine wie diese Politikerin weiß, dass radikale | |
| Formeln nicht die Sache treffen. | |
| ## Ironischer Blick als Statement | |
| Dass jetzt alle EU-Bürger ein Recht auf ein Girokonto haben – das sei ein | |
| kleiner Erfolg, der vor allem den kleinen Leuten zugutekäme. Und von Linken | |
| mit angestoßen worden sei. Sie antwortet nicht auf die Frage, ob sie das | |
| deutsche Klein-Klein gerade im linken Spektrum nicht gelegentlich ermüdet | |
| bestaune – doch ihr etwas ironischer Blick reicht auch als Statement. | |
| Gabi Zimmer ist unterwegs, dauernd. Berichtet, dass die Zustimmung zu | |
| Europa schon mal größer war. Sagt, dass Brüssel näher an den Menschen läge | |
| als früher Moskau. Sie leistet, gelernt ist gelernt, Übersetzungsarbeit. | |
| Und sagt, sie esse gern gut. Inzwischen auch Muscheln. Und Austern, | |
| gelegentlich. Hat Freunde in Brüssel, wohnt dort, lebt dort gern. In | |
| Thüringen gilt sie als „eine von uns“, sie ist beliebt. | |
| Sie ist eine wahre Europäerin. Das Nationale fremdelt sie an. Sie, die doch | |
| als so ernst gilt, lächelt viel, kommt das Gespräch auf die vielen | |
| Sprachen, auf das Dickicht an Babylonischem. Bloß nicht abschaffen, sagt | |
| sie. Ja, sie ist sogar eine Leidenschaftliche, wenn es um die EU geht: | |
| Linke müssen doch Europäer sein! | |
| Fährt nach Hause, irgendwo in Thüringen, Zwischenstation auf dem Weg aus | |
| der Provinz. Nach Brüssel, Straßburg, in die Welt. | |
| 23 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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