| # taz.de -- Interview mit Katja Kipping: „Die Küken zählt man erst im Herbs… | |
| > Radikale Positionen einfach wegzudekretieren wäre falsch, sagt Katja | |
| > Kipping. Ein Gespräch über parteiinterne Kontroversen, Europa und | |
| > Reformen. | |
| Bild: Die Bundesvorsitzende der Linken, Katja Kipping, beim Europaparteitag | |
| taz: Frau Kipping, war es ein Fehler, dass Sie als Parteichefin nicht | |
| verhindert haben, dass [1][„neoliberal, undemokratisch, militaristisch“] | |
| als Kennzeichen der EU je im Leitartikel auftauchen konnte? | |
| Katja Kipping: Ich fand diese Formulierung falsch. Aber es wäre auch ein | |
| Fehler gewesen, das mit Basta-Politik zu unterdrücken. Jetzt haben wir die | |
| Debatte geführt und den Passus danach gestrichen. Das ist nachhaltiger als | |
| eine autoritäre Ansage von oben. | |
| Aber im Parteivorstand war das zuerst eine Niederlage für Sie … | |
| Führungserfolg heißt nicht, dass man sich immer und sofort durchsetzt. Im | |
| Russischen gibt es das Sprichwort: Die Küken zählt man erst im Herbst. Mein | |
| Ziel war, dass wir auf dem Parteitag eine breite Zustimmung für unseren | |
| Europakurs bekommen. Die haben wir: rund 95 Prozent für den Leitantrag. | |
| Kann man die Linkspartei nur kooperativ führen? | |
| Och, das geht auch anders. Aber Bernd Riexinger und ich wollen diesen | |
| diskursiven Politikstil. Also Offenheit und Einladung. Und eine lernende | |
| Partei. Wir halten es da mit Antonio Gramsci: Führung statt Herrschaft. | |
| Hat der Linkspartei diese Debatte genutzt? | |
| Inwiefern? | |
| Weil ein Teil ihrer Wähler der EU sehr skeptisch gegenübersteht, ein | |
| anderer positiv. So hat die Partei an beide Signale gesendet. | |
| Nein, glaube ich nicht. Das birgt ja die Gefahr, beide Wählergruppen zu | |
| verschrecken. Außerdem gibt es die so nicht. Wir haben kaum Wähler, die | |
| sagen: Weg von der EU, zurück zu Deutschland! Es gibt eher den Unmut, dass | |
| Lobbyisten in der EU zu viel zu sagen haben. | |
| Also hat die Linkspartei keine Anti-EU-Wähler? | |
| So verstehen die sich jedenfalls nicht. Es gibt aber viele, die den Satz | |
| unterschreiben würden: Die EU will bestimmen, wie krumm Gurken sein dürfen, | |
| aber Banken keine krumme Geschäfte verbieten. Allerdings schlummert in der | |
| EU auch ein ungeheures Potenzial. Um dieses Potenzial zu wecken, braucht es | |
| einen Sozialpakt. Außerdem könnte man etwa die maximal zulässige | |
| Wochenarbeitszeit europaweit begrenzen. Wir müssen viel stärker den Fokus | |
| darauf richten, was wir in Europa erreichen können. Stichwort: | |
| Bankenregulierung und europaweites Verbot von Waffenexporten. Das ist doch | |
| ein lohnendes Ziel. | |
| Sahra Wagenknecht nennt die EU Fassadendemokratie. Wenn das so ist, lohnt | |
| Reformeifer gar nicht … | |
| Es stimmt ja leider, dass in der EU zentrale Entscheidung nicht | |
| demokratisch getroffen werden. Die Regeln des Fiskalpaktes sind im EU-Rat | |
| entschieden worden. Da hat sich, wie Jürgen Habermas zu Recht kritisiert | |
| hat, Deutschland wegen seiner Wirtschaftsmacht durchgesetzt – und nicht der | |
| Souverän Europas – also die europäische Bevölkerung. Deshalb brauchen wir | |
| mehr Demokratie in der EU. Und mehr Einfluss für das EU-Parlament. | |
| Und wie sieht es mit der Liste aus? Ist die ausgewogen? | |
| Ja, es gibt in keinem Lager die ganz große Enttäuschung. Der Parteitag hat | |
| gut gewählt. Die Partei ist erwachsener geworden. | |
| Inwiefern? | |
| Sie kann Kontoversen aushalten, etwa bei dem Kampf um die Listenplätze. | |
| Und: Es gibt ein Zentrum, das für Ausgewogenheit sorgt. Die jeweils | |
| Unterlegenen gehen vernünftig mit ihrer Niederlage um, und die, die | |
| gewonnen haben, triumphieren nicht. | |
| Wenn man Wulf Gallerts Pro-EU-Rede hört und dann Sahra Wagenknecht, fragt | |
| man sich schon, ob die in einer Partei sind … | |
| Ja, sind sie. In einer linkspluralistischen. | |
| 16 Feb 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinicke | |
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