# taz.de -- Linkspartei-Scharmützel in Duisburg: Mit ganzen Familien in die Sc… | |
> Duisburg ist eine Hochburg der Linken im Westen, doch in der Fraktion ist | |
> das Klima vergiftet. Die Partei steckt vor den Kommunalwahlen in der | |
> Krise. | |
Bild: Die verfeindeten Lager der Duisburger Linkspartei vergiften die Stimmung … | |
DUISBURG taz | Hermann Dierkes verteilt Wahlzettel. Zu Beginn der | |
Kreismitgliederversammlung der Duisburger Linkspartei am Samstag wirkte der | |
64-jährige Vorruheständler noch angespannt. Doch das hat sich inzwischen | |
gelegt. Alle aussichtsreichen Listenplätze für die Kommunalwahl im Mai sind | |
vergeben. Und zwar genauso, wie er sich das als Mitglied der Wahlkommission | |
gewünscht hat. | |
Duisburg ist eine Hochburg der Linkspartei im Westen. Schon zu trüben | |
PDS-Zeiten gab’s bei den Stadtratswahlen mehr als 5 Prozent. Seit 2011 gibt | |
es ein rot-rot-grünes Bündnis in der hochverschuldeten Ruhrgebietsstadt. | |
Hermann Dierkes zählt zu den Architekten der in Nordrhein-Westfalen | |
einzigartigen, innerparteilich heftig umstrittenen Kooperation. | |
Bundesweit bekannt wurde er durch antiisraelische Ausfälle, die ihm ein – | |
knapp überstandenes – Parteiausschlussverfahren einbrachten, doch in | |
Duisburg agiert Dierkes als beinharter „Realo“. Nach 15 Jahren im Rat tritt | |
er nun ab, um seinen Getreuen das Feld zu überlassen. | |
Doch der Widerstand gegen deren Kurs ist groß. Die Gegner, die sich in der | |
Plattform „Linker Aufbruch für Duisburg“ organisiert haben, werfen der | |
Fraktionsmehrheit vor, sie würde im Kommunalparlament Sozial- und | |
Personalabbau unterstützen sowie fragwürdige Großprojekte wie das geplante | |
Factory-Outlet-Center in Duisburg-Hamborn mittragen. | |
## Alles-oder-nichts-Spiel | |
Das Klima zwischen den Lagern ist vergiftet. Es ist ein | |
Alles-oder-nichts-Spiel. Auf der Jahreshauptversammlung im November | |
scheiterten alle Kandidaten aus dem Umfeld von Dierkes und dessen | |
Nachfolgerin Martina Ammann-Hilberath, die im vergangenen Jahr den | |
Fraktionsvorsitz übernahm, bei der Vorstandswahl. | |
Jetzt folgte die Revanche: 159 der rund 400 Mitglieder haben sich in dem | |
überfüllten Versammlungsraum in der Gesamtschule „Globus am Dellplatz“ | |
eingefunden. Beide Seiten haben sich in den vergangenen Monaten um | |
Neumitglieder bemüht, ganze Familien sind eingetreten. Von einer | |
„Entscheidungsschlacht“ spricht eine Fraktionsmitarbeiterin. | |
Als sich Ammann-Hilberath mit 55 Prozent der Stimmen gegen ihre | |
Gegenkandidatin Sinem Budak-Kockaya durchsetzt, ist klar, wer besser | |
mobilisiert hat. Eisern stimmt die knappe Mehrheit durch. Selbst der | |
bisherige Ratsherr Thomas Keuer, Geschäftsführer des Ver.di-Bezirks | |
Duisburg-Niederrhein, wird nicht wieder nominiert. | |
Duisburg ist kein Einzelfall: Auch in Essen gab es im Vorfeld der | |
Listenaufstellung einen wundersamen Mitgliederzuwachs. Mitte Januar | |
servierte eine knappe Mehrheit um Fraktionschef Peter Leymann-Kurtz den | |
Minderheitenflügel um seinen Ratskollegen Wolfgang Freye ab. Anschließend | |
beschuldigten sich die verfeindeten Lager gegenseitig, eine | |
Kompromisslösung verhindert zu haben. | |
## Zu viele Maximalforderungen | |
Es ist der Fluch des zu schnellen Erfolgs, der auf der Linkspartei in | |
Nordrhein-Westfalen liegt. Nach den Kommunalwahlen 2009 durfte sie sich | |
über 298 Stadt- und Gemeinderatsmandate freuen – mehr als sechsmal so viele | |
wie zu alten PDS-Zeiten. Zwei Jahre nach dem Zusammenschluss von PDS und | |
WASG zog ein bunter Haufen in die kommunalen Parlamente ein. | |
Plötzlich saßen gestandene Kommunalpolitiker mit Politdesperados in einer | |
Fraktion, beinharte Gewerkschaftsfunktionäre trafen auf antiautoritäre | |
Linke, Karrieristen auf Querulanten. Mittlerweile haben weit mehr als | |
hundert Abgeordnete der Partei den Rücken gekehrt, nicht selten unter | |
Mitnahme ihres Mandats. Manche gingen nach monate- oder jahrelangem Streit, | |
manche über Nacht. | |
Bei den einen waren es die großen politischen Linien, bei anderen | |
persönliche Konflikte, die den Ausschlag gaben. Sie wechselten zu einer | |
anderen Partei oder gründeten ihre eigene Wählergemeinschaft. Wie die | |
einstige Linksfraktion in Gelsenkirchen. Dort sitzt heute niemand mehr mit | |
Linksparteibuch im Rat – und das ist beileibe kein Einzelfall. | |
Der nächste Showdown steht Anfang März in Bochum an. Die Ratsfraktion hat | |
angekündigt, geschlossen nicht mehr anzutreten, weil ihr das beschlossene | |
Wahlprogramm nicht genehm ist. Die sechsköpfige Fraktion um den | |
Vorsitzenden Uwe Vorberg beklagt zu viele Maximalforderungen, „für die wir | |
keine Realisierungsmöglichkeiten sehen und deren Finanzierung unklar ist“. | |
Ein Beispiel: „Die kategorische Formulierung, dass für Die Linke im | |
Zweifelsfall Ökologie vor Ökonomie geht, können wir nicht mittragen.“ | |
23 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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