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# taz.de -- Neues Album der Berliner Band Fenster: Zwischen drinnen und draußen
> Drei Herkunftsländer, ein Auftrag: Der Dreampop-Sound von Fenster mutet
> folkig-psychedelisch an und zeigt Willen zum Experiment.
Bild: Haben noch einen Koffer in Berlin: Fenster mit J.J. Weills, 2. von links.
Treffen sich zwei Menschen aus pulsierenden, für Alltagsgetöse bekannten
Metropolen, gründen eine Band und reduzieren den Sound aufs Nötigste. Eine
alte, aber in Anbetracht allgegenwärtiger Reizüberflutung fast schon
ironische Geschichte. Oder doch nur eine logische Entwicklung?
Die Rede ist von Fenster, einer Band, deren Namen bereits Anlass zu Rätseln
gibt: Fenster, so ähnlich heißt doch das glatzköpfige Mitglied der Addams
Family. Auch klingt der Name verdächtig nach „finster“, passend zur
düsteren Atmosphäre, die auf „The Pink Caves“, dem zweiten Album der Band,
nachklingt.
Der Bandname hat philosophisches Potenzial. Ein Fenster ist ein lebendiger
Bilderrahmen, ein Tor zur Welt. Jenes Element, das das Scharnier zwischen
dem privaten Drinnen und dem öffentlichen Draußen herstellt. Obwohl durchs
Fenster viele Bilder transportiert werden, ist das Objekt selbst
durchsichtig.
Ein Fenster ist ein Visualisierungsmedium, wie ein Fernrohr, es
funktioniert im geöffneten Zustand aber auch als Durchgang, wichtig für die
Luftzirkulation.
## Zwischenfall im Proberaum
Was das alles mit Fenster, dem in Berlin ansässigen Quartett zu tun hat,
lüftet die Sängerin JJ Weihl in einem Interview: Während einer Probe
zerbrach eines der Fenster im Übungsraum und fiel ihr auf den Schädel.
Neben JJ Weihl, der New Yorkerin, spielen der Berliner Jonathan Jarzyna,
Lucas Chantre und Rémi Letournelle aus Frankreich bei der Band. Gegründet
haben sie sich 2010, zunächst ohne Chantre. Nach einigen Konzerten unter
Bahnbrücken und in Galerien veröffentlichten Fenster 2012 ihr Debütalbum
„Bones“. Ihre Musik bezeichnen sie als „dekonstruierten Pop“. Poppig si…
besonders die Texte, dekonstruiert klingt eher die Musik.
Wie viel Geräusch ist für Popmusik überhaupt notwendig, wann ist weniger
mehr? Akzentuiert, minimalistisch und atmosphärisch: Diese Adjektive werden
nicht nur Fenster, sondern auch Künstlern wie The xx oder James Blake
zugewiesen. Anders als diese verzichten Fenster auf die episch-pathetischen
Emotionsexplosionen. Fenster arbeiten mit präzise gesetzten Pausen, sie
dienen dazu, Kontraste zwischen Stille und Klang stärker betonen.
So ganz genau in ein Schema einordnen lassen sich Fenster nicht. Ihre
Gitarrenmelodien klingen psychedelisch, die Drums sind in den Hintergrund
gemischt, vorne liegen dagegen städtisch anmutende Fieldrecordings,
Vögelgezwitscher und filigrane Glockensounds. Das Tempo ist eher getragen,
von einem sturen Midtempo im Auftakt „Better Days“ bis hin zum
schleppend-ruhigen „True Love“. Damit wird eine verträumte Gemütsruhe
evoziert. Eher skurril klingen dagegen die psychedelischen Parts.
## Warme Luft
Ein dynamischer Rhythmus erinnert in dem Song „Better Days“ an die
schwedische Indiepop-Band Shout Out Louds, aber auch an den Einbruch von
warmer Luft. Den Frühling ankündigen, das gelingt Fenster schon mit dem
ersten Track ihres Albums. Es gibt den beständigen Bass und dezentes
Gitarrenzupfen in den Strophen – nichts, was zu sehr ablenkt, dafür gibt es
mehr Raum für den halligen Gesang, der die Atmosphäre perfektioniert.
So sehr die Stimmen von Weihl und Jarzyna miteinander harmonieren, sie
bestechen auch einzeln. Beide legen eine sehr weiche, folkige Anmutung auf
die Stimmen, seine geht weit in die Tiefe, meistert aber auch hohe Töne.
Bei ruhigen Songs wie dem Finale „Creatures“ zeigt sich, wie stark und
tief-vibrierend ihre Stimme sein kann. Die Gesangsmelodien erinnern stark
an Garagenbands längst vergangener Dekaden.
Trotz, oder gerade wegen ihrer Hipster-Ästhetik und ihrem Willen zum
Experiment schaffen es Fenster, auf verschiedenen Umlaufbahnen zu bestehen.
Vom kunstaffinem MS Dockville Festival in Hamburg bis hin zur Riesenmesse
SXSW im texanischen Austin fühlen sie sich überall heimisch und verleihen
dem Geschehen eine psychedelische Note.
18 Feb 2014
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