# taz.de -- Unruhen in der Ukraine: Tote bei Protesten in Kiew | |
> Bei Zusammenstößen in Kiew sterben mindestens neun Menschen. Inzwischen | |
> haben die Demonstranten wieder das Rathaus besetzt. Es droht eine weitere | |
> Eskalation. | |
Bild: In Kiew eskaliert die Gewalt erneut. | |
KIEW taz | Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und | |
Demonstranten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind am Dienstag nach | |
offiziellen Angaben der Sicherheitskräfte mindestens neun Menschen ums | |
Leben gekommen. Sieben Zivilisten und zwei Sicherheitskräfte seien getötet | |
worden, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag der Agentur Interfax. Auf | |
beiden Seiten wurden Dutzende Menschen verletzt. Auch Journalisten wurden | |
Opfer der gewaltsamen Übergriffe. | |
Inmitten der angespannten Lage besetzten proeuropäische Demonstranten | |
erneut das erst am Sonntag geräumte Rathaus der ukrainischen Hauptstadt. | |
Etwa 30 Menschen befanden sich am Dienstagabend im Innern des Gebäudes und | |
richteten dort eine notdürftige Krankenstation ein, während andere | |
Protestierende den Eingang bewachten, wie ein Korrespondent der | |
Nachrichtenagentur AFP berichtete. | |
Die Haltestellen der Kiewer U-Bahn wurden komplett geschlossen. Damit | |
drohte der Nahverkehr in der Metropole mit etwa 2,8 Millionen Einwohnern | |
zusammenzubrechen. Zunächst waren vier Metrostationen im Zentrum | |
geschlossen worden. Die Polizei rückte auf die Stellungen der Opposition im | |
Stadtzentrum vor. | |
Die Regierung stellte den Protestierenden ein Ultimatum. Diese hätten zwei | |
Stunden Zeit, um ihre gewaltsamen Demonstration zu beenden, erklärten das | |
ukrainische Innenministerium und der Staatsschutz. Sollte die Gewalt | |
andauern, würden die Sicherheitskräfte zu „schwerwiegenden Maßnahmen“ | |
greifen, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen. | |
Am Nachmittag rief Oppositionsführer Vitali Klitschko alle Frauen und | |
Kinder auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) dazu auf, den Platz zu | |
verlassen. Ein Angriff der Sicherheitskräfte sei nicht ausgeschlossen, | |
sagte Klitschko laut AFP weiter. | |
Am Montag war ein Amnestiegesetz über die Freilassung von sich in Haft | |
befindenden Demonstranten in Kraft getreten. Die Straßenproteste | |
eskalierten am Dienstag erneut, als sich das ukrainische Parlament | |
weigerte, einen Gesetzesentwurf über Änderungen der Verfassung auf die | |
Tagesordnung zu setzen. Diese würden die Vollmachten des Staatspräsidenten | |
begrenzen und gegenüber das Parlamenrt mit mehr Kompetenzen ausstatten. | |
Die aufgebrachten Massen wollten sich auch dann nicht beruhigen, nachdem | |
der Gesetzesentwurf unter dem Druck der Straße dann doch zur Begutachtung | |
ins Plenum eingebracht wurde. Die Protestler hatten sich bereits am frühen | |
Morgen vor dem ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, versammelt. Die | |
Kundgebung war bereits am Vorabend in den Sozialen Netzen angekündigt | |
worden. Jedoch bereits um 10 Uhr am Dienstagmorgen schlugen die friedlichen | |
Proteste in Gewalt um. Demonstranten zündeten Autoreifen an und warfen | |
Pflastersteinen. Als Milizionäre mit Granaten antworteten, eskalierte die | |
Situation vollends. | |
## Spezialeinheiten greifen an | |
Wer den ersten Stein warf, ist unklar. Demonstranten gaben an, dass die | |
ersten Granaten von Sicherheitskräften der Sondereinheit „Berkut“ gezündet | |
worden seien. | |
Der amtierende Außenminister der Ukraine, Leonid Koschara, erklärte, dass | |
die Gewalt nicht von den friedlichen Demonstranten, sondern von „radikalen | |
Kräften“ ausgegangen sei. Auf vielen TV Kanälen des ukrainischen Fernsehens | |
waren Truppen der Spezialeinheit „Berkut“ sehen, die zuerst die | |
Demonstrierenden angriffen. Auf den Dächern in der Nähe des Parlaments | |
sollen sich Sniper befunden haben, die das Feuer auf die Protestler | |
eröffnet haben sollen. Das wiederum legt nahe, dass die Regierungskräfte | |
auf einen gewaltsamen Angriff vorbereitet gewesen waren. | |
Viele Politologen und Journalisten sind der Meinung, dass die gewaltsamen | |
Zusammenstöße mithilfe von Provokateuren geplant gewesen sind. | |
Der Zentralstab der radikalen Organisation „Pravyj Sektor“ (Rechter Sektor) | |
hat Waffenbesitzer dazu aufgerufen, sich zu Gruppen zusammen zu schließen, | |
um die Menschen zu verteidigen. Viele befürchten, dass der Griff zur Waffe | |
zum Ausnahmezustand in Kiew führen könnte. Führungsspitzen von Regierung | |
und Opposition verhandeln derzeit. | |
18 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Andrej Nesterko | |
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