# taz.de -- Aussteiger-Hotline für Autonome: Kein Anschluss mit dieser Nummer | |
> Mit einer Aussteiger-Hotline wollte der Verfassungsschutz Autonome aus | |
> der Szene holen. Die Bilanz zweieinhalb Jahre später: Niemand ruft an. | |
Bild: „Und das Telefon sagt 'duuu'“. In Zeiten der Stille ruft sich der Ver… | |
BERLIN taz | Die Hotline war mal eine große Nummer. Im Herbst 2011 hatte | |
der Bundesverfassungsschutz die (02 21) 792-66 00 mit großem Bohei | |
freigeschaltet: Eine Aussteiger-Hotline für Linksextreme sei es, „rund um | |
die Uhr“ erreichbar. | |
Abtrünnigen wurde einiges geboten: Hilfe bei der Job- und Wohnungssuche, | |
Kontakte zu Justiz und Behörden, auch die Vermittlung von | |
„Qualifizierungsmaßnahmen“. Dies alles, so der Verfassungsschutz, als Teil | |
des „ganzheitlichen Ansatzes“ gegen Extremismus. | |
Nur: Es ruft keiner an. | |
Wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Linken-Anfrage | |
hervorgeht, die der taz vorliegt, ist die Resonanz auf das | |
Aussteigertelefon zweieinhalb Jahre nach dessen Start mehr als verhalten. | |
Die Bilanz: so gut wie Funkstille und nur ein einziger Aussteiger. | |
Riefen in den ersten Monaten, von der Schaltung im Oktober 2011 bis zum | |
damaligen Jahresende immerhin noch 21 Personen die Nummer an, waren es im | |
gesamten Folgejahr nur noch 15 Anrufe. Im Jahr 2013 blieben gar nur mehr | |
fünf Anrufe. Sonst herrschte Stille. | |
## Tendenz sinkend | |
Nicht besser ist die inhaltliche Bilanz der Telefonate. Schon ein Jahr nach | |
Schaltung notierte der Verfassungsschutz, dass 25 der 33 Anrufe „nicht | |
ernst gemeint“ waren. Immerhin: Diese Spaßanrufe blieben im letzten Jahr | |
gänzlich aus. Allerdings führten auch die fünf eingegangenen Anrufe ins | |
Leere: Bei keinem einzigen, so das Innenministerium, hätten sich | |
„Folgegespräche“ ergeben. | |
Das Ziel des Ganzen wurde in den zweieinhalb Jahren nur einmal erreicht: | |
Ein Anrufer vollzog laut Ministerium tatsächlich den Szeneausstieg. Ein | |
Bayer, Anfang zwanzig, Autonomer „ohne Führungsfunktion“, der sich gleich | |
zu Beginn gemeldet hatte. | |
Die Opposition reagiert mit Spott. „Ein einziger Quatsch ist das“, findet | |
die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. „Es macht sich nicht mal mehr jemand | |
die Mühe, wenigstens noch einen Spaßanruf abzusetzen.“ Die Hotline sieht | |
Jelpke nur als Vehikel des „Extremismuskonzepts“ der Union. „Linke brauch… | |
aber keine geheimdienstliche Unterstützung, wenn sie linke Strukturen | |
verlassen wollen.“ | |
Der Verfassungsschutz hält dennoch an der Hotline fest. „Für uns zählt | |
jeder Einzelfall“, sagt ein Sprecher. Auch das Innenministerium verteidigt | |
die Hotline als „sinnvolle Komponente einer mehrdimensionalen | |
Bekämpfungsstrategie“. Zudem, betonen beide Häuser stets, sei der Aufwand | |
tragbar, da keine extra Mitarbeiter abgestellt würden. | |
Bei den Grünen erntet das nur Kopfschütteln. „Dieses Ausstiegsprogramm ist | |
politisch abwegig und realitätsfern“, kritisiert deren Innenpolitikerin | |
Monika Lazar. Die Hotline lenke von „gravierenden Gefahren durch Rassismus | |
und Rechtsextremismus“ ab. Eben dort gehörten aber alle Kräfte und Gelder | |
gebündelt. Deshalb, so Lazar, bleibe für die Nummer nur eins: „umgehend | |
einstellen“. | |
21 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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