# taz.de -- Christopher Lauer über Piraten: „Ich find‘ die Frage blöd“ | |
> Die taz wollte Christopher Lauer nach seinen Zielen und den Inhalten der | |
> Piraten befragen. Lauer wollte lieber die taz anpöbeln. Hier das Gespräch | |
> im Wortlaut. | |
Bild: Lauer (l.) not amused: „Ich find die Frage blöd.“ | |
Christopher Lauer will auf dem nächsten Parteitag als Landesvorsitzender | |
der Piraten gewählt werden. Die taz hatte dazu einen Interview-Termin bei | |
ihm im Abgeordnetenhaus vereinbart. Hier der Wortlaut des Gesprächs, einen | |
Audio-Mitschnitt gibt es zum [1][Download als MP3]: | |
taz: Also, warum wollen Sie Landesvorsitzender werden? | |
Ja weil wir im Moment von den Strukturen her im Berliner Landesverband | |
irgendwie in einem Zustand vor 2009 sind, das finde ich schwierig. Und weil | |
es schön wäre, wenn wir 2016 wieder ins Abgeordnetenhaus kämen, um die | |
Piratenpolitik fortzusetzen. Und, ja, das möchte ich dann halt als | |
Landesvorsitzender tun. | |
Sie sind zwar einer der bekanntesten Piraten in Berlin, auch | |
deutschlandweit, aber nicht unumstritten. Wieso gerade Sie? | |
Wieso gerade Sie – was? | |
Warum gerade Sie die richtige Person sind, als Landesvorsitzender. | |
Na, ich trau mir das halt zu. | |
Die Europawahl steht vor der Tür, da droht die Drei-Prozent-Hürde. Mit | |
welchen Inhalten wollen Sie denn das Ruder noch rumreißen? | |
Da müssen Sie unseren Bundesvorsitzenden fragen zum Europawahlkampf, oder? | |
Oder, das ist doch jetzt `ne schöne Gegenfrage, das können wir dann | |
vielleicht auch noch in dieses Interview packen, weil sich die taz ja auch | |
gerne medienkritisch gibt: Warum denken Sie denn, dass es ganz gut wäre, | |
den Kandidaten für den Landesvorsitz in Berlin zu fragen, wie er bei der | |
Europawahl das Ruder für die Drei-Prozent-Hürde rumreißen möchte? | |
Ja, gut. | |
Könnten Sie das nochmal erläutern vielleicht? | |
Der Landesverband Berlin ist ja auch einer der stärksten Landesverbände der | |
Piraten in Deutschland… | |
…ja, aber Sie wissen doch, wie die Europawahl abläuft, oder? | |
Ja. | |
Ja. Also was... | |
Sie sehen sich jetzt nicht mit der Europawahl konfrontiert? | |
Ja doch, natürlich ist das, natürlich ist das wichtig, dass wir bei der | |
Europawahl in Berlin den Wahklampf... Im Grunde genommen ist es vom | |
Wahlkampf her es ein Testlauf für die Organisationsfertigkeit der Piraten, | |
ein Testlauf für die Wahl 2016, weil der Anspruch natürlich schon sein | |
muss, dass wir einen flächendeckenden Wahlkampf in der Stadt machen. Wir | |
haben mit Julia Reda und Fotios Amanatides zwei sehr gute | |
Spitzenkandidaten, wie ich finde. Die machen bisher einen sehr guten | |
Eindruck in der Öffentlichkeit und ich denke schon, dass die das ziehen | |
können so einen Wahlkampf inhaltlich. Und dann ist es halt die Aufgabe der | |
Landesverbände strukturell dafür zu sorgen, den Leuten zu erklären, warum | |
es gut ist, wenn die Piraten auch im Europaparlament vertreten sind. Und da | |
werden wir als Berliner Landesverband unseren Teil zu leisten. | |
Lastet die Arbeit im Abgeordnetenhaus Sie nicht genug aus – meinen Sie, Sie | |
können das beides stemmen? | |
Ja, meine ich. | |
Was könnten Sie denn besser als [der aktuelle Vorsitzende] Gerhard Anger? | |
Weiß ich nicht, was kann denn Ihrer Meinung nach Gerhard Anger besser als | |
ich? | |
Sie kennen ihn ja besser als ich. | |
Achso, das heißt, Sie kennen ihn gar nicht so gut! Das heißt, wenn ich | |
Ihnen jetzt irgendwas erzählen würde, was ich besser könnte als Gerhard | |
Anger, wüssten Sie überhaupt nicht, ob ich Sie jetzt hier belüge oder | |
nicht? | |
Nee, Sie wollen ja kandidieren. | |
Ja genau ich will – nee, wissen Sie was, ich will nicht nur kandidieren, | |
ich kandidiere sogar. Das sind dann so die sprachlichen Feinheiten. Wollen | |
Sie eigentlich ’nen Kaffee? Ich mach mir erstmal ’nen Kaffee. | |
Aber so viel Zeit hab ich eigentlich... aber einen kleinen Kaffee nehme | |
ich... | |
Ach, Sie haben überhaupt gar keine Zeit! Wie viel Zeit haben Sie sich denn | |
für dieses Interview genommen? Also ich weiß nicht, als Politiker, wenn man | |
sich da nicht so ernst genommen fühlt… | |
…nee, Sie können sich vollkommen ernst genommen fühlen. | |
Ich kann mich ernst genommen fühlen, Sie nehmen mich aber nicht ernst? | |
Doch, ich nehme Sie ernst. | |
Sie nehmen mich ernst? Ein bisschen zumindest. | |
Ich nehme grundsätzlich jeden Menschen ernst... | |
Okay, Sie nehmen grundsätzlich jeden Menschen ernst. Das ist doch | |
schonmal... | |
...und mir ist es dann auch vollkommen egal, welcher Partei er angehört. | |
Ach so! Das heißt, Sie nehmen auch Bernd Lucke von der AfD ernst? | |
Den jetzt nicht, ich will mich auch nicht mit Ihnen streiten. | |
Wir streiten uns doch gar nicht, wir unterhalten uns einfach ganz nett. | |
Also, was kann ich besser als Gerhard Anger? Ich find‘ die Frage blöd, die | |
werde ich nicht beantworten. | |
Okay, das ist ja Ihr gutes Recht. Und dann – wenn Sie dazu vielleicht noch | |
was sagen wollen – versteh ich auch, wenn Sie dazu nichts sagen wollen: In | |
Reinickendorf hat sich die Fraktion jetzt aufgelöst. Meinen Sie nicht, dass | |
jetzt eine inhaltliche und organisatorische Neustrukturierung, die Sie ja | |
auch auf Ihrer Homepage … | |
… ach, haben Sie [2][den Blogbeitrag] gelesen? Den Eindruck hatte ich | |
gerade nicht. | |
Ist das nicht zu spät? | |
Nö, wieso? Wieso soll das zu spät sein? Die Jungs in Reinickendorf, die | |
können mal schön ihre Mandate zurückgeben, das können die. Da wurde eine | |
Liste aufgestellt, mit acht oder neun Leuten, und wenn die [Gewählten] ihre | |
Mandate niederlegen, dann besteht die Piratenfraktion in Reinickendorf | |
weiter. Ich hab mir auch mal angeschaut, was die da in den vergangenen | |
zweieinhalb Jahren... Jetzt wollen Sie doch Kaffee! | |
Ja, ich nehm mir... | |
Achso, nehmen Sie sich einfach selber. Ich hatte Sie jetzt falsch | |
verstanden. Ich hatte irgendwie gedacht, Sie wollen gar keinen. Also, wenn | |
ich mir anschaue, was die da an Anträgen und Drucksagen so in den | |
vergangenen zweieinhalb Jahren produziert haben in Reinickendorf die vier | |
Jungs, dann muss ich sagen, ist das ausbaufähig, um das mal vorsichtig | |
auszudrücken. | |
Sie trauern den Personen also nicht nach? | |
Weiß ich nicht, das müssen ja die Reinickendorferinnen und Reinickendorfer | |
bewerten, ob sie sich jetzt von den vier Herren in der BVV-Fraktion dort | |
gut vertreten gefühlt haben. Aber Fakt ist: 2011 wurde die Piratenpartei | |
gewählt. Da hat niemand gesagt, ich gebe jetzt denen da in Reinickendorf ne | |
Stimme, weil da ein Michael Windisch auf der Liste steht oder so. Die haben | |
halt jetzt mal gefälligst ihre Mandate niederzulegen, weil ich nicht weiß, | |
was das für ein Politik- und Demokratieverständnis ist, mit seinem Mandat | |
in eine andere Partei abzudüsen. Ist mir nicht so klar. | |
Okay. Angenommen, es klappt jetzt alles, so wie Sie sich das vorstellen. | |
Von mir aus, Europawahl geht gut, wie auch immer... | |
Ja, „wie auch immer“, ist ja eigentlich auch nicht so interessant, ist ja | |
nur Politik… | |
Ja, genau, deswegen sage ich ja auch: wie auch immer. Sie ziehen also auf | |
jeden Fall ins Abgeordnetenhaus wieder ein? | |
Ja. | |
Mit wem würden Sie denn koalieren? | |
Es steht natürlich fest, dass wir mit der CDU aufgrund der Innenpolitik | |
nicht koalieren können. Auch was die Asylpolitik angeht ist das komplett | |
indiskutabel. Ich denke, dass die CDU da ein fundamental anderes | |
Menschenbild hat als die Piratenpartei. Ich denke, mit der Linken gibt es | |
da viele Schnittmengen, wenn es um so Fragen geht wie mehr parlamentarische | |
Kontrolle für die Geheimdienste. Langfristiges Ziel sowohl der Linken als | |
auch der Piraten ist es ja, die Kontrollmöglichkeiten auf Geheimdienste zu | |
erweitern, aber auch sowas wie den Verfassungsschutz langfristig | |
abzuschaffen. Ich sehe bei den Grünen politisch natürlich einige | |
Schnittmengen, halte sie aber nicht für politikfähig. Seit 30 Jahren sind | |
die ja im Berliner Abgeordnetenhaus, waren nie an der Regierung, deswegen | |
konnte sich bei denen anscheinend auch nie so ein Realo-Flügel durchsetzen. | |
Was man auch merkt, weil sie einfach nicht zu konstruktiver Arbeit in der | |
Lage sind, das sieht man jetzt auch zum Beispiel bei der Parlamentsreform, | |
wo sie sich ja weitestgehend aus den Verhandlungen verabschiedet haben. Ich | |
kann Klaus Wowereit gut verstehen, der hatte seine Gründe, warum er damals | |
die Koalitionsverhandlungen abgebrochen hat. Ansonsten ist da natürlich | |
noch die SPD übrig, die natürlich glücklicherweise einen Linksruck im | |
Moment durchmacht. Wahrscheinlich ist am Ende des Tages eine Koalition mit | |
SPD und Linken, und wenn sich die Grünen dann mal irgendwann berappeln, | |
geht das wahrscheinlich auch. | |
Das war es auch schon. Herr Lauer, ich bedanke mich bei Ihnen für dieses | |
Gespräch. | |
Ich habe zu danken. | |
Das Interview fand in der vergangenen Woche am Donnerstag statt und dauerte | |
knapp zehn Minuten. Anschließend schickten wir Lauer eine [3][überarbeitete | |
Fassung] zum Gegenlesen vor dem Abdruck. Lauer war damit nicht | |
einverstanden. Er hatte auch selbst während des Interviews ein Band | |
mitlaufen lassen. Dieses Band hat dann Lauer oder ein Mitarbeiter | |
abgetippt, die so entstandene Fassung hat Lauer an unseren Mitarbeiter | |
gemailt: „Vielen lieben Dank für Ihr Transkript. Im Anhang an diese Mail | |
finden Sie die von mir freigegebene Version des Interviews. Ich betone noch | |
einmal explizit, dass ich das Interview nur in dieser Form freigebe, jede | |
Kürzung bedarf der weiteren Autorisation durch mich. Ich widerspreche | |
ausdrücklich einer Umstellung der Fragen und Antworten, da sich hierdurch | |
ein anderer Sinnzusammenhang ergibt.“ Die taz ist damit einverstanden, wir | |
veröffentlichen das Gespräch daher hier ungekürzt und im vollständigen | |
Wortlaut. | |
17 Feb 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sebastian-heiser.de/download/taz/lauer-interview.mp3 | |
[2] http://www.christopherlauer.de/2014/02/12/kandidaturlavo/ | |
[3] http://blogs.taz.de/hausblog/files/2014/02/lauer-iv.pdf | |
## AUTOREN | |
Sascha Frischmuth | |
## TAGS | |
Christopher Lauer | |
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