# taz.de -- BKA zählt Demonstranten als Straftäter: Hochgefährliche Sitzbloc… | |
> Das BKA hat hunderte Menschen zu Unrecht in der Statistik zu linken | |
> Straftätern gezählt. Die Zahl derer verringerte sich um 90 Prozent. | |
Bild: Landeten auch sie in der BKA-Datei? Sitzblockierende gegen NPD-Aufmarsch … | |
BERLIN taz |Es ist die Schatztruhe der Sicherheitsbehörden in puncto linker | |
Gewalt. Hunderte Einträge listet die Datei „PMK-links“ beim | |
Bundeskriminalamt. Demonstrationen oder Initiativen werden dort | |
dokumentiert. Aber auch „besonders relevante Personen“ der Szene, die mit | |
Straftaten auffielen oder solcher verdächtigt werden, wie es behördenintern | |
heißt. Nun aber stellt sich heraus: Hunderte dort genannte Personen standen | |
zu Unrecht auf der Liste. | |
Seit 2008 wird die BKA-Datei „Politisch motivierte Kriminalität – links“ | |
von den Länderpolizeien befüllt. Noch im Oktober 2012 listete die Behörde | |
dort 3.819 Personen. Aktuell, Stand Mitte Mai, soll es plötzlich nur noch | |
331 linke Gewalttäter geben, wie das Bundesinnenministerium von Thomas de | |
Maizière (CDU) jetzt auf eine Linken-Anfrage mitteilte. Den Grund für den | |
abrupten Schwund liefert das Ministerium gleich mit: Etliche Speicherungen | |
hätten „nicht im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben“ | |
gestanden – und wurden gelöscht. | |
Genau diesen Umstand hatte bereits 2012 der frühere | |
Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar gerügt, nachdem er die Datei | |
stichprobenartig geprüft hatte. Teils „gravierende Verstöße“ sah Schaar … | |
seinem damaligen Bericht, der erst jetzt öffentlich wurde. | |
Mehrere Personen seien allein aufgenommen worden, weil sie an Versammlungen | |
teilnahmen oder diese anmeldeten – ohne dass es dort zu Gewalt kam. Schaar | |
nennt den Fall eines Umweltaktivisten. Dieser sei als „Vorstandsmitglied“ | |
seines Verbandes und als Demo-Anmelder beim BKA abgespeichert gewesen. Nur: | |
„Aus den Unterlagen ließ sich kein Verstoß gegen Gesetze entnehmen“, zeig… | |
sich Schaar verblüfft. | |
## „Schwerwiegendes Problem“ | |
Andere Personen wurden erfasst, weil sie sich „lediglich“ an Sitzblockaden | |
beteiligten. Die aber, so Schaar, seien grundsätzlich legal. Bei | |
tatsächlich Verdächtigen von Gewalttaten wiederum sei nicht geprüft worden, | |
ob diese freigesprochen wurden und ihre Namen hätten gelöscht werden | |
müssen. Schaar sprach resümierend von „fragwürdigen“ Speicherungen. | |
Das sieht nun offenbar auch das BKA so und sortierte in seiner Datei | |
kräftig aus. Laut Schaar sei schon während des Prüfbesuchs eingeräumt | |
worden, dass etliche „Personendatensätze nicht hätten gespeichert werden | |
dürfen“. Das Innenministerium nannte als Grund zudem verkürzte | |
Speicherfristen. | |
Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke attestierte der Polizei ein | |
„schwerwiegendes Problem“: Es gehe nicht an, dass Hunderte politisch Aktive | |
„nur aufgrund eines vagen Verdachtes, ohne jegliche Anhaltspunkte, in | |
Polizeidateien landen“. Offenbar fehle es „im Polizeiapparat, bis hinauf zu | |
seiner Spitze, an jeglicher Sensibilität für den Stellenwert der | |
Grundrechte“. Das Innenministerium versprach Besserung: So seien beim BKA | |
zum Thema Datenschutz „Fortbildungen intensiviert, Mitarbeiter | |
sensibilisiert und neue Fachunterlagen erstellt“ worden. | |
## Wirklich „besorgniserregend“? | |
Der Streit, wo linke Gewalt anfängt, ist nicht neu. Erst kürzlich | |
präsentierte das Innenministerium Zahlen aus dem Vorjahr: Demnach gab es | |
2014 bundesweit 8.113 linke Straftaten, etwas weniger als im Vorjahr. | |
Damals verwies de Maizière aber auf einen Anstieg um 40 Prozent und warnte | |
vor einer „besorgniserregenden Entwicklung“. | |
Allerdings: Auch hinter diesen Delikten verbergen sich vielfach „Verstöße | |
gegen das Versammlungsgesetz“, nicht wenige davon Sitzblockaden – an denen | |
sich auch einfache Bürger oder Parteipolitiker beteiligen. 2014 machten | |
diese Verstöße 1.137 der 8.113 Straftaten aus. Dazu kamen 3.625 nicht näher | |
beschriebene Sachbeschädigungen. Die Zahl tatsächlicher Körperverletzungen | |
lag bei 924. | |
27 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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