# taz.de -- Neue ukrainische Regierung: Timoschenko will nach Deutschland | |
> Westliche Diplomaten weilen zu Gesprächen in Kiew. Die Wahl eines neuen | |
> Ministerpräsident wurde verschoben. Russland erhöht den Druck auf die | |
> Regierung. | |
Bild: Herr Janukowitsch, Sie haben das was an der Nase. | |
DÜSSELDORF/KIEW afp/rtr | Die freigelassene ukrainische | |
Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko will sich wegen eines | |
Rückenleidens in Deutschland behandeln lassen. Die 53-Jährige werde noch an | |
einem Treffen der Europäischen Volkspartei in Dublin teilnehmen und sich | |
dann in die Berliner Charite begeben, teilte ihre Partei am Montag mit. | |
Sie nehme eine Einladung von Kanzlerin Angela Merkel an. Einzelheiten | |
wurden zunächst nicht bekannt. Die Konferenz der EVP ist am 6. und 7. März. | |
Deutschland hatte mehrfach angeboten, die unter einer | |
Bandscheibenerkrankung leidende Timoschenko in der Charite behandeln zu | |
lassen. | |
Die Politikerin war am Samstag wenige Stunden nach dem Sturz des | |
ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch aus einem Krankenhaus | |
entlassen worden, wo sie von Gefängniswärtern bewacht wurde. Die frühere | |
Ministerpräsidentin war 2011 wegen Machtmissbrauch verurteilt worden. | |
Am Samstagabend trat die Politikerin bei einer Demonstration in Kiew im | |
Rollstuhl auf. Dabei gab sie aber nicht bekannt, welche Pläne sie verfolgt. | |
Viele rechnen damit, dass sie bei der Präsidentenwahl am 25. Mai antritt. | |
Timoschenko setzt sich anders als Janukowitsch für einen EU-Beitritt ihres | |
Landes ein. Der gestürzte Präsident wollte die Ukraine dagegen enger an | |
Russland binden. | |
## Neuer Ministerpräsident | |
Unter Zugzwang gesetzt durch einen drohenden Staatsbankrott will das | |
ukrainische Parlament nun doch erst am Mittwoch einen neuen | |
Ministerpräsidenten bestimmen. | |
Die für Dienstag geplante Bildung einer Übergangsregierung in der Ukraine | |
ist um zwei Tage verschoben worden. Als neuen Termin nannte | |
Übergangspräsident Alexander Turtschinow den Donnerstag. Die | |
Übergangsregierung soll das Land nach dem Sturz von Staatschef Viktor | |
Janukowitsch zu Neuwahlen am 25. Mai führen, Kandidaten für den Posten des | |
Ministerpräsidenten waren bis zuletzt aber nicht bekannt. | |
Ranghohe Besucher aus den USA und Brüssel wollen den Neustart in Kiew am | |
Dienstag unterstützend vorantreiben. Zunächst führt das Parlament seine | |
tags zuvor begonnenen Beratungen zur Regierungsbildung am Vormittag weiter. | |
Über mögliche Nachfolger des inzwischen untergetauchten prorussischen | |
Staatschefs Viktor Janukowitsch wird dabei noch nicht entschieden. | |
Allerdings können laut Übergangspräsident Alexander Turtschinow ab sofort | |
alle Ukrainer ihre Bewerbung für das höchste Staatsamt einreichen. Gewählt | |
wird der neue Präsident voraussichtlich am 25. Mai. | |
Die USA, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union | |
haben bereits ihre Bereitschaft zu Finanzhilfen signalisiert, um dem nach | |
dreimonatigen Massenprotesten in seinen Grundfesten erschütterten Land | |
wirtschaftlich auf die Beine zu helfen. Das Finanzministerium in Kiew | |
bezifferte den Finanzbedarf bis Ende 2015 auf umgerechnet 25 Milliarden | |
Euro und schlug eine internationale Geberkonferenz vor. | |
## „Massenmord an friedlichen Zivilisten“ | |
Das Auswärtige Amt plädiert dafür, mögliche Finanzhilfen für die Ukraine an | |
strikte Bedingungen zu knüpfen. „Voraussetzung für Hilfen ist politische | |
Stabilität und eine Übergangsregierung, mit der man verbindlich einen | |
Hilfs- und Stabilisierungsplan entwickeln kann“, sagte der für | |
Europaangelegenheiten zuständige Staatsminister Michael Roth (SPD) | |
Handelsblatt Online. | |
Europäische Hilfe müsse zwar „rasch und umfassend“ erfolgen, aber auch mit | |
den USA, dem IWF und Russland abgestimmt werden. „Eine instabile und | |
zahlungsunfähige Ukraine ist eine große Gefahr für Europa und alle | |
Nachbarn“, sagte Roth. | |
Janukowitsch war am Samstag vom Parlament abgesetzt worden, nachdem die | |
Opposition die Macht in der Volksvertretung übernommen hatte. Gegen ihn und | |
rund 50 weitere Funktionäre sowie Vertreter der Sicherheitsdienste wurde | |
Haftbefehl wegen „des Massenmords an friedlichen Zivilisten“ erlassen, wie | |
Übergangs-Innenminister Arsen Awakow mitteilte. | |
## Anstieg der Ölpreise | |
Janukowitschs einstweiliger Nachfolger Turtschinow, ein Vertrauter der aus | |
dem Gefängnis freigelassenen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, wird | |
von Moskau nicht voll anerkannt. „Es erscheint mir als eine Verirrung, für | |
legitim zu halten, was in Wahrheit das Ergebnis einer bewaffneten Revolte | |
ist“, sagte der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew am Montag. Sein | |
Außenministerium warf der neuen Führung in Kiew „diktatorische und teils | |
terroristische Methoden“ vor. | |
Während sich der russische Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag am Rande | |
eines Besuchs in Luxemburg äußern dürfte, wurde in Kiew | |
US-Vizeaußenminister William Burns erwartet. Burns ist der ranghöchste | |
Vertreter Washingtons, der dem Krisenland seit Dezember einen Besuch | |
abstattet. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wollte ihre | |
zweitägigen Gespräche in Kiew fortsetzen, der britische Außenminister | |
William Hague kündigte ebenfalls eine baldige Visite an. | |
Die Staatskrise in der Ukraine führte am Montag schon zu einem Anstieg der | |
Ölpreise. Analysten führten dies auf Befürchtungen zurück, dass Russland | |
seine Erdgaslieferungen aus Ärger über die Entwicklungen in Kiew aussetzen | |
könnte. | |
25 Feb 2014 | |
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