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# taz.de -- Grünen-Abgeordnete über Maidan: „Die waren nicht zimperlich“
> Marieluise Beck reist als Mitglied des Bundestags regelmäßig in die
> Ukraine. Die Grüne war auch bei den Protesten auf dem Maidan in Kiew.
Bild: Zentraler Ort der Revolte: der Maidan in der Hauptstadt Kiew.
taz: Sie kennen Kiew gut. Wie war vergangene Woche Ihr Eindruck dort?
Marieluise Beck: Niemand hat mit so einer rasanten Implosion des Regimes
gerechnet. Als ich am Flughafen ankam, wusste ich gar nicht, wie ich in die
Stadt kommen sollte. Natürlich bin ich als Mitglied des Deutschen
Bundestages unterwegs, aber ich hatte nicht um Unterstützung der deutschen
Botschaft gebeten. Ich war die meiste Zeit auf dem Maidan-Platz. Abends saß
ich dann mit Freunden im Hotel Ukraina, in dem die internationale Presse
untergebracht ist. Die Stimmung hat mich sehr an Sarajevo vor 20 Jahren
erinnert.
Wie konnten die Demonstrationen auf dem Maidan-Platz solche Ausmaße
erreichen?
Es ist kaum bekannt, dass der Ursprung der Demonstrationen auf einen
afghanischstämmigen Journalisten zurückgeht, der sich auf Facebook mit
Freunden verabredete, als klar war, dass Präsident Janukowitsch den
EU-Assoziationsvertrag nicht unterzeichnen wird. Als dieser dann von den
Sicherheitskräften diese friedlich Protestierenden niederknüppeln ließ,
gingen massenhaft Menschen auf die Straße. Damit kippte der Protest. Nun
ging es nicht mehr um die EU, sondern nur noch um das korrupte Regime.
Hatten Sie Angst?
Nein. Wenn ich in Krisengebieten bin, bin ich den Menschen oft sehr nah.
Welche Rolle spielt der „rechte Sektor“ bei den Demos?
Es gibt einen rechten Sektor, der ist aber nie bestimmend gewesen. Die
politischen Führer der Ukraine sind immer wieder mit leeren Händen auf den
Maidan gekommen. Da die von ihnen ausgehandelten Kompromisse nie eingelöst
wurden, sind radikale Kräfte stärker geworden. Zum Beispiel hat eine Gruppe
von Afghanistan-Veteranen die Sicherheitsstruktur gegen eingeschleuste
Provokateure auf dem Maidan aufgebaut. Die waren nicht zimperlich.
Wie beeinflusst die große Aufmerksamkeit in der ganzen Welt die
Geschehnisse?
Der russische Außenminister hat in München gesagt, dass die Juden in der
Ukraine Angst haben und der Maidan eine rechtsradikale, nationalistische
Bewegung sei. Das war eine richtige Desinformationskampagne aus Moskau, um
die Solidarität im Westen zu untergraben. Es ist absurd, wie gut das
funktioniert hat. Ich bin fassungslos, wie sehr sich die Linkspartei diese
Propaganda zu eigen gemacht hat. Es schmerzt mich, wenn Menschen in einem
Volksaufstand gegen ein korruptes Regime ihr Leben lassen und sie dann in
dieser Weise diskreditiert werden.
Wird Julia Timoschenko nach ihrer Freilassung in die Politik zurückkehren?
Sie hat nicht mehr diese elektrisierende Kraft auf die Menschen wie früher.
Eine gewisse Skepsis gegenüber Timoschenko ist berechtigt, auch wenn sie zu
unrecht im Gefängnis saß. Allerdings trug sie mit ihrem überzogenen
Machtanspruch große Verantwortung dafür, dass der Erfolg der „orangenen
Revolution“ verspielt worden ist. Hoffentlich kann sie allein keine
dominierende Rolle mehr spielen.
Wer wird nun Präsident?
So seltsam es klingen mag: Ich wäre durchaus erleichtert, wenn der
Schokoladen-Oligarch Petro Poroschenko Ministerpräsident würde. Er hat
meines Erachtens die Autorität und Klugheit, den Zusammenhalt des Landes zu
organisieren.
Wie wird sich das Verhältnis der Ukraine zu Europa entwickeln?
Angela Merkel hat vermieden, eine direkte EU-Perspektive auszusprechen. Das
war innenpolitisch motiviert. Die Ukraine muss selbst entscheiden können,
wo sie hin will. Die Hauptsache ist jetzt, die Insolvenz des Staates zu
verhindern.
Wird das mit Geldern aus den USA und Europa möglich sein?
Das wird eine große Herausforderung. Westliche Gelder sind zurecht an
Transparenz und Rechtsstaatlichkeit gebunden. Wenn man überlegt, wie schwer
selbst die Transformation der neuen Bundesländer war, so ist vollkommen
klar, dass eine unendlich schwierige Zeit auf die Ukraine zukommt. Das
liegt sowohl am institutionellen Vakuum, als auch an einer veralteten
Industriestruktur. Ein Modernisierungsprozess bedeutet aber, dass es auch
Verlierer geben wird und die werden eher im Osten der Ukraine leben.
Wie blickt Bremen nach Kiew?
Ich bin sicher, dass in Bremen das Bewusstsein da ist, dass Ost- eigentlich
Mitteleuropa ist.
24 Feb 2014
## AUTOREN
Kornelius Friz
## TAGS
Ukraine
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