# taz.de -- Umsturz in der Ukraine: Opposition krempelt System um | |
> Frühestens am Montag soll ein neuer Regierungschef gewählt werden. Die | |
> bisherige Regierungspartei sagt sich vom abgesetzten Präsidenten | |
> Janukowitsch los. | |
Bild: Schwerer Stand: In Kiew legten Demonstranten schon im Dezember eine Lenin… | |
KIEW dpa/afp/rtr | In Kiew ist die Lage am Sonntag ruhig. Mit Patrouillen | |
bewachte die Opposition weiter die Barrikaden am Maidan. In der Innenstadt | |
haben am Sonntag erstmals seit Tagen wieder die Geschäfte geöffnet. | |
Allerdings kam es zu vereinzelten Vorfällen: So wurde das Büro der | |
Kommunistischen Partei - die mit dem abgesetzten Präsidenten Viktor | |
Janukowitsch verbündet war - gestürmt. | |
In den vergangenen Tagen seien vor allem im proeuropäischen Westen des | |
Landes rund 40 Lenin-Statuen vom Sockel gestürzt oder beschädigt worden, | |
berichteten ukrainische Medien am Sonntag und deuteten dies als Hinweis auf | |
eine Spaltung des Landes. Im überwiegend prorussischen Osten hatten mehrere | |
politische Amtsträger am Samstag die Entscheidung des Parlaments in Kiew | |
zur Absetzung Janukowitschs in Frage gestellt. In Sewastopol auf der | |
Halbinsel Krim war für Sonntagmittag eine prorussische Demonstration | |
angekündigt. | |
Nach der Machtübernahme in der krisengeschüttelten Ukraine besetzt die | |
bisherige Opposition rasch alle wichtigen Posten. Das Parlament in Kiew | |
bestimmte am Sonntag seinen neuen Chef Alexander Turtschinow zugleich zum | |
Übergangspräsidenten. Die Abgeordneten votierten dafür, dem Vertrauten von | |
Oppositionsführerin Julia Timoschenko vorübergehend die Vollmachten des | |
Staatschefs zu übertragen. | |
Das Parlament hatte bereits Präsidentenwahlen für den 25. Mai angesetzt. | |
Dann will auch Timoschenko kandidieren. Der Oppositionspolitiker Vitali | |
Klitschko hatte schon vor Monaten seine Bewerbung angekündigt. Der | |
abgesetzte Staatschef Viktor Janukowitsch hat jedoch bisher nicht seinen | |
Rücktritt erklärt. Turtschinow rief die Parlamentarier zudem dazu auf, sich | |
bis diesen Dienstag auf ein „Kabinett des nationalen Vertrauens“ sowie eine | |
Koalition zu einigen. | |
## Neuer Regierungschef soll am Sonntag gewählt werden | |
Das Parlament wählt frühestens an diesem Montag einen neuen Regierungschef. | |
Die Oberste Rada vertagte sich am Sonntag, ohne über die wichtige | |
Personalie zu entscheiden. Timoschenko, die bereits zweimal das Amt | |
ausgeübt hatte, sei ebenso eine Kandidatin wie ihr Fraktionschef Arseni | |
Jazenjuk, sagte Tomenko bei der live im Fernsehen übertragenen Sitzung. | |
Timoschenko war am Vortag nach rund zweieinhalb Jahren aus ihrer | |
umstrittenen Haft entlassen worden. Nur Stunden später hielt die erkrankte | |
Politikerin eine emotionale Rede vor zehntausenden Menschen auf dem | |
Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew. Sie saß dabei im Rollstuhl. Am | |
Sonntag telefonierte Bundeskanzlerin Angela merkel mit Timoschenko. | |
Wo sich Janukowitsch aufhält, war weiter unklar. Die bisherige | |
Regierungspartei machte den abgesetzten Präsidenten und seine engsten | |
Vertrauten in einer Mitteilung persönlich für die Lage im Land | |
verantwortlich. Die Partei warf ihm „kriminelle Handlungen“ vor. | |
Janukowitsch und andere hätten die Ukrainer gegeneinander aufgehetzt. | |
Awakow sagte, 64 bei den Protesten festgenommene Regierungsgegner seien auf | |
freien Fuß gesetzt worden. Drei weitere würden vermutlich nach | |
Gerichtsentscheidungen an diesem Montag entlassen. Zudem habe er interne | |
Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen 30 Mitglieder seiner Behörde | |
einleiten lassen, sagte Awakow. Dabei gehe es um ihre Rolle bei den | |
blutigen Straßenkämpfen zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern | |
in Kiew, bei denen mindestens 82 Menschen getötet worden waren. | |
## Verbot von Janukowitschs Partei gefordert | |
Der bisherige Regierungschef Nikolai Asarow war Ende Januar auf Druck der | |
Opposition zurückgetreten. Seine Minister waren seither nur noch | |
kommissarisch im Amt. Sie wurden am Sonntag offiziell vom Parlament | |
gefeuert. Die Regierungsgegner hatten in der Nacht zu Samstag die Kontrolle | |
in Kiew übernommen. | |
In einem weiteren Antrag wollten die Parlamentarier später ein Verbot der | |
bisher regierenden Partei der Regionen von Janukowitsch sowie der | |
verbündeten Kommunisten diskutieren. | |
Der Internationale Währungsfonds IWF zeigte sich bereit, das nahezu | |
bankrotte Land zu unterstützen. „Wenn die ukrainischen Behörden sich an den | |
IWF wenden, sei es mit der Bitte um Beratung, sei es wegen Diskussionen | |
über finanzielle Hilfen, gekoppelt an Wirtschaftsreformen, stehen wir | |
selbstverständlich bereit“, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde beim Treffen | |
der G20-Finanzminister in Sydney. Nötig seien aber legitimierte | |
Gesprächspartner. | |
Auf frisches Geld aus Russland muss die Ukraine hingegen weiter warten. Der | |
russische Finanzminister Anton Siluanow bekräftigte einmal mehr, dass | |
Moskau zunächst die Regierungsbildung abwarten wolle, bis es von Kremlchef | |
Wladimir Putin zugesagte Milliardenhilfen weiter auszahle. Der britische | |
Außenminister William Hague hat Russland zur Zurückhaltung in der Ukraine | |
aufgerufen. Russland dürfe den freien Handel der Ukraine mit der EU nicht | |
blockieren. | |
Janukowitsch hatte Ende November auf Druck Russlands ein historisches | |
Abkommen mit der EU über engere Zusammenarbeit auf Eis gelegt - der | |
Auslöser für die Proteste, die schließlich zu seinem Sturz führten. | |
23 Feb 2014 | |
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