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# taz.de -- Netzschau Erdogan: „Dann gehen wir halt auf die Straße“
> Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will im Internet
> einmarschieren. Was sagt das Internet dazu? Es protestiert und – lacht.
Bild: Ob auf der Straße oder im Netz – Erdogan hat nirgendwo Ruhe vor Protes…
BERLIN taz | Wirklich überrascht war von der Ankündigung des türkischen
Ministerpräsidenten, nach der Kommunalwahl am 30. März [1][Facebook und
Youtube zu sperren], niemand. Nach dem zur nachtschlafenden Zeit
beschlossenen Gesetz zur [2][Internetzensur] und den zahlreichen auf
Youtube veröffentlichten kompromittierenden [3][Tonbandaufnahmen] hatten
manche schon früher mit einer solchen Maßnahme gerechnet. „Wir werden diese
Nation nicht Facebook und Youtube zum Fraß vorwerfen“, hatte Erdogan gesagt
und vielleicht nur in der Aufregung der Live-Sendung Twitter vergessen, das
er bereits zu Beginn der Gezi-Proteste als „Plage“ [4][beschimpft hatte].
Die großen Fernsehsender haben die Mitschnitte bislang nicht gezeigt; der
Schlagabtausch zwischen der Regierung und der Gülen-Bewegung, aus deren
Reihen die Veröffentlichungen stammen dürften, findet im Internet statt.
Der Rest der türkischen Gesellschaft blickt gespannt auf die Kommunalwahl
und spekuliert darüber, was bis dahin noch veröffentlicht werden wird –
ganz so, als ginge es um das Staffelfinale einer Fernsehserie.
Anders als bei den Gezi-Protesten im Frühjahr vergangenen Jahres ist die
türkische Zivilgesellschaft in dieser Staffel in der Zuschauerrolle. Die
Regie führen die Gülen-Leute, die sich in den vergangenen Jahren im Wissen
und mit Billigung der AKP im [5][Sicherheitsapparat und der Justiz]
eingenistet hatten, ehe dieses Bündnis zerbrach.
Natürlich ließen die Reaktionen der türkischen Netzcommunity auf die
jüngste Ankündigung [6][wieder nicht lange] auf sich warten. Während sich
manche Sorgen um die Zukunft von Melih Gökçek – im Hauptberuf
[7][Twitter-Taliban] und nebenher Bürgermeister von Ankara – machen („Dann
wird Gökçek arbeitslos“) und sich andere darüber empörten, dass in der
Türkei offenbar alles verboten sei außer der Korruption, gibt es
kämpferische Antworten: „Sollen die Facebook schließen, dann werde ich
meine Statusmeldungen künftig von der Straße brüllen. Eigentlich keine
schlechte Idee“, schreibt beispielsweise der Twitter-User [8][„Bay Miro“].
Ähnlich formuliert es der [9][„Gavur Adam“]: „Dann würden wir gar nicht
mehr nach Hause gehen und auf der Straße rebellieren. Wunderbar!“
## Tapebook statt Facebook
Während bei manchen Kommentatoren der Zynismus überwiegt („Wir kriegen
jetzt die fortgeschrittene Demokratie, die wir verdienen“), zeigen sich
andere gelassen: „Das Internet kann man nicht kontrollieren“, meint der
Twitter-User [10][Tuncay Opçin]. „Man kann jedes Verbot unterlaufen. Wenn
du nicht willst, dass dein Diebstahl bekannt wird, darfst du nicht
stehlen.“ Da in der Türkei derzeit über 10.000 Seiten gesperrt sind und
auch der Zugang zu Youtube über [11][//:zwei Jahre lang unterbunden] war,
kennen in der Türkei viele die kleinen Tricks, mit denen man eine
[12][Internetsperre umgehen] kann. Oder, wie es der User
[13][„selfmachine“] auf den Punkt bringt: „Facebook wird geschlossen,
Tapebook geöffnet, no problemo.“
Eine ganz andere Frage stellt hingegen die Userin [14][Ceren Moray]: „Kein
Mensch fragt: Herr Ministerpräsident, warum wollen Sie das erst nach dem
30. März verbieten?“ Die Antwort: Vielleicht ist sich Erdogan sicher, die
Wahl zu gewinnen und will vorher keine Massenproteste riskieren. Vielleicht
ist aber alles ganz anders. Die Türken mögen einen Hang zu
Verschwörungstheorien haben. Aber es ist nicht so, dass sie dafür keine
Gründe hätten.
7 Mar 2014
## LINKS
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[8] http://twitter.com/malibortucene
[9] http://twitter.com/kayahandro
[10] http://twitter.com/tuncayopcin
[11] http://onlinetaz.hal.taz.de/http
[12] http://www.proxy-listen.de/
[13] http://twitter.com/selfmachine
[14] http://twitter.com/kayitsizhal
## AUTOREN
Deniz Yücel
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