# taz.de -- Kein Boykott der Paralympics: Die Ukraine bleibt in Sotschi | |
> Die ukrainische Mannschaft reist vorerst nicht von den Winterspielen ab. | |
> Das Internationale Paralympische Komitee reagierte maximal unangemessen. | |
Bild: Emotionale Pressekonferenz: Waleri Suskewitsch (r.) am Freitag in Sotschi | |
SOTSCHI dpa/taz | Bis zum Tag der Eröffnungsfeier hatte das ukrainische | |
Team mit sich gerungen. Antreten? Abreisen? Am Ende entschied es sich trotz | |
der politischen Lage auf der Krim für einen weiteren Schritt der Diplomatie | |
und die Teilnahme an den Paralympics. Ein halbstündiges persönliches | |
Gespräch von Wladimir Putin mit dem ukrainischen Verbandspräsidenten Waleri | |
Suskewitsch am Donnerstagabend dürfte seinen Anteil daran gehabt haben. | |
„Wir bemühen uns um eine Sache: dass es keinen Krieg gibt während der | |
Paralympics“, kommentierte ein emotionsgeladener Suskewitsch im völlig | |
überfüllten Raum „Dostojewski“ des Main Press Centers von Sotschi. „Ich | |
bete dafür. Die Paralympics können der Welt helfen, Frieden zu finden. Ich | |
hoffe, dass der Wunsch nach Demokratie und Menschenrechten und nach Frieden | |
erhöht wird, vor allem von Putin.“ | |
Fast eine Stunde dauerte die spontane Pressekonferenz von Suskewitsch, | |
sonst eher ein No-Name auf der internationalen sportpolitischen Bühne. Der | |
Chef der ukrainischen Delegation ließ keinen Zweifel daran, dass seine | |
Mannschaft im Fall eines Kriegsbeginns während der Spiele sofort abreisen | |
werde. „Meine Angst ist, dass trotzdem etwas Unheilvolles passieren kann. | |
Beim Allerschlimmsten gehen wir heim“, sagte er. | |
Von deutscher Seite fand die Entscheidung große Anerkennung. „Das finde ich | |
ein mutiges Zeichen, an der Stelle zu zeigen: Wir sind hier als nationales | |
Team eines souveränen Staates“, sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident | |
des Deutschen Behindertensport-Verbandes (DHB), auf seiner Fahrt zur | |
Eröffnungsfeier. Und weiter: „Das ist stärker als wenn sie gesagt hätten, | |
wir boykottieren, weil jetzt alle Augen auf die Ukraine gerichtet sind.“ | |
## Fähnchenverzicht als Protest | |
Das deutsche Team kündigte an, als stillen Protest gegen die russische | |
Ukraine-Politik ohne Fähnchen bei der Eröffnungsfeier einmarschieren zu | |
wollen. Nach dpa-Informationen hatte das Team ursprünglich mit russischen | |
und deutschen Fähnchen winken wollen. | |
Und was fällt den Ausrichtern vom Internationalen Paralympischen Komitee | |
(IPC) zu alldem ein? Eine Rüge. Während der Willkommenszeremonie im | |
Athletendorf am Donnerstag hatten die ukrainischen Sportler laut ihre | |
Nationalhymne mitgesungen und mit Sprechchören („Frieden für die Ukraine“) | |
auf sich aufmerksam gemacht. Das IPC reagierte mit einer offiziellen | |
Untersuchung, dem ukrainischen Team drohen Sanktionen. | |
Es werde geprüft, ob Teammitglieder gegen die Charta der Spiele verstoßen | |
hätten. „Wenn es ein politischer Protest gewesen sein sollte, wären wir | |
enttäuscht“, sagte ein IPC-Sprecher, „hier in Sotschi soll der Sport und | |
nicht die Politik im Vordergrund stehen.“ | |
## Tränen in den Augen | |
Suskewitsch berichtete von bewegenden Eindrücken selbst von vielen | |
russischen Volunteers bei der Zeremonie. „Einfache Passanten riefen uns | |
etwas zu, man hörte nur das Wort Frieden, es gab keinen Unbeteiligten.“ Als | |
die Nationalhymne ertönte und pikanterweise das russische Militär dazu | |
salutierte, „hatten alle Tränen in den Augen, als wir an unser Volk und | |
unser Land dachten“, kommentierte er und ergänzte: „Wir haben den Beschluss | |
gefasst, die Fahne einer unabhängigen, souveränen Ukraine zu hissen.“ | |
Unterdessen hat sich Russlands Regierung erneut gegen eine Politisierung | |
der Wettkämpfe ausgesprochen. „Festtage des Sports, besonders solche wie | |
die Paralympischen Spiele, sollten sich nicht unter dem Einfluss der | |
Politik befinden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Dies habe Präsident | |
Putin am Vortag auch Suskewitsch bei dem Treffen gesagt. | |
Abseits der Politik sorgte der erste Doping-Fall der Spiele für Aufsehen. | |
Der italienische Sledgehockey-Spieler Igor Stella wurde positiv auf das | |
anabole Steroid Clobetasol getestet. Die Substanz soll in einer Salbe | |
enthalten sein, die Stella nach eigenen Angaben zur Behandlung von | |
Wundliegegeschwüren benutzt hatte. Der 23 Jahre alte Athlet wurde bis zur | |
Öffnung der B-Probe suspendiert. | |
7 Mar 2014 | |
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