Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zukunft der Paralympics: Botschafter aus Russland
> Nach den Winterspielen von Sotschi geht es jetzt um echte Fortschritte im
> deutschen Behindertensport – und darum, den Nachwuchs zu fördern.
Bild: Will das Interesse von Jugendlichen wecken: Snowboarder Stefan Lösler.
SOTSCHI taz | Als einziger Deutscher nahm Stefan Lösler an der
paralympischen Premiere im Snowboardcross teil. Lösler, der nach einem
Autounfall das linke Bein verloren hatte, trat gegen Athleten an, denen ein
Unterschenkel fehlte. Ein Punktesystem, das die Unterschiede ausgleichen
soll, ist noch in der Entwicklung. So belegte Lösler am Ende den 22. Platz,
doch das war ihm egal: „Ich hoffe, wir haben einen Grundstein gelegt und
das Interesse von jungen Leuten geweckt.“
Das deutsche Team hat bei den Winter-Paralympics in Sotschi 15 Medaillen
gewonnen, davon neun in Gold. Vor vier Jahren in Vancouver waren es 24
Medaillen gewesen, dreizehn in Gold. Man sollte daraus keine Misere
schließen, in beiden Fällen haben wenige Sportler die großen Erfolge
ermöglicht, in Sotschi vor allem die Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber,
sie gewann fünf Mal Gold.
Bei den Olympischen Spielen vor wenigen Wochen waren 153 deutsche Athleten
vertreten, bei den Paralympics dreizehn. In den fünf paralympischen
Wintersportarten ist die Konkurrenz mitunter dünn, das zeigte die
Super-Kombination in der sitzenden Klasse: Nur Schaffelhuber und ihre
deutsche Kollegin Anna-Lena Forster kamen ins Ziel, alle anderen waren
ausgeschieden.
Dieses Verhältnis spricht nicht gegen die Leistung von Anna Schaffelhuber,
sondern für einen nachhaltigeren Blick auf den Behindertensport. Das
bedeutet nicht, nun auf die Schnelle einen Leistungsstützpunkt für
Snowboard gründen zu müssen, sagt Ludger Elling, Vizepräsident des
Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) für Bildung und Lehre: „Jedes
Kind mit einer Behinderung sollte die Wahl haben, Sport treiben zu dürfen.“
Je größer die Wahlmöglichkeiten sind, desto größer wird die Konkurrenz bei
den Weltspielen: „Wir brauchen die Paralympier als zugkräftige
Botschafter.“ Zum Beispiel Anja Wicker oder Andrea Eskau.
Der DBS vertritt den Sport in seiner Ganzheitlichkeit. Die dreizehn
Athleten in Sotschi haben einen Verband mit mehr als 650.000 Mitgliedern
vertreten. Die Gesellschaft wird älter, daher ist der DBS in den
vergangenen fünf Jahren um ein Drittel gewachsen. Die große Mehrheit ist im
Rehabilitationssport aktiv, ihr Durchschnittsalter liegt bei über sechzig
Jahren.
## Zufallstalente
Acht Millionen Menschen haben in Deutschland eine Behinderung, zehn Prozent
von ihnen sind sportlich aktiv. Von Kindern und Jugendlichen haben
bundesweit sechs Prozent eine Einschränkung. Bei ihnen liegt der
Organisationsgrad in den Sportvereinen bei vierzig Prozent. Das sei gut,
aber steigerungsfähig, sagt Friedhelm Julius Beucher, Präsident des DBS:
„Uns fehlt ein flächendeckendes Nachwuchssichtungssystem. Oft werden
Talente durch Zufall entdeckt.“
In den Wintersportarten spielt der Zufall eine größere Rolle, barrierefreie
Sportanlagen sind rar. Paralympische Leistungsstützpunkte gibt es in
Berchtesgaden für Ski Alpin, in Freiburg für Ski Nordisch und in Hannover
für Schlittenhockey.
Die zentrale Frage ist, ob es diese Stützpunkte geben muss. Die Vereinten
Nationen haben 2006 Inklusion zu einem Menschenrecht erhoben, die
gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen. Es geht dem DBS um
eine Angliederung an bestehende Strukturen: Trainingsstätten, Betreuung,
medizinische Versorgung. Olympia und Paralympics können logistisch nicht
zusammengelegt werden – Kreissportfeste, Freizeitturnen,
Antidopingschulungen sehr wohl.
## Berührungsängste abbauen
In der Leichtathletik oder im Schwimmen gibt es vielversprechende Projekte
für inklusiven Sport, an Standorten wie Leverkusen oder Berlin. Im
Wintersport aber gibt es wenige Partnerschaften. „Wichtig ist, dass wir
Berührungsängste abbauen“, sagt Karl Quade, Chef de Mission des deutschen
Teams. „Leider können wir nicht viel Geld mitbringen.“ Vom Deutschen
Skiverband war kein Vertreter zu den Paralympics gereist, mit Ausnahme des
ehemaligen Präsidenten Alfons Hörmann, der seit Dezember dem Deutschen
Olympischen Sportbund vorsteht.
Künftig will der DBS mehr auf die Fachverbände zugehen. „Kann ein Betreuer
oder Trainer von Nichtbehinderten im Rollstuhl sitzen?“ Fragen wie diese
stellt der Bildungsbeauftragte Ludger Elling bei seinen Vorträgen. Und
Sportarten wie Rollstuhlcurling oder Schlittenhockey können ebenso von
Nichtbehinderten betrieben werden wie Sitzvolleyball oder
Rollstuhlbasketball.
Von der Medaillenhatz in Sotschi muss der Verband nun wieder zweieinhalb
Jahre zehren, bis zu den Sommer-Paralympics in Rio. In dieser Zeit will der
DBS seine wichtigsten Projekte vorantreiben, zum Beispiel den
Schulwettbewerb „Jugend trainiert für Paralympics“. Er hat nun Werbeträge…
die die Herausforderungen nicht mehr ganz so groß erscheinen lassen, zum
Beispiel Anna Schaffelhuber – oder den rasenden Snowboarder Stefan Lösler.
16 Mar 2014
## AUTOREN
Ronny Blaschke
## TAGS
Schwerpunkt Paralympics 2024
Sotschi 2014
Behindertensport
Olympische Winterspiele 2022
Behindertensport
Fußball
Sotschi
Schwerpunkt Paralympics 2024
Ski Alpin
Schwerpunkt Paralympics 2024
Sotschi 2014
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rollstuhlbasketballerin Laura Fürst: Der Traum vom Titel
Am 16. August startet in Hamburg die Weltmeisterschaft im
Rollstuhlbasketball. Die Münchnerin Laura Fürst ist die Hoffnung der
deutschen Damen.
Fußball-ID-Weltmeisterschaft: Ein unbekannter Sport
In Brasilien hat die Fußball-WM für Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung begonnen. Der Fußball-ID-Sport hat mit vielen Problemen zu
kämpfen.
Vorletzter Tag der Paralympics: Medaillen sind nicht alles
Der blinde Biathlet Willi Brem wird in Sotschi die deutsche Fahne bei der
Abschlussfeier tragen. Am Samstag verpasste er mit der Langlauf-Staffel
allerdings einen Podestplatz.
Behinderte in Russland: Heraus aus dem Versteck
Putin will die Paralympics nutzen, um den Umgang mit Behinderten in der
Gesellschaft neu zu regeln. Laut Human Rights Watch ist das bitter nötig.
Paralympionikin Anna Schaffelhuber: Monoski und Marketing
Die Alpin-Ski-Fahrerin Anna Schaffelhuber ist das deutsche Gesicht der
Spiele von Sotschi. Sie steht für eine Professionalisierung im
Behindertensport.
Kein Boykott der Paralympics: Die Ukraine bleibt in Sotschi
Die ukrainische Mannschaft reist vorerst nicht von den Winterspielen ab.
Das Internationale Paralympische Komitee reagierte maximal unangemessen.
Dokumentation „Gold – Du kannst mehr als Du denkst“: Große Gefühle
Im Vorfeld der Paralympics in Sotschi erzählt die ARD am Donnerstag um
20.15 Uhr von drei behinderten Athleten, für die der Sport eine
existentielle Bedeutung hat
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.