# taz.de -- Fußball-ID-Weltmeisterschaft: Ein unbekannter Sport | |
> In Brasilien hat die Fußball-WM für Menschen mit intellektueller | |
> Beeinträchtigung begonnen. Der Fußball-ID-Sport hat mit vielen Problemen | |
> zu kämpfen. | |
Bild: Fußball-ID-WM-Finale 2006: Saudi-Arabien gewinnt gegen die Niederlande | |
BERLIN taz | Exakt einen Monat nach dem Titelgewinn der DFB-Auswahl findet | |
in Brasilien schon wieder eine Fußball-Weltmeisterschaft statt. Dieses Mal | |
im Fußball ID, also dem Fußball für Menschen mit intellektueller | |
Beeinträchtigung. Es ist bereits das vierte Mal, dass das Turnier in | |
demselben Land ausgetragen wird, das auch Gastgeber der Fifa-WM war. Im | |
Gegensatz zum großen Vorbild jedoch läuft alles um etliche Nummern kleiner | |
ab. Nur zwölf Teams haben für das Turnier gemeldet und ausgetragen werden | |
die Spiele zentral an einem Ort in São Paulo. | |
Im Gegensatz zur Fifa-WM gehört das deutsche Team dabei nicht zum | |
Favoritenkreis – anders als die drei Vorrundengegner. Gegen Polen, | |
Weltmeister Saudi-Arabien und Vizeweltmeister Niederlande wäre ein Einzug | |
ins Viertelfinale schon ein Erfolg. Der gelang dem Team des Deutschen | |
Behindertensportverbandes (DBS) vor vier Jahren im südafrikanischen | |
Polokwane. | |
2006 bei der WM im eigenen Land belegte es sogar den dritten Platz, wurde | |
jedoch nachträglich disqualifiziert. Die Intelligenztests des deutschen | |
Verbands zum Nachweis, dass die von ihm aufgestellten Spieler auch | |
tatsächlich intellektuell beeinträchtigt sind, entsprachen nicht den | |
Standards des internationalen Verbandes Inas. | |
Und tatsächlich liegt genau hier eines der größten Probleme des Fußballs | |
ID. Gemäß den Standards des Inas darf der IQ der Spieler nicht über 75 | |
liegen. Außerdem darf die Beeinträchtigung nicht erst im Erwachsenenalter | |
aufgetreten sein. Für die Vergleichbarkeit der Leistungen und zur | |
Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen mag all das auch sicher richtig | |
und notwendig sein. Für Inklusion und Teilhabe jedoch, immerhin zentrale | |
Leitlinien des Behindertensports, stellt es im Alltag allzu oft eine schwer | |
zu überwindende Hürde dar. | |
Im Alltagsgeschäft des Breitensports geht man daher vielerorts andere Wege, | |
um Teilhabe ohne viel Bürokratie zu ermöglichen. In der ID-Liga des | |
Behindertensportverbandes Berlin etwa dürfen alle spielen, die in einer | |
Einrichtung für Menschen mit Behinderungen leben oder in einer | |
entsprechenden Werkstatt arbeiten. Und wenn Freunde und Verwandte mitkicken | |
wollen, ist auf Antrag hin auch das möglich. Andere Spieler spielen ganz | |
regulär in der Kreis- oder Bezirksliga zusammen mit Menschen ohne | |
intellektuelle Beeinträchtigung. | |
## Unterstützer Ibrahimovic | |
Ein weiteres Problem, vor allem für die Nationalmannschaft: Viele | |
potenzielle Spieler, aber auch die entsprechenden Einrichtungen, kennen | |
Fußball ID überhaupt nicht. Bundestrainer Jörg Dittwar, früher | |
Bundesliga-Profi beim 1. FC Nürnberg und wie alle in seinem Team | |
ehrenamtlich aktiv, meint daher auch: „Es gibt in Deutschland sicher noch | |
bessere Spieler – aber wir wissen nicht, wo die sind.“ Und | |
selbstverständlich fehlt es auch an Geld. Seit der Europameisterschaft vor | |
zwei Jahren hat die Nationalmannschaft kein Spiel mehr ausgetragen. | |
Auch das schwedische Team leidet unter einem chronischen Geldmangel. Um die | |
Reise nach Brasilien finanzieren zu können hatte Co-Trainer Stefan Jonsson | |
daher bei keinem Geringeren als Zlatan Ibrahimović angefragt, ob er ein | |
Trikot für eine Versteigerung spenden würde. „Was zur Hölle willst du mit | |
einem Trikot? Was kostet die Reise?“, soll Ibrahimović geantwortet haben– | |
und überwies die benötigten knapp 40.000 Euro einfach selbst. | |
„Fußball sollte von jedermann gespielt werden, unabhängig von Geschlecht, | |
Behinderung oder nicht“, erklärte Ibrahimović wenig später dazu. Es wäre | |
schön, wenn diese Erkenntnis sich in mehr Köpfen durchsetzen würde. | |
13 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Jan Tölva | |
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