# taz.de -- Prozess um Kinderheime: Haasenburg will Geld vom Staat | |
> Das Brandenburger Ministerium ließ die Heime der Haasenburg GmbH | |
> schließen, diese zog vor Gericht. Jetzt könnte die Skandal-Firma | |
> Schadensersatz erhalten. | |
Bild: Was die Experten bei ihrer Untersuchung der Haasenburg-Heime vorfanden, b… | |
BERLIN taz | Im Rechtsstreit um die Schließung der Skandal-Heime der | |
Haasenburg GmbH in Brandenburg bietet das Oberverwaltungsgericht (OVG) | |
Berlin-Brandenburg einen Vergleich an. Das Gericht werde dem Betreiber und | |
dem Brandenburger Jugendministerium einen Vorschlag unterbreiten, sagte | |
Gerichtssprecherin Christiane Scheerhorn am Dienstag nach einem ersten | |
Erörterungstermin. | |
Das Ministerium hatte der Haasenburg GmbH wegen Misshandlungsvorwürfen im | |
Dezember vergangenen Jahres die [1][Betriebserlaubnis entzogen] und sich | |
dabei auf den Bericht einer sechsköpfigen Expertenkommission gestützt. | |
Nachdem der Betreiber mit einem Eilantrag gegen die Schließung vor dem | |
Verwaltungsgericht Cottbus [2][gescheitert war], zog er vor das OVG in | |
Berlin, das am Dienstag tagte. Am Montag [3][berichtete] der Berliner | |
Tagesspiegel: „Nach dieser Zeitung vorliegenden Prozessunterlagen sieht es | |
in dem OVG-Verfahren jetzt schlecht für das Bildungsministerium aus“. | |
Die Zeitung schreibt: „Anders als in Cottbus rückt nun ins Zentrum, dass | |
die externe Expertenkommission für die Aufklärung des Haasenburg-Skandals | |
zwar schwere Missstände in den Heimen gerügt, aber selbst ausdrücklich | |
keine Schließung empfohlen und keine aktuelle Kindeswohlgefährdung | |
festgestellt hatte.“ | |
Was die Experten bei ihrer [4][Untersuchung] vorfanden, bezeichnen sie | |
schon im Vorwort als „menschlich erschütternd“. Zwar sagte der | |
Kommissionsvorsitzende Martin Hoffmann laut Berliner Zeitung, eine | |
komplette Schließung aller Haasenburg-Heime „haben wir nicht empfohlen“. In | |
den Auflagen hingegen empfehlen die Experten den „Wechsel der | |
Trägerschaft“. Der 128-Seiten starke Bericht lässt zudem in seinen Details | |
(„sich eine Stunde lang im Entengang bewegen“ – eine Praxis, die auch in | |
den Jugendwerkhöfen in der SED-Diktatur angewandt wurde) kaum Spielraum für | |
wohlwollende Interpretationen. | |
## Neue Interpretation ohne neue Erkenntnisse | |
Dennoch schreibt der Tagesspiegel nun: Münch müsse jetzt „befürchten, dass | |
das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) die von ihr wegen der | |
Misshandlungsvorwürfe veranlasste Schließung der drei brandenburgischen | |
Haasenburg-Heime wieder aufhebt“. Neue Erkenntnisse, die über den | |
Expertenbericht hinausweisen, präsentiert die Zeitung nicht. Dass sich die | |
Haasenburg GmbH, auf deren Prozessunterlagen sich der Tagesspiegel stützt, | |
eine andere Interpretation des Berichts wünscht, ist nicht neu. | |
Umso erstaunlicher ist es, dass die Berliner Richter der Haasenburg GmbH | |
und dem Ministerium am Dienstag, einen Tag später, tatsächlich einen | |
Vergleich anbieten. Völlig „überraschend“ wie die Nachrichtenagentur dpa | |
schreibt. | |
Ministeriumssprecher Stephan Breiding sagte der taz noch am Montag: „Am | |
Ende haben wir aber eine fundierte Entscheidung getroffen.“ Ministerin | |
Martina Münch (SPD) gab sich zuversichtlich im Rundfunk Berlin-Brandenburg: | |
„Wir haben das sehr gut begründet, und ich halte diese Begründung auch nach | |
wie vor für absolut stichhaltig.“ | |
Spannend ist die juristische Entwicklung vor allem, wenn man sich das | |
Urteil der Cottbusser Richter ansieht, vor denen die Haasenburg GmbH | |
krachend gescheitert war. Es ist vom 13. Januar 2014 und [5][öffentlich | |
einsehbar]. | |
Die Cottbusser Richter schreiben: „Es liegen konkrete Anhaltspunkte dafür | |
vor, dass insbesondere durch die Praxis körperlicher Zwangsmaßnahmen und | |
eine nicht ausreichende kinderpsychiatrische und -psychologische Betreuung | |
das körperliche und seelische Wohl der Minderjährigen nicht unerheblich | |
gefährdet ist.“ | |
## Harrsches Urteil der Cottbusser Richter | |
Die Richter betonen, dass sie sich dabei auf den Bericht der | |
Sachverständigen stützen, deren Expertise mit keinem Antrag der Haasenburg | |
GmbH in Zweifel gezogen worden sei. In Bezug auf den Bericht heißt es | |
weiter, dieser attestiere der Haasenburg GmbH eine „überreglementierte | |
Pädagogik“, der es „weitgehend an einem sozialpädagogischen und | |
kinderpsychologischen Verstehen der betreuten Minderjährigen und ihrer | |
Entwicklung mangelt.“ Daher entspreche die „Konzeption der Antragstellerin | |
in dieser Form nicht den pädagogischen Standards und dem Zweck der | |
Einrichtung“. | |
Weiter heißt es, die „Kindswohlgefährdung offenbart sich am deutlichsten im | |
Bereich der sogenannten Anti-Aggressionsmaßnahmen“. Es liege der „Schluss | |
nahe, dass im Einzelnen wie auch konzeptionell eine Kindeswohlgefährung | |
vorlag“, schreiben die Richter. Am Schluss kritisieren sie die Haltung von | |
Christian Dietz, dem Gesellschafter und Gründer der Haasenburg GmbH, „der | |
hinsichtlich der durch das Landesjugendamt initiierten Entwicklung (die | |
Auflagen, die erteilt wurden, Anm. d.Red.) 'Verwässerung' in Konzept und | |
Praxis der Verhaltensmodifikation ebenso bedauert wie das Verbot der | |
mechanischen Fixierungen, die er für ein gegebenenfalls probates Instrument | |
in Überregungssituationen hält.“ | |
Und auch die Cottbusser Richter setzten sich bereits mit dem Argument, die | |
Kommission habe keine Schließung sondern nur Auflagen empfohlen, | |
auseinander und schreiben: „Die weitgehenden konzeptionellen und | |
praktischen Mängel lassen sich ersichtlich auch nicht durch nachträgliche | |
Auflagen beheben.“ Die Empfehlungen der Kommission zielten auf eine „nicht | |
umsetzbare völlige Neuorientierung“ des Trägers. | |
Wie nun die Berliner Richter des Oberverwaltungsgerichts ihr Angebot für | |
einen Vergleich begründen, dürfte daher interessant sein. Spannend wird | |
auch, ob sich die Ministerin angesichts der empirischen Sachlage auf einen | |
juristischen Winkelzug einlässt. Sie hätte womöglich der Öffentlichkeit zu | |
begründen, warum sie einer Firma Schadensersatz zahlt, in der Kinder und | |
Jugendliche zu Opfern wurden. Das Ministerium und die Haasenburg GmbH | |
erklärten laut dpa, sie wollten den Vergleichsvorschlag abwarten und | |
prüfen. | |
Der neue Geschäftsführer der Haasenburg GmbH, der Kaberettist „Bauer Korl“ | |
und [6][Unternehmer] Jörg Klingohr, sagte zu dem Vergleich laut dpa: „Das | |
wird vertraulich behandelt.“ Ministeriumssprecher Stephan Breiding sagte, | |
„es war eine sehr intensive und gute Erörterung“. Innerhalb der nächsten | |
zwei Wochen soll der Vorschlag vorliegen. | |
Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt wegen der Vorwürfe in rund 70 | |
Fällen gegen Erzieher und den Heimbetreiber. In den Heimen in Jessern | |
(Dahme-Spreewald), Müncheberg (Märkisch-Oderland) und Neuendorf am See | |
hatten Jugendämter aus ganz Deutschland Kinder und Jugendliche | |
untergebracht. | |
19 Mar 2014 | |
## LINKS | |
[1] /Aufschub-fuer-Heimschliessung/!129806/ | |
[2] /Geschlossene-Heime-der-Haasenburg/!130993/ | |
[3] http://www.tagesspiegel.de/berlin/misshandlungsvorwuerfe-brandenburg-droht-… | |
[4] /fileadmin/static/pdf/2013-11-06_Endbericht-der-Kommission-zur-Haasenburg_D… | |
[5] http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/40… | |
[6] http://www.golchenerhof.de | |
## AUTOREN | |
Kai Schlieter | |
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