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# taz.de -- Politische Lage in der Türkei: „Wir brauchen Europa nicht mehr“
> Nach den Kommunalwahlen ist die Lage in der Türkei gespannt. Während
> Jounalisten vor Gericht stehen, fordert ein Berater Erdogans die Abkehr
> des Landes von der EU.
Bild: Die Türkei verhandelt seit 2005 mit der EU über einen Beitritt, kommt d…
ISTANBUL/ANKARA afp/rtr | Ein Berater des türkischen Ministerpräsidenten
Recep Tayyip Erdogan hat sich für die Abkehr seines Landes von Europa
ausgesprochen. Die Türkei sei von Europa über Jahre benutzt, gedemütigt und
von oben herab behandelt worden, schrieb Yigit Bulut in der regierungsnahen
Zeitung Star vom Mittwoch. „Wir brauchen es heute nicht mehr“, fügte er mit
Blick auf Europa hinzu. Für die Zukunft empfahl Bulut der Türkei, die
Partnerschaft mit den USA zu stärken und „die Beziehung zu Europa
schleunigst zu beenden“.
Bulut betonte, die Weltordnung werde künftig von drei globalen Machtzentren
bestimmt: Neben den USA als „neuem Westen“ werde es einen aus Russland, der
Türkei, dem Nahen Osten und Eurasien bestehenden Block geben. Das dritte
Zentrum bestehe aus China, Indien und dem Iran. Europa werde in dieser
Machtverteilung keine Rolle mehr spielen. Die Türkei verhandelt seit 2005
mit der EU über einen Beitritt, kommt dabei aber nur langsam voran.
Bulut vertritt die Ansicht, dass die Türkei eine aufstrebende Macht sei und
dass der Westen diesen Aufstieg verhindern wolle. Im vergangenen Jahr
sorgte Bulut mit der These für Aufsehen, ausländische Kräfte arbeiteten an
einem Plan, Erdogan mit Hilfe von Gedankenübertragung zu töten.
Die türkische Justiz hat unterdessen Anklage gegen einen bekannten
Enthüllungsjournalisten wegen Verleumdung des Innenministers erhoben. Die
Staatsanwaltschaft fordere bis zu vier Jahre Gefängnis für den Reporter
Mehmet Baransu von der unabhängigen Zeitung Taraf. Die Anklage stütze sich
türkischen Medien zufolge auf eine Strafanzeige von Innenminister Efkan
Ala.
## Journalisten vor Gericht
Anlass für die Strafanzeige war ein Bericht Baransus im Dezember
vergangenen Jahres. Darin ging es um eine mutmaßliche Überwachung der
Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, eines ehemaligen
Unterstützers der Erdogan-Regierung, der sich mit dem Ministerpräsidenten
überworfen hat. Laut Baransu spielte der heutige Innenminister Ala als
damaliger Mitarbeiter des Ministerpräsidentenamts bei der Überwachung der
Gülen-Bewegung durch den Geheimdienst eine Schlüsselrolle.
Erst vergangene Woche hatte die türkische Justiz Anklage gegen einen
Taraf-Journalisten wegen Beleidigung Erdogans erhoben. Kritiker werfen dem
Ministerpräsidenten vor, die Pressefreiheit im Land immer weiter
einzuschränken. Erdogan hat in seiner elfjährigen Regierungszeit bereits
häufig Prozesse gegen Journalisten angestrengt. Zudem ließ die Regierung
Internetseiten wie Twitter und Youtube sperren, nachdem diese eine wichtige
Rolle bei der Verbreitung von Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung
gespielt hatten.
Diese hat in dem Zusammenhang den Eingang einer Spende von fast 100
Millionen US-Dollar für die Stiftung von Erdogans Sohn Bilal bestätigt.
Vizepremier Bülent Arinc teilte in der Antwort auf eine parlamentarische
Anfrage der Oppositionspartei CHP mit, das Geld sei aus dem Ausland
überwiesen worden. Von wem das Geld stammte, ist aber nicht bekannt. Die
CHP sieht die Millionenspende als weiteren Hinweis auf Korruption. Die
Oppositionspartei stellte die Frage, ob die Geldsumme ein hohes Schmiergeld
darstelle und welche Gegenleistung damit bezahlt werden sollte.
Die politische Lage im Land bleibt eineinhalb Wochen nach den
Kommunalwahlen weiter angespannt. Die Oberste Wahlkommission lehnte die
Forderung der CHP nach einer Wiederholung der Abstimmung in Ankara ab.
Diese hatte verlangt, dass das Wahlergebnis in der Hauptstadt aufgehoben
werde müsse. Dort war das Ergebnis denkbar knapp ausgefallen,
Betrugsvorwürfe waren laut geworden.
In Ankara hatten Tausende Anhänger der Opposition gegen das verkündete
Ergebnis protestiert, die Polizei hatte Wasserwerfer gegen die
Demonstranten eingesetzt. Der Bürgermeister-Kandidat der CHP in Ankara,
Mansur Yavas, hatte angekündigt, seine Partei werde im Streit um den
Wahlausgang notfalls vor das Verfassungsgericht ziehen.
10 Apr 2014
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