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# taz.de -- Türkische Oppositionspolitikerin Pavey: „Die Lösungen liegen vo…
> Die Abgeordnete Şafak Pavey kritisiert die eigene Regierung, nicht in die
> EU zu wollen. Und sie kritisiert die EU dafür, die Türkei nicht zu
> wollen.
Bild: Die AKP ziehe es vor, „im Sumpf des Nahen Ostens zu bleiben“, meint �…
taz: Frau Pavey, Sie haben einen großen Teil Ihres Lebens in Europa
verbracht. Gehört die Türkei zu Europa?
Şafak Pavey: Die Türkei ist ein europäisches Land und zugleich ein Land des
Nahen Ostens. Ich glaube, die Irritationen rühren aus dieser
Gleichzeitigkeit. Es gibt Regionen in der Türkei, die nicht weniger
entwickelt sind als Italien. Und andere, deren Armut an den Jemen erinnert.
Gehört die Türkei auch mit dieser Regierung zu Europa?
Sie hat nicht den Anspruch, die Türkei in die Europäische Union zu führen.
Sie zieht es vor, im Sumpf des Nahen Ostens zu bleiben. Seit 2007 schiebt
sie dem Ausland - also dem Westen - die Verantwortung für alle Probleme zu.
Diese Regierung will das Moderne, Europäische innerhalb der türkischen
Gesellschaft abschütteln.
Vor ein paar Jahren war in der Türkei ein Beitritt zur EU noch in aller
Munde, nicht nur unter Politikern, auch im Alltag der Leute. Das hat sich
geändert.
Das ist richtig, die Unterstützung für die EU schwindet. Einer der
wichtigsten Gründe dafür ist, dass die EU es abgelehnt hat, der Türkei eine
konkrete Beitrittsperspektive aufzuzeigen. Natürlich ist es noch ein langer
Weg bis zu einer Mitgliedschaft. Aber die EU gibt der Türkei zu erkennen,
dass sie nicht gewollt ist. Man spricht von einer "privilegierten
Partnerschaft" oder von einer Volksabstimmung über den türkischen Beitritt.
Bei der türkischen Bevölkerung kommt das so an: Sie wollen uns nicht
aufnehmen und sie werden uns nicht aufnehmen. Aber ich weiß, dass nicht
alle in Europa so über die Türkei denken, und glaube daran, dass diese
Beziehung wiederbelebt werden kann.
Wollen die Europäer denn die Türkei aufnehmen?
Das müssen Sie sie selber fragen.
Ihre Partei, die CHP, spricht auch nicht viel von der EU.
Wie kommen Sie darauf? Ich gehöre zu der Gruppe von CHP-Abgeordneten, die
als Parlamentier an den Beitrittsverhandlungen beteiligt sind. Wir sind
davon überzeugt, dass die derzeitigen fürchterlichen Mängel in Sachen
Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Sicherheit am Arbeitsplatz,
gewerkschaftliche Organisierung usw. mit der Übernahme der EU-Standards
behoben werden können. Meine Partei verbindet eine lange Geschichte mit der
EU.
Warum wollen Sie eigentlich in die EU?
In aller Kürze: Weil wir denken, dass die EU-Mitgliedschaft ein Projekt zur
Modernisierung und Entwicklung der türkischen Gesellschaft ist. Darum.
Sie waren zuletzt in der Unglücksstadt Soma.
Bei uns gibt es eine merkwürdige Kultur der Ignoranz. Die Lösungen liegen
vor uns, aber wir wollen sie nicht sehen. Der Ministerpräsident fragt, wie
der Westen das Sicherheitsproblem in Bergwerken gelöst hat, und zieht
hierfür den Westen des 19. Jahrhunderts heran. Dieser Regierung - trotz der
Privatisierung der Bergwerksindustrie hat hier das Energieministeriu0m das
Sagen - sind die Menschen gleichgültig, die sie unter Tage einen der
schwersten Jobs der Welt tun lässt. Ihr Denken ist nicht das Denken der EU,
erst recht nicht ihre Reaktionen nach der Katastrophe, als sie Anwälte
festnehmen ließ und die Polizei gegen protestierende Bergleute einsetzte.
Und mit der EU wäre ein solches Unglück nicht passiert?
Die Beitrittsverhandlungen sind für die Türkei die einzigartige
Gelegenheit, von den Erfahrungen aus 28 Ländern zu profitieren. Ein
Know-how-Transfer. Aber dafür muss man bereit sein, dieses Know-how zu
übernehmen.
26 May 2014
## AUTOREN
Deniz Yücel
## TAGS
CHP
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