# taz.de -- Atomkraft in Japan: Ausstieg aus dem Ausstieg | |
> Nach Fukushima wurden alle Atomkraftwerke abgeschaltet, nun will die | |
> japanische Regierung wieder in die Kernenergie einsteigen. Die Mehrheit | |
> der Bevölkerung ist dagegen. | |
Bild: Erst in diesem Monat kehrten die ersten Menschen nach der Fukushima-Katas… | |
TOKIO rtr | Drei Jahre nach der Atom-Katastrophe von Fukushima steigt Japan | |
wieder in die Kernenergie ein. Die Regierung von Ministerpräsident Shinzo | |
Abe verabschiedete am Freitag einen mehrjährigen Plan, der Atomstrom als | |
wichtige Energiequelle für die Grundversorgung vorsieht. | |
Japan vollzieht die politische Kehrtwende gegen den Willen der Bevölkerung, | |
die mit großer Mehrheit einen Ausstieg befürwortet. Unklar ist noch, wie | |
viele der 48 Reaktoren angesichts strengerer Sicherheitsvorschriften | |
überhaupt wieder hochgefahren werden können. Nach der Fukushima-Katastrophe | |
im März 2011 hatte auch Deutschland den Ausstieg aus der Atomkraft | |
beschlossen. | |
Der japanische Energie-Plan macht keine konkreten Vorgaben, welcher Anteil | |
die Atomkraft in Zukunft haben soll. Industrieminister Toshimitsu Motegi | |
erklärte, die Regierung könne den genauen Energie-Mix in zwei oder drei | |
Jahren festlegen. Die Abhängigkeit des Landes von der Atomkraft werde | |
jedoch durch eine Reihe von Maßnahmen verringert, sagte er. | |
Japan deckte vor dem Fukushima-Unglück knapp ein Drittel seines | |
Energiebedarfs über die Kernkraft. Der Anteil erneuerbarer Energien solle | |
größer ausfallen als bislang vorgesehen, sagte der Minister. In einer | |
Fußnote des Dokuments hieß es, bisher sei bis 2030 eine Quote von 20 | |
Prozent vorgesehen. Das wäre bereits eine Verdopplung gegenüber dem Anteil | |
im Jahr 2012. | |
Als Reaktion auf das Desaster hatte in Japan die Regierung der Demokraten | |
den Ausstieg beschlossen und alle Atomkraftwerke abgeschaltet. Allerdings | |
übernahmen Abes Liberaldemokraten dann Ende 2012 die Macht. Monatelang | |
musste der neue Ministerpräsident die Abgeordneten seiner Partei und die | |
des Koalitionspartners bearbeiten, um ihre Zustimmung zum neuen | |
Energie-Plan zu gewinnen. | |
Japan zahlt einen hohen Preis für die Atom-Pause. Es hat fast 90 Milliarden | |
Dollar für die Einfuhr fossiler Brennstoffe ausgegeben, um den Strombedarf | |
konventionell zu decken. Die Handelsbilanz der drittgrößten Volkswirtschaft | |
häufte ein großes Defizit auf. Seit der Katastrophe haben die neun | |
börsennotierten AKW-Betreiber zusammen Verluste von etwa 31 Milliarden | |
Dollar verkraften müssen. Hokkaido Electric Power und Kyushu Electric Power | |
baten jüngst den Staat um Hilfe. Der Fukushima-Betreiber Tokyo Electric | |
Power (Tepco) musste bereits 2012 aufgefangen werden. | |
## Japaner bleiben skeptisch | |
Ein Grund für das lange Zögern der Abgeordneten ist die kritische | |
Einstellung der Bevölkerung. Eine Umfrage der Zeitung Asahi im vergangenen | |
Monat ergab, dass fast 80 Prozent den Ausstieg aus der Kernkraft wollen. | |
Neben der Katastrophe selbst sind die anhaltenden Probleme von Tepco bei | |
der Bewältigung der Folgen Grund für die Skepsis. Anderen Erhebungen | |
zufolge sind trotz gestiegener Strompreise auch doppelt so viele Japaner | |
gegen ein Wiederhochfahren der eingemotteten Atomkraftwerke als dafür. | |
Wieviele der Atomkraftwerke nun tatsächlich wieder in Betrieb genommen | |
werden, muss sich allerdings noch zeigen. Einer Analyse der | |
Nachrichtenagentur Reuters zufolge werden möglicherweise bis zu zwei | |
Drittel der Anlagen nie wieder ans Netz gehen. Eine Umfrage bei Betreibern | |
und Experten ergab, dass vermutlich 17 Reaktoren für immer stillgelegt | |
werden. Bei weiteren 17 stehen Sicherheitsbedenken und politischer | |
Widerstand im Weg. Der Anteil der Atomkraft an der Energieversorgung könnte | |
damit künftig unter zehn Prozent verharren. | |
Die Katastrophe in Fukushima war das schwerste Reaktor-Unglück seit | |
Tschernobyl 1986. Ausgelöst wurde sie im März 2011 durch ein schweres | |
Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami. Mehr als 160.000 Menschen mussten | |
wegen der dreifachen Kernschmelze ihre Häuser verlassen, erst in diesem | |
Monat kehrten die ersten zurück. | |
Die Aufräumarbeiten haben sich verzögert. In der Präfektur sind immer noch | |
Hunderte Arbeiter damit beschäftigt, den Mutterboden abzutragen, Äste von | |
den Bäumen zu schlagen und Häuser abzuwaschen, um die Strahlung zu | |
verringern. Neben der Angst vor einer radioaktiven Belastung erschwert das | |
Fehlen von Arbeitsplätzen die Rückkehr: Viele Menschen in der Umgebung | |
arbeiteten in dem Kernkraftwerk. | |
11 Apr 2014 | |
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