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# taz.de -- Reportage-Buch „Brasilien brennt“: Eine Eroberung via Tagebuch
> Wer vor der Fußball-WM etwas über Brasilien erfahren möchte, sollte
> Adrian Geiges „Brasilien brennt“ lesen. Eine schöne Kennenlernlektüre.
Bild: Favela in Sao Paulo: Geiges Brasilien-Berichte sind weder von inhaltsschw…
Nanko ist eigentlich entspannt, Joyce ist tot, und Hitler heißt mit
Nachnamen Marubo. Er ist Indianerhäuptling, Vorname Hitler. Sein Vater
nannte ihn so, damit er ein guter Führer wird. Dafür kann Hitler nichts.
Seiner zweijährigen Tochter hat er den jüdischen Namen „Noah“ gegeben, als
„private Wiedergutmachung“, wie er sagt. Damit wäre die Hitlersache
geklärt.
Die Sache mit Nanko und Joyce ist dagegen etwas komplizierter. Es ist die
Geschichte eines Mannes, der in den Armenvierteln Brasiliens den Opfern des
Drogenkriegs hilft, den Kindersoldaten; und die eines Mädchens, das nachts
in seinem Bett erschossen wurde – weil sich eine Kugel bei einer Schießerei
zuerst durch die dünnen Hauswände bohrte und dann durch den Körper von
Joyce.
Sie ist tot, unschuldig gestorben, wie so viele Kinder, die, ob selbst
bewaffnet oder unbewaffnet, den politischen Konflikten Brasiliens zum Opfer
gefallen sind. Adrian Geiges ist ein deutscher Filmemacher und geht in
seinem gerade erschienenen Buch „Brasilien brennt“ diesen Geschichten nach.
Der Quadriga Verlag präsentiert sie als Reportagen. Tatsächlich gleicht
seine Annäherung an die vielen Facetten Brasiliens einem oft schillernd
geschriebenen Tagebuch, einer kleinen Eroberung.
Geiges ist kein Brasilienexperte – aber als ein Weltreisender, der viele
Jahre seines Lebens als Korrespondent für den Stern oder RTL in Peking,
Hongkong, Moskau, New York verbrachte und aus Vietnam, Nicaragua und Kuba
berichtete, lebt Geiges nun seit 2013 in Rio de Janeiro und bereist von
dort aus ganz Brasilien.
Sein Buch bietet einen undogmatischen, leicht zu erschließenden Zugang zu
einem für viele mit Klischees beladenen und schwer verstehbaren Land, für
das der nächste Klischeealarm zu erwarten ist, wenn dort Mitte Juni die
Fußballweltmeisterschaft beginnt.
In Brasilien brennt – sozialpolitisch – ja tatsächlich vieles. Die Proteste
vor den Stadien, die gigantischen Warteschlagen vor den Krankenhäusern und
eine gesellschaftliche Korruptionskultur sind nur die offensichtlichsten
Hinweise. Schön, dass Geiges Berichte vor diesem Hintergrund weder von
klischeehaften Beschreibungen noch von inhaltsschwerer Analytik oder
moralinsauren Gedankengängen geprägt sind.
Sie folgen im Gegenteil den recht einfachen Fragen und Konflikten, stoßen
aber immer wieder auf die Skurrilitäten und Schätze dieses facettenreichen
Landes. Skurril: Zu Besuch bei der einbeinigen Sambatänzerin. Ein Schatz:
Hausbesuch bei dem Starjournalisten und Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald.
Das Buch hat einige Längen und löst nicht alles ein, was es andeutet. So
landet Geiges zwar tatsächlich bei Glenn Greenwald in dessen Privathaus und
beschreibt kurz dessen journalistische Maschinerie. Aber in Sachen
Greenwald war es das dann schon. Dennoch: Wer zur Weltmeisterschaft das
Land Brasilien kennenlernen und etwas besser verstehen will, findet hier
den richtigen Einstieg.
14 Apr 2014
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Buch
Brasilien
Fußball-WM
Fußballweltmeisterschaft
Brasilien
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Fußball
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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