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# taz.de -- Kommentar Proteste in Rio de Janeiro: Die Polizei ist das Problem
> Die Armen des Landes setzen sich gegen staatliche Gewalt zur Wehr.
> Solange Brasilien auf korrupte Beamte und die Militärpolizei setzt, wird
> es keinen Frieden geben.
Bild: Jüngster Schauplatz der Krawalle ist das legendäre Strandviertel Copaca…
Überall in Rio de Janeiro wiederholt sich diese Szene: Aufgebrachte
Bewohner protestieren gegen Polizeigewalt, errichten Straßenbarrikaden,
viele Autos brennen. Auslöser sind die Toten und Verletzten, die die
Polizisten bei ihren Einsätzen in Armenvierteln hinterlassen. Jüngster
Schauplatz ist das legendäre Strandviertel Copacabana: Hier wurde ein in
Brasilien berühmter Tänzer offenbar zu Tode geprügelt.
Die staatliche Gewalt gegen die Armen, die in den Medien oft mit
potenziellen Kriminellen gleichgesetzt werden, gehörte schon immer zum
Alltag in Brasilien. Neu ist, dass sich die Betroffenen dagegen wehren und
ihrer Wut in Protesten und auch in Randale Luft machen. Sie nutzen das
internationale Interesse anlässlich der kommenden Fußball-WM und riskieren
ihr Leben, indem sie öffentlich die Polizei als Verursacher der Gewalt
verantwortlich machen.
Doch das Problem der strukturellen Gewalt in Brasilien ist komplizierter
als der Kampf der Unterdrückten gegen die Repressionsorgane. Und es
offenbart, warum das im Vorfeld der Sportereignisse erstellte
Sicherheitskonzept zum Scheitern verurteilt ist. Zu Recht verweist die
Stadtregierung auf eine Gegenoffensive der Drogengangs, die sich durch die
polizeiliche Befriedung der Favelas in die Enge getrieben fühlen. Auch sie
machen sich die vielen internationalen Kameras im Land zunutze und stiften
mithilfe der brennenden Barrikaden Chaos, um die Politiker zu erpressen.
Die Chefs der Drogenhändler wollen den Status quo ante wiederherstellen:
ein Stillhalteabkommen zwischen dem Staat und dem organisierten Verbrechen.
Dazu muss man wissen, dass in Brasilien Polizei, korrupte Politiker und
kriminelle Banden oft gemeinsam den Drogenhandel organisieren. Die
Drogenbarone herrschen in den Favelas ja nur, weil die Polizei ihnen das
erlaubt oder sie mancherorts eigener Profitinteressen wegen auch fördert.
Schüsse fallen erst, wenn diese Vereinbarungen verletzt werden oder weitere
Fraktionen um die Kontrolle der Stadtviertel rivalisieren.
Vorbild ist die Metropole São Paulo, wo es der Verbrecherorganisation PCC
(Primeiro Comando da Capital) durch regelrechte Terrorkampagnen immer
wieder gelingt, der Stadtregierung solche Stillhalteabkommen abzuringen.
Dank diesem Mafiastil gelingt es, Gefängnisse und Drogenmärkte weit über
die Stadtgrenzen hinaus zu kontrollieren.
Die Polizei in Brasilien ist durch und durch korrupt, und die
Militärpolizei untersteht einer eigenen Justiz, jenseits rechtsstaatlicher
Regeln. Solange die Politik ihr Sicherheitskonzept auf diesem Apparat
aufbaut, wird es eine Befriedung der Proteste bis zur Weltmeisterschaft
nicht geben.
23 Apr 2014
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Brasilien
Rio de Janeiro
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Randale
Fußball-WM 2014
Polizei
Favelas
Brasilien
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Buch
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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Fußball-WM 2014
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