# taz.de -- Verfall durch Fußball: Der Deutsche Schläferhund | |
> Jetzt soll nur noch teilzeitgearbeitet werden, damit wir ausgeschlafen | |
> Fußball-WM gucken können. Was ist nur aus den deutschen Tugenden | |
> geworden? | |
Bild: Ist der nicht süüüüüß? | |
Führer Fußball befiehl, wir folgen. Diesen Eindruck gewinnt, wer sieht, | |
welche Lockerungen im [1][Land der „freudlosen Schrate“] (Heiko Werning) | |
zur kommenden WM in Brasilien auf einmal möglich scheinen. Ging es in | |
obigem Artikel noch um eine teilweise Aufhebung der Lärmschutzregelungen | |
wegen der späten Anstoßzeiten, soll nun wohl de facto nur noch | |
teilzeitgearbeitet werden. | |
Das fordert jedenfalls Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft | |
für Bergbau, Chemie, Energie (BCE): Wo es möglich sei, solle sich der Chef | |
im WM-Monat flexibel zeigen oder die Frühschicht später beginnen. Und was | |
ist dann mit der Nachtschicht, während der die Spiele immerhin stattfinden? | |
Nun, die fällt wohl aus. Egal, verarmen wir eben. Kacken überall hin. | |
Völlig wumpe. Nackig im Bundestag. Na und? Mord ist auch nicht so schlimm. | |
Man gewöhnt sich an alles. | |
Die Argumentation der verantwortungslosen Fanatiker klingt zunächst | |
einleuchtend: Müde Mitarbeiter können ihre gefährlichen Tätigkeiten nicht | |
mit voller Konzentration ausüben. Was wäre verheerender als der | |
Sekundenschlaf des „Hier spricht Ihr Flugkapitän Schnarch auf dem Flug nach | |
Schnarch“, des Fernfahrers, der das unerwartete Stauende so virtuos zu | |
bespielen vermag wie der Teufel die Quetschkommode des Todes, oder des | |
S-Bahn-Führers, der ohne weckenden Prellbock in Strausberg-Nord die S5 bis | |
nach Danzig verlängert hätte? Gegen das nächtliche Null zu Null nach | |
Elfmeterschießen zwischen Mullewapp und Britz-Süd (Gruppe Z) ist ein | |
Dornröschenschlaf das reinste Kokain. | |
Apropos S-Bahn. Natürlich gibt es auch Berufe, die keinen klaren Kopf | |
benötigen: einen Flughafen zu bauen; oder Berlin zu regieren; oder einer | |
Gewerkschaft vorzusitzen. Den Seinen gibts der HERR im Schlaf. Nur die | |
Müllabfuhr muss unbedingt ausgeschlafen sein! Um sieben Uhr morgens | |
brauchen diese Klöterheinis in meinem Hinterhof nicht mehr aufzutauchen, | |
bitte, danke. | |
Dennoch muss man sich fragen: Quo vadis, Deutschland? Früher hätte es das | |
nicht gegeben. Um zehn Uhr hing die Hose kalt am Stuhl. Die Kirchen waren | |
voll. In den Waffenschmieden wurde emsig und wach geschraubt, um Halunken | |
in aller Welt mit deutscher Wertarbeit zu versorgen, die unserem Land den | |
Wohlstand brachte. | |
## Frauen, Muselmänner, Homosexuelle | |
Doch seit Frauen, Muselmänner und Homosexuelle der Heimat ihren eklig | |
bunten Stempel aufdrücken, sind wir nur noch ein Vasallenstaat der Freien | |
Volksrepublik Tohuwabohu. Sauberkeit, Fleiß, Präzision, Pünktlichkeit und | |
Lärmschutz werden heute offenbar als Makel begriffen. Nicht wenige | |
aufrechte Populisten, Volkstribune und Katzenkrimiautoren verlangen längst | |
eine Umbenennung in Lotterland. | |
Vor allem aber fragt sich so mancher: wtf? Oder, wie man früher, als man | |
sich auch noch feiner auszudrücken wusste, sagte: Was der Fick eigentlich | |
wozu?? Etwa nur, um Zeuge einer nationalen Demütigung zu werden, die das | |
Land nicht bloß um vier Wochen Schlafpause, sondern bis in die Steinzeit | |
zurückwirft? Denn das wird unweigerlich passieren. Der Trainer (Jogi Bär) | |
ist noch derselbe, wichtige Spieler (Khedira, Gündogan) sind verletzt, | |
unwichtige (Podolski, Westermann) leider nicht, die guten (Neymar, Messi) | |
spielen beim Gegner. Da droht doch das Aus bereits in der Voreliminierung | |
gegen Transnistrien. | |
Und auch die WM 2018 wirft bereits ihren langen Schatten voraus. Dann, so | |
die fixe Idee von Faul Schlaf, dem Vorsitzenden der bis dahin noch zu | |
gründenden Gewerkschaft Verpenni, soll während des Turniers überhaupt nicht | |
mehr gearbeitet werden, scheiß auf die Anstoßzeiten. | |
22 Apr 2014 | |
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## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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