# taz.de -- Protest gegen Kürzungen: „Alibi für Untätigkeit“ | |
> Das Bündnis gegen Rotstift sieht die soziale Arbeit in Gefahr. Die | |
> Schuldenbremse bedrohe die Existenz von Beratungsstellen. Armut existiere | |
> auf hohem Niveau. | |
Bild: Bei übermässigem Konsum sollte man zur Suchthilfe, wenn es sie dann noc… | |
In diesen Wochen wird hinter verschlossenen Türen am Haushalt für 2015/16 | |
gewerkelt. Es ist der zweite Etat unter der Schuldenbremse. Das heißt, für | |
diverse Bereiche gibt es unabhängig von realen Kostensteigerungen nur eine | |
Anhebung von 0,88 Prozent, oder gar Nullrunden. Das „Bündnis gegen | |
Rotstift“, das vergangene Woche zur Konferenz ins Curio Haus einlud, will | |
die „Schuldenbremse knacken“. Denn deren Folgen für das Gemeinwesen seien | |
gravierend. | |
Beratungsstellen für Suchtabhängige und Wohnungslose seien beispielsweise | |
ernsthaft bedroht, warnt Jens Stappenbeck von der Arbeitsgemeinschaft der | |
freien Wohlfahrtspflege (AGFW). Nach internen Berechnungen fürchten die | |
Projekte einen Stellenabbau von 25 Prozent bis zum Jahr 2020. | |
Bereits den Rotstift zu spüren bekam die ELAS-Suchtselbsthilfe der | |
Diakonie. Sie qualifiziert ehemalige Abhängige zu Leitern von | |
Selbsthilfegruppen. „Diese Gruppen erreichen 5.000 bis 8.000 Menschen | |
wöchentlich“, sagt Projektleiter Markus Renvert. Doch der städtische | |
Zuschuss wurde 2013 gestrichen. Man bemühte sich um andere Gelder, doch es | |
finden nur noch halb so viele Fortbildungen statt. Dabei sind | |
Selbsthilfegruppen eine wichtige Stütze für Menschen, die sich von ihren | |
Süchten lösen. | |
Abhängige, Wohnungslose, Menschen, die seit Jahren arbeitslos sind – sie | |
stünden „nicht im Fokus dieses SPD-Senats“, kritisiert Petra Lafferentz vom | |
Beschäftigungsträger „Alraune“. Frühere SPD-Regierungen hatten stets sto… | |
Landesprogramme in dreistelliger Millionenhöhe, um Menschen, die am Rand | |
stehen, in Beschäftigung zu bringen. Diese Zeiten sind vergessen. Als der | |
Bund 2010 begann, die Mittel für Langzeitarbeitslose zu streichen, kürzte | |
SPD-Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) in Hamburg gleich mit. Von ehemals | |
52 Beschäftigungsträgern existieren nur noch knapp 20. | |
Dabei ist die Zahl der Arbeitslosen wieder gestiegen, sogar mehr als im | |
Bundesschnitt. Knapp 100.000 Menschen in der Stadt sind ohne Arbeit. „Der | |
SPD-Senat hat sich seit 2011 mit dieser Rotstiftpolitik arrangiert“, | |
kritisiert der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Joachim Bischoff (Die | |
Linke) in einer Studie. Die Schuldenbremse werde zum „Alibi für | |
Untätigkeit“. | |
Aufhänger für die Studie ist das rosige Bild, das der Sozialsenator im | |
Januar bei der Vorstellung des Sozialberichts zeichnete. Der überwiegende | |
Teil der Hamburger sei „ökonomisch abgesichert“, gar 83 Prozent der Eltern | |
verfügten über mittlere bis gehobene Einkommen. Und die Armutsrisikoquote | |
sei im Untersuchungszeitraum von 14 auf 13 Prozent gesunken. „Wer Armut | |
bekämpfen will, muss den Zugang zu Bildung und Ausbildung erleichtern“, so | |
der Senator. | |
Die von Scheele verwendeten Zahlen seien „veraltet“, kritisiert Cansu | |
Özdemir (Linke), mit Verweis auf die Bischoff-Studie. „Armut in Hamburg hat | |
sich verfestigt, wenn nicht sogar zugenommen.“ So stieg die Quote der | |
Armutsgefährdeten im Jahr 2012 auf 14,8 Prozent. Rechnet man die hohen | |
Lebenshaltungskosten hinzu, liegt sie bei 17 Prozent. | |
Auch sind 21 Prozent der Kinder auf Sozialleistungen angewiesen. Die armen | |
Familien konzentrieren sich zudem auf bestimmte Stadtteile, in denen es | |
„kaum ein auf diese Bevölkerungsgruppen zugeschnittenes Angebot | |
öffentlicher Dienstleistungen gibt“, kritisiert Bischoff. Frühere Senate | |
hätten die Notwendigkeit einer sozialen Stadtentwicklung gesehen. Diese | |
habe die SPD „faktisch beerdigt“. | |
Das Bündnis gegen Rotstift wendet sich generell gegen die Sparlogik. „Wir | |
haben nicht ein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem“, sagt Frederik | |
Dehnerdt von der GEW. Die Zahl der Reichen, von denen man mehr Steuern | |
nehmen könne, sei nirgendwo im Land höher. | |
Doch auch so gibt es etwas Luft im Haushalt. Beispielweise wird die Stadt | |
um 190 Millionen Euro entlastet, weil der Bund die Kosten für die | |
Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung übernimmt. Ob von diesem Geld | |
etwas im Sozialhaushalt ankommt, ist nicht bekannt. Bis zum Frühsommer | |
geben die Behörden keine Auskunft. Bekannt ist nur, dass die fünfstündige | |
Kita-Grundbetreuung beitragsfrei wird. Kosten: 75 Millionen Euro. | |
13 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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