# taz.de -- Sparen im Sozial-Etat: Erziehungshilfe leicht gemacht | |
> Der SPD-Senat plant zehn Prozent Kürzung bei Kinder- und Jugendarbeit ab | |
> 2013. Betroffene Träger können sich für umstrittene Sozialraumangebote | |
> bewerben. | |
Bild: Müssen sich nun für Förderung bewerben: Familienzentren. | |
Überschattet vom Fall Chantal überschlagen sich in der Jugendhilfe die | |
Dinge. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (Basfi) | |
plant ab 2013 eine Kürzung der offenen Kinder- und Jugendarbeit um zehn | |
Prozent, sprich 3,5 Millionen Euro. Damit droht ein Stellenabbau bei | |
Bauspielplätzen, Spielhäusern und Jugendclubs. | |
Die Kürzung sei nötig, um die Steigerung des Basfi-Etats an die | |
Schuldenbremse anzupassen, sagt Sprecher Oliver Klessmann. Da der Etat von | |
derzeit 2,4 Milliarden Euro zum größten Teil für gesetzliche Leistungen | |
verplant sei, gebe es keinen anderen Spielraum. "Wir tun aber auch Dinge | |
hinein", sagt Klessmann. So würden im gleichen Zeitraum die Kitas und die | |
betreuten Ganztagsgrundschulen (GBS) "kräftig ausgebaut". Damit bestätigt | |
er zugleich die schon länger gehegte Sorge, dass die GBS-Reform zu Lasten | |
dieser eigenständigen offenen Jugendarbeit geht. | |
Zum Trost weist die Basfi in einer Power-Point-Präsentation aber auch einen | |
Ausweg auf. Es gibt im Haushalt unter dem Kürzel "SHA" auch einen um zehn | |
Millionen Euro steigenden Posten. Das steht für "sozialräumliche Hilfen und | |
Angebote" und wird vom 234-Millionen-Euro-Etat der "Hilfen zur Erziehung" | |
(HzE) abgezwackt. | |
"Es besteht die Möglichkeit, dass die Träger der offenen Kinder- und | |
Jugendarbeit und der Familienförderung ihre Angebote anpassen und sich für | |
SHA bewerben", sagt Klessmann. Ein Paradebeispiel dafür seien die Kinder- | |
und Familienzentren, Kifaz genannt. Das Ziel bei SHA sei, Erziehungshilfen | |
zu vermeiden. | |
Nur ist die Art und Weise, wie die Basfi dieses Ziel verfolgt, umstritten. | |
Martin Apitzsch vom Diakonischen Werk spricht von einem | |
"Etikettenschwindel", die GAL-Politikerin Christiane Blömeke von "HzE | |
light". | |
Es geht im Kern um die sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH), die | |
Familien stärken und verhindern soll, dass Kinder ins Heim kommen. Bisher | |
betreut ein sozialpädagogischer Familienhelfer laut Apitzsch etwa sechs | |
Familien, hat sechs Stunden pro Woche für jeden Fall. Im Schnitt dauert | |
eine Hilfe 14 Monate. | |
Hamburg plant nun, angedockt an die SAH-Projekte eine neue Form der | |
"verbindlichen Hilfen" einzuführen, die günstiger sein wird. Anders als für | |
SPFH gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. Die Projekte sollen mit den | |
Bezirken Zielzahlen vereinbaren und die wiederum mit der Basfi Zielzahlen | |
aushandeln. Das geht aus der seit 1. Februar gültigen SHA-Globalrichtlinie | |
hervor. Werden die Ziele verfehlt, wird Geld zurückverlangt. | |
Der taz liegt ein Schreiben des Jugendamtes Wandsbek vor, aus dem | |
hervorgeht, dass die Basfi für 2012 auf höhere Zielzahlen drängte. Die | |
Verwaltung schlägt daraufhin vor, dass in SHA-Projekten ein Sozialarbeiter | |
künftig "bis zu 9 verbindliche Hilfen in der Woche zu bearbeiten hat". Die | |
Dauer dieser Hilfen solle "maximal sechs Monate" betragen, so könne ein | |
Mitarbeiter im Jahr 18 Fälle bearbeiten. Da die Mitarbeiter nebenher auch | |
noch 30 Prozent der Arbeitszeit für "sonstige Hilfen" haben sollen, sei | |
etwa mit 13 Fällen im Jahr zu rechnen. | |
Neu ist auch: Es gibt zwei Wege, an eine "verbindliche Hilfe" zu kommen. | |
Entweder der Allgemeine soziale Dienst (ASD) schickt die Menschen oder sie | |
melden sich selber bei den SHA-Projekten. In beiden Fällen sollen die | |
Fallverläufe im neuen Software-Programm "JUS IT" dokumentiert werden, die | |
einen mit Namen, die anderen anonym. | |
Das Verfahren stößt auch beim Fachverband für Kinder- und Jugendarbeit auf | |
Kritik, der an sich ein Befürworter sozialräumlicher Angebote ist. "Es ist | |
wichtig, dass die ASDs außer HzE auch noch andere Hilfen anbieten können", | |
sagt Geschäftsführer Achim Gerbing. Doch das jetzt gewählte Verfahren | |
enthalte "zu viel Bürokratie". Gerbing sagt: "Wir verstehen Sozialraum als | |
freien Zugang für die Menschen. Uns stört der Zwang, die Daten zu | |
dokumentieren." Für die Übergabe der Fälle wäre ein Gespräch aller | |
Beteiligten der bessere Weg. | |
16 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
Kaija Kutter | |
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