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# taz.de -- Kinderbetreuung per Gutschein: Keiner will wie Hamburg sein
> Der Stadtstaat liegt beim Krippenausbau im Westen vorn, auch dank des
> Gutschein-Systems. Trotzdem wollen die Nachbarn das System nicht
> übernehmen.
Bild: Gut in Gang gekommen: Kita-Ausbau in Hamburg.
HAMBURG taz | Solche Sätze hören werdende Eltern gerne: „In Hamburg sind
genug Kita-Plätze vorhanden“, sagt Sozialbehörden-Sprecherin Nicole
Serocka. „Wer einen Platz braucht, der bekommt auch einen.“ Das gilt auch
für Krippenkinder. Wenn 2013 der Rechtsanspruch in Kraft tritt, will die
Stadt für 43 Prozent einen Platz bereitstellen. Schon jetzt liegt sie mit
einer 40-prozentigen Krippen-Versorgung an der Spitze der westlichen
Bundesländer.
Dass das seit Jahren so ist, liegt an zwei Dingen. Zum einen garantiert
Hamburg Berufstätigen schon seit 2005 einen Rechtsanspruch auf Betreuung
ihrer Kinder vom Krippenalter an. Zum anderen hat Hamburg seither mit dem
„Kita-Gutschein-System“ ein unbürokratisches Finanzierungsmodell
geschaffen.
Eltern bekommen einen Schein und geben ihn in der Kita ab, die ihn wiederum
bei der Stadt einlöst. Darin enthalten sind Pauschalen für Personal-, Sach-
und Gebäudekosten. Will eine Kita eine neue Krippengruppe einrichten, kann
sie das, ohne von einer zentralen Planung abhängig zu sein.
Kita-Leiterin Annette Krogh von der Park-Kita in Hamburg Rahlstedt etwa hat
seit 2008 drei Räume nacheinander in Krippen umbauen lassen. „Ich kann
jeden Platz dreimal vergeben, so groß ist der Andrang“, sagt sie. Das Geld
für die kleinkindgerechte Einrichtung bekommt sie als Kredit von der Stadt,
die dies später von besagten Gebäudepauschalen abzieht.
Auch andere Kita-Leitungen berichten von hohem Andrang. Doch lange
Wartelisten gibt es laut Serocka nicht. Sollten Eltern ihren Kita-Gutschein
nicht eingelöst bekommen, könnten sie bei den Jugendämtern den Nachweis
eines Platzes verlangen. Sollte im August 2013 die angepeilte
Versorgungsquote von 43 Prozent für die Krippenkinder nicht reichen, kann
das System weiter wachsen. Die Stadt muss dann nur Gutscheine bewilligen
und das Kita-Budget erhöhen.
Das neue System hat in Hamburg schon vor dem Start des bundesweiten
Krippenausbaus geholfen: Allein von 2004 bis 2007 entstanden rund 3.000
zusätzliche Plätze.
Inzwischen streitet Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) mit
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ums Geld. Die lobt zwar Hamburgs
Anstrengungen, will aber die Bundeszuschüsse auf jene Plätze begrenzen, die
nach dem Start des Ausbauprogramms entstanden.
Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob das Gutschein-Modell auch für
benachbarte Bundesländer taugt. Niedersachsen etwa ist noch weit von der
angepeilten 35-Prozent-Quote entfernt. Auch ist dies nur ein grober
Richtwert. Letztlich sind die Kommunen verpflichtet, den tatsächlichen
Krippen-Bedarf zu decken, der darüber oder darunter liegen kann.
Doch das Gutschein-Modell stößt nicht nur auf Begeisterung. „Ob das in
Niedersachsen praktikabel ist, bezweifle ich“, sagt Roman Haase vom
Kultusministerium. In dem Flächenstaat gebe es mit Gemeinden und Land
getrennte Zuständigkeiten und eine bunt gemischte Trägerschaft. Ähnlich
denkt man in Schleswig-Holstein. Allenfalls auf kommunaler Ebene sei „der
Ansatz einer kindbezogenen Förderung auch in Schleswig-Holstein
vorstellbar“, erklärt das dortige Sozialministerium.
Bremen hat über das Gutschein-Modell diskutiert. Es sei aber zu teuer, sagt
Bernd Schneider vom Sozialressort. Außerdem habe man dann keinen Einfluss
mehr auf die Anbieterstruktur, die Bremen gern erhalten wolle. Die Stadt
sei aber zuversichtlich, den Bedarf an Krippenplätzen zu decken, sagt
Schneider. Die 35-Prozent-Quote habe man erreicht.
Da nur ganz wenige Eltern ihre Kinder vor den ersten Geburtstag in die
Krippe gäben, gebe es für die Ein- und Zweijährigen eine
50-Prozent-Versorgung. Sollten die Plätze doch nicht reichen, werden sie
nach Dringlichkeit vergeben. Hier gilt der Bedarf von gut verdienenden
Paaren als nachrangig. Sie können ab August 2013 aber klagen.
Auch in Hamburg ist das Gutschein-Modell umstritten. Für die Erzieher seien
die Auswirkungen „nicht nur positiv“, räumt Jürgen Näther ein. Der
pensionierte Regierungsrat hat das Modell mitentwickelt. Da statt
Ganztagsplätzen oft nur kürzere Betreuungszeiten bewilligt würden, seien
viele Erzieher-Vollzeitjobs verloren gegangen. „Aus Sicht der Eltern ist
das Gutschein-Modell ein Erfolg“, ist sich Näther sicher. „Es hat den
Ausbau sehr, sehr erleichtert.“ Und es wäre im Prinzip „auf andere Orte
übertragbar“.
12 Aug 2012
## AUTOREN
Kaija Kutter
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