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# taz.de -- Nächtliche Kinderbetreuung in Hamburg: „Nudeln oder Butterbrot?�…
> Was es in den USA schon lange gibt, beginnt sich in Deutschland zu
> etablieren: Kindergärten, die über Nacht geöffnet haben.
Bild: Eine recht neue Entwicklung in Deutschland: 24-Stunden-Kitas.
HAMBURG taz | Juli und Nika klingeln Sturm. Die Zweijährigen stehen auf
einem Hocker an der Rezeption und hauen ausdauernd auf die Hotel-Bimmel am
Tresen. Die Klingel ist der Knüller für die fünf Kinder, die an diesem
Abend nach und nach im Kinderhotel der Eimsbütteler Kindertagesstätte
Bengel und Engel eintrudeln.
Juli und Nika sind die ersten, die da sind. Die Pädagoginnen Kristina
Todorovic (28) und Vanessa Katzmarek (22), die die beiden tagsüber in einer
anderen Kita-Filiale betreuen, haben die Zwillinge mit hinüber gebracht und
werden auch die ganze Nacht für sie da sein. „Mama arbeiten“, erklärt Jul…
Sie und Nika kennen das schon.
Die Einrichtung ist eine von einer Handvoll Übernachtungskitas, die in den
letzten Jahren in Hamburg entstanden sind. Der Bedarf an nächtlicher
Kinderbetreuung wächst. „Je mehr sich unser Angebot herumspricht, desto
mehr Eltern nutzen es“, sagt Kristina Todorovic.
Etwa 1.000 Mal haben hier seit der Gründung vor neun Jahren Kinder
übernachtet. „Viele schaffen es nicht immer, das Kind nach der Arbeit bis
18.30 Uhr abzuholen“, sagt Stefanie Kirschbaum, Marketingleiterin von
Bengel und Engel. Andere Eltern wollten sich eine Auszeit gönnen.
## Die Eltern gehen aus
So ist es auch bei Fabienne Haus. Man hört schon von weitem, dass sie mit
ihren Kindern im Anmarsch ist. Ihre Söhne Florian (2) und Philipp (4) sowie
Philipps Kita-Freund Richard (4) rennen über den Flur und sind aufgekratzt.
Die Projektleiterin für klinische Studien nutzt die
Übernachtungsmöglichkeit für ihre Kinder öfter, wenn sie dienstlich
unterwegs ist. „So ungefähr alle zwei Monate schlafen sie hier“, sagt Haus.
Heute Abend will die 38-Jährige aber einfach mal wieder mit ihrem Mann
essen gehen.
Während in Ländern wie Finnland und den USA Rund-um-die-Uhr-Kitas längst
dazugehören, ist das in Deutschland eine relativ neue Entwicklung. 2003
eröffneten hier die ersten 24-Stunden-Kindergärten nach der
Wiedervereinigung. Die Kita Schnatterenten im brandenburgischen Schwedt
gilt als eine der ersten mit Übernachtungsmöglichkeit. „Wir haben sehr
viele Eltern, die im Schichtdienst arbeiten“, sagt Leiterin Marlies
Helsing. Trotzdem habe es gedauert, bis sich das Angebot durchgesetzt
hatte. Helsing: „Viele tun sich schwer damit, ihr Kind über Nacht
abzugeben.“
## Die Kinderpsychiaterin ist skeptisch
Diese Erfahrung macht auch Bengel und Engel. Dass jemand das
Übernachtungsangebot missbrauche und sein Kind mehrere Nächte
hintereinander betreuen lasse, habe es noch nie gegeben, sagt
Marketing-Leiterin Kirschbaum.
Die Hamburger Kinderpsychiaterin Meike Nitschke-Janssen sieht die
Verbreitung der 24-Stunden-Kitas trotzdem skeptisch. „Es besteht die
Gefahr, dass die Arbeitgeber irgendwann von den Müttern verlangen, dass sie
ihre Kinder über Nacht weggeben“, sagt sie. Für die meisten Kinder sei es
ab und an kein Problem, auswärts zu schlafen. Allerdings sei es wichtig,
das vorher zu besprechen.
„Wenn die Kinder wissen, wer auf sie aufpasst und wann die Eltern sie
wieder abholen, können sich die meisten darauf gut einstellen“, sagt
Nitschke-Janssen. Das Bett zu Hause könne eine Kita aber nie ersetzen.
Auch Florian fällt es heute Abend schwer, sich von seiner Mutter zu
trennen. Der Zweijährige weint und lässt sich nicht so leicht trösten.
Kristina Todorovics Rezept dagegen: Ablenkung. Zum Beispiel mit
Bilderbuchgeschichten.
## Vor dem Schlafen eine Gute-Nacht-Geschichte
Und so trommelt die Pädagogin alle Übernachtungskinder zusammen und liest
vor. Es ist eine Geschichte über freche Hunde, die die Kinder zum Lachen
bringt. Nur Florian nicht. Er ist eingeschlafen.
Vanessa Katzmarek bringt ihn ins Bett, während Kristina Todorovic den Rest
der Kinder in die Küche lotst und über das Abendbrot abstimmen lässt.
„Nudeln oder Butterbrot?“ Die Antwort ist eindeutig: Nudeln. Nach
Abendessen und Zähneputzen geht es in den Schlafraum.
Nika und Juli klettern sofort zu ihren Kuscheltieren in die Betten und
schlafen langsam ein, während Richard und Philipp noch immer über die
Matratzen turnen und Piraten spielen wollen.
Es ist fast neun Uhr, als Kristina Todorovic und Vanessa Katzmarek die Tür
zum Schlafraum schließen und ihr Nachtlager im Nebenraum vorbereiten.
Durchschlafen werden sie nicht. „Mit einem Ohr ist man immer nebenan und
lauscht, ob jemand wach wird“, sagt Katzmarek.
Und auch am nächsten Morgen wird die Nachtruhe für die beiden Pädagoginnen
früh vorbei sein. Die Kinder seien immer schon gegen sechs Uhr wach, sagt
Katzmarek. „Die sorgen dafür, dass niemand länger schläft.“
3 Sep 2012
## AUTOREN
Anne Passow
## TAGS
Brot
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