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# taz.de -- Verwaltungsgericht kippt Projekt der Sozialbehörde: Hilfe für Elt…
> Die Sozialbehörde darf Einzelfallberatung für Kinder und Eltern nicht
> mehr pauschal finanzieren. Ein Träger aus Bergedorf hatte geklagt und
> Recht bekommen.
Bild: Überforderte Eltern: Die Beratung für Alleinerziehende ist vor Gericht …
HAMBURG taz | Eines der größten Projekte der Sozialbehörde steht nicht im
Einklang mit geltendem Gesetz. So lautet jedenfalls ein Urteil des
Verwaltungsgerichts, das der taz vorliegt. Die Stadt darf demnach nicht
mehr pauschal Geld an Projekte überweisen, die zusätzlich zu offenen
Angeboten wie Bauspielsplätzen oder Müttercafés auch Einzelberatung
anbieten. Auch dürfen die Jugendämter niemanden, der Anspruch auf diese
Einzelfallhilfe hat, dorthin vermitteln. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig, da die Behörde in Berufung gehen will.
Es geht um die ambulanten Hilfen zur Erziehung (HzE), jene stundenweise
Unterstützung durch einen Sozialpädagogen also, die beispielsweise ein
überforderter alleinerziehender Elternteil bekommt, um zu verhindern, dass
die Kinder ins Heim müssen.
Diese Hilfen, für die es einen gesetzlichen Anspruch gibt, kosten Jahr für
Jahr mehr Geld. Außerdem gibt es einen fachlichen Streit darüber, ob es
nicht ohnehin besser ist, die Betreffenden in Projekte wie Müttercafés,
Bauspielplätze oder Familienzentren zu vermitteln und so aus ihrer
Isolation herauszuholen statt sie einzeln durch einen Sozialpädagogen
betreuen zu lassen.
Seit 2011 gibt es in Hamburg deshalb „Sozialräumliche Hilfen und Angebote“,
kurz SHA. Dieses Konzept verbindet beide Ansätze miteinander.
Beispielsweise hat ein Bauspielplatz für alle Kinder aus dem Viertel
geöffnet, Mitarbeiter betreuen aber zusätzlich einen Teil der Familien
intensiv.
Während die Offene Kinder- und Jugendarbeit 2012 um zehn Prozent gekürzt
wurde, hat mancher Jugendclub seine Stellen über diesen neuen Ansatz
gerettet. 2014 waren es bereits 552 Angebote bei 100 Trägern, die insgesamt
5.730 Einzelfallhilfen durchführten. Das geht so: Das Projekt bekommt von
der Stadt eine Summe X und muss dafür die Zahl Y an Fällen bearbeiten.
Weist das Jugendamt den Trägern Eltern zu, sind diese vorrangig zu
betreuen. Geregelt ist das in der „Globalrichtlinie J 1/12“.
Gegen diese Richtlinie hatte Michael Kolle 2012 geklagt. Seine Kritik: Hier
solle nur Geld gespart werden mit der Folge, dass die Menschen nicht die
qualifizierte Hilfe bekommen, die sie brauchen. In der Folge gebe es
weniger ambulante Hilfe und mehr Heimunterbringung. Kolle ist selbst
Geschäftsführer der Firma Miko Kinder und Jugendhilfe, die Sozialpädagogen
beschäftigt und ambulante Einzelfallhilfen anbietet.
Eigentlich dürfen sich die Betroffenen einen Träger aussuchen und das
Jugendamt bezahlt dann die tatsächlich erbrachten Stunden. Durch die
Pauschalverträge mit einigen ausgewählten Trägern aber, so argumentiert
Kolle, werden Träger vom Markt ausgeschlossen und an ihrer Berufsausübung
behindert. Er selbst habe 70 Mitarbeiter entlassen müssen.
Das Gericht gibt Kolle nun Recht. Die im Grundgesetz geschützte
„Berufsausübungsfreiheit“ sei durch die Praxis der Stadt beeinträchtigt.
Sie verkleinere durch ihre SHA-Programme den Markt, um den sich freie
Träger bemühen können. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Betroffene um
Rechtsansprüche gebracht werden.
Die Behörde geht in Berufung und rechnet sich Chancen aus. Denn auf
Bundesebene gibt es Pläne, das Gesetz so zu ändern, dass sozialräumliche
Hilfe möglich ist. „Das ist höchste Zeit“, sagt der frühere
Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer. Hier werde das Recht des
Staates eingeschränkt, durch Stärkung belasteter Stadtteile den Folgen
verfestigter Armut von Familien entgegenzuwirken. „Das Urteil zeigt, dass
der Gewerbefreiheit und dem Gewinnstreben von Anbietern ein höherer
Stellenwert eingeräumt wird als dem Kindeswohl.“
„Das ist abwegig. Um Gewinnstreben geht es nicht“, hält der Hamburger
Jura-Professor Knut Hinrichs dagegen. Es ginge um den Schutz der
individuellen Rechtsansprüche. „Wir brauchen neue Angebote als Ergänzung.“
Denn die Pauschalfinanzierung berge die Gefahr, „dass der Staat auf Kosten
der Betroffenen spart“.
13 Mar 2016
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Sozialbehörde
Erziehung
Alleinerziehende
Urteil
Familie
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bewerben.
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