# taz.de -- Jugendhilfe: SPD-Basis widerspricht | |
> SPD-Jugendpolitiker in Eimsbüttel lehnen die Zehn-Prozent-Streichung bei | |
> Angeboten für Kinder und Jugendliche ab und schlagen eine alternative | |
> Finanzierung vor. | |
Bild: Betreut mehr als 300 Familien: das Kinder- und Familienzentrum. | |
Das Thema bewegt die Menschen in den Bezirken. Rund 80 Väter, Mütter und | |
Kinder reisten am Montagabend mit der Buslinie 5 aus Schnelsen-Süd zum | |
Bezirksamt am Grindel an, um im Jugendhilfeausschuss gegen drohende | |
Kürzungen in ihrem Kinder- und Familienzentrum (Kifaz) zu protestieren. | |
„Ich bin fast jeden Tag dort, um Rat zu suchen“, sagt Nigar Kiyatcig, | |
Mutter von vier Kindern. „Wenn sie da kürzen, wird halb Schnelsen einen | |
Aufstand machen.“ | |
Wie die taz berichtete, will SPD-Sozialsenator Detlef Scheele die | |
„Rahmenzuweisung“ für die offene Kinder- und Jugendarbeit sowie die | |
Familienförderung ab 2013 um zehn Prozent senken. Wo die insgesamt 3,5 | |
Millionen Euro wegfallen, müssen die Bezirke entscheiden. | |
Das Kifaz Schnelsen betreut etwa 300 Familien und gilt als vorbildlich, | |
weil dort Menschen Hilfe finden, ohne formal ein teurer Erziehungshilfefall | |
(HZE) zu sein. „Man kann einfach kommen als Mensch“, sagt der Vater Fatmir | |
Sulejmani. Man sei dort nicht „ein Fall“ wie beim Arbeitsamt. „Ich will | |
meine Jungsgruppe im Kifaz behalten“, ergänzt sein Sohn Billi. | |
Dennoch droht im Kifaz laut Projektleiter Werner Brayer die Kürzung, da | |
sich in Eimsbüttel den Etat für Familienförderung nur das Kifaz und zwei | |
wichtige Mütterzentren teilen. Sulejmani hält eine flammende Rede vor dem | |
Ausschuss und warnt, dass sich wieder Gangs und Kriminalität bilden | |
könnten. „Wenn Sie hier kürzen, entstehen Ihnen die zehnfachen Kosten“, | |
sagt er, bevor er wütend den Saal verlässt. | |
Dabei stößt er auf offene Ohren. Der komplette Ausschuss stimmt gegen die | |
Kürzung. Auch die SPD-Bezirkspolitiker, „obgleich wir dem Senat damit in | |
die Parade fahren“, wie der Vorsitzende Hans-Dieter Ewe sagt. Und auf | |
Anregung des SPD-Abgeordenten Nils Harringa wird ein alternativer | |
Sparvorschlag formuliert. Denn der Senat kürzt nicht nur 3,5 Millionen Euro | |
bei der offenen Arbeit, er stellt neuerdings zugleich 12,1 Millionen Euro | |
für „Sozialräumliche Hilfen und Angebote“ (SHA) bereit. Wie berichtet | |
sollen diese Hilfen teure Erziehungshilfen vermeiden. Dieses Geld ist erst | |
zu einem kleinen Teil verplant, 2011 wurden nur 2,9 Millionen Euro | |
ausgegeben, der Rest blieb übrig. | |
Harringas Rechnung ist einfach: Statt 12,1 Millionen solle der Senat nur | |
8,6 Millionen Euro in dieses Neuland-Gebiet investieren und dafür auf die | |
Kürzung bei den offen zugänglichen Angeboten verzichten. „Das Geld geht | |
hier in Projekte, von denen wir nicht wissen, welchen Erfolg sie haben“, | |
sagte Harringa. „Dafür droht jetzt, erfolgreich verankerte Arbeit in den | |
Bezirken zerstört zu werden.“ | |
Auch in anderen SPD-Distrikten wird der Wunsch laut, dass die Sozialbehörde | |
anderswo spart. Die Kürzungen seien „aus fachlicher Sicht nicht zu | |
rechtfertigen“, schreibt der Bergedorfer SPD-Abgeordnete Paul Kleszcz in | |
einem Parteiblatt. Allein dort müssten zwei Jugendhäuser schließen. | |
Doch der Sozialsenator lehnt die Idee aus Eimsbüttel ab. Im Haushaltsjahr | |
2013, auf den sich der Antrag bezieht, würden die neuen SHA-Projekte | |
„vollständig vorhanden sein“, sagt seine Sprecherin Nicole Serocka. Man | |
wisse aus Vorläufer-Projekten, dass der Ausbau sozialräumlicher Projekte | |
sehr sinnvoll sei. Das Geld werde aus dem HZE-Etat genommen, um dort den | |
Kostenanstieg zu begrenzen. Würde man dies nicht tun, müsse die Stadt für | |
förmliche Hilfen „ein Vielfaches an Mitteln aufwenden“. Davon müsste man | |
„jeden zusätzlichen Euro“ bei den freiwilligen Leistungen sparen. | |
Bezirkspolitiker Harringa überzeugt das nicht. „Ich habe Zweifel, ob die | |
HZE-Zahlen durch neue SHA-Projekte reduziert werden“, sagt er. „Jedenfalls | |
nicht mehr, als es die jetzt bedrohten offenen Angebote tun.“ | |
21 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Soziales | |
Schuldenbremse | |
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